Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten. Кристин Нефф

Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten - Кристин Нефф


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fixiert zu sein.

      Man stellte fest, dass selbstmitfühlende Menschen weniger Angst vor dem Scheitern haben (Neff et al., 2005) und dass sie, wenn sie scheitern, eher bereit sind, es noch einmal zu versuchen (Neely et al., 2009). Auf diese Weise hilft Selbstmitgefühl den Menschen, aus dem Scheitern zu lernen, statt dadurch geschwächt zu werden. Es wurden beispielsweise mehrere Studien durchgeführt, um zu untersuchen, wie sich Selbstmitgefühl auf die Betrachtung vergangenen Verhaltens auswirkt, das man bereut (Zhang und Chen, 2016). Bei einer Studie wurde das Maß an Selbstmitgefühl kodiert, das sich in spontanen Beschreibungen von Ereignissen, die Reue auslösten, auf einem Blog zeigte. Die Beschreibungen, die mehr Selbstmitgefühl ausdrückten, wurden von den Forschern auch mit größeren persönlichen Fortschritten assoziiert. Eine zweite Studie ergab, dass größeres Trait-Selbstmitgefühl (das heißt Selbstmitgefühl als relativ stabile, zeitlich überdauernde Persönlichkeitseigenschaft) ein Prädiktor für größere selbst- und fremdbeobachtete persönliche Weiterentwicklung durch erinnerte bereute Erfahrungen ist. In der dritten Studie half man Menschen, mit Mitgefühl und Verständnis auf ein memoriertes Ereignis zu blicken, das sie bereuten, und stellte fest, dass diese Teilnehmenden von größeren persönlichen Fortschritten berichteten als die Teilnehmenden in zwei Kontrollsettings (»Bestätigen Sie Ihre positiven Eigenschaften« oder »Denken Sie an ein Hobby, das Ihnen Freude macht«). Insgesamt deuteten diese Ergebnisse darauf hin, dass Selbstmitgefühl angesichts von Reue oder Bedauern inneres Wachstum fördert.

      In einer weiteren Studie wurde untersucht, welchen Einfluss Selbstmitgefühl auf die Lernmotivation nach einem Misserfolg haben würde (­Breines und Chen, 2012). Die Studierenden mussten einen sehr schwierigen Vokabeltest absolvieren, bei dem alle schlecht abschnitten. Eine Gruppe der Teilnehmenden wurde ermutigt, nach diesem Versagen mitfühlend mit sich umzugehen, eine andere Gruppe bekam einen Schub für ihr Selbstwertgefühl (zum Beispiel »Du musst ja intelligent sein, wenn du es auf diese Universität geschafft hast«), und eine weitere Gruppe erhielt keinerlei Ermutigung oder Rückmeldung. Als Nächstes wurde den Studenten gesagt, sie würden einen weiteren Vokabeltest erhalten, und man gab ihnen eine Liste mit Wörtern und Definitionen, die sie so lange studieren konnten, wie sie wollten, bevor sie den Test absolvierten. Die Zeit, die sich die Studenten vor dem Test für die Liste nahmen, wurde als Maß für die Motivation, sich zu verbessern, genommen. Jene Studierenden, die ermutigt worden waren, nach ihrem Scheitern beim ersten Test mitfühlend mit sich umzugehen, nahmen sich mehr Zeit für das Studium der Liste als diejenigen in den anderen beiden Settings. Diese Zeit stand in Relation zu dem tatsächlichen Abschneiden der Teilnehmenden beim Test. Die Ergebnisse dieser Studien weisen darauf hin, dass ein freundlicher und mitfühlender Umgang mit uns selbst, wenn wir scheitern oder Fehler machen, uns die Unterstützung gibt, die wir brauchen, um unser Bestes zu geben und auch dann nicht aufzugeben, wenn wir entmutigt sind. Sie legen auch nahe, dass Selbstmitgefühl uns angesichts des Scheiterns die Art von »Mumm« und Resilienz geben kann, die von Forschern zunehmend als Schlüssel zum Lebenserfolg betrachtet wird (Duckworth, 2016).

      Untersuchungen weisen darauf hin, dass Selbstmitgefühl auch im Zusammenhang mit Sport motivationssteigernd wirkt. Es wurde ­festgestellt, dass selbstmitfühlende Menschen mehr von innen heraus motiviert sind, Sport zu treiben, und dass ihre Trainingsziele mehr auf ihre Gesundheit ausgerichtet sind als auf egoorientierte Bestrebungen wie beispielsweise, besser als andere zu sein (Magnus, Kowalski und McHugh, 2010; Mosewich, Kowalski, Sabiston, Sedgwick und Tracy, 2011). Weitere Untersuchungen belegen, dass selbstmitfühlende Sportler konstruktivere (zum Beispiel positiv, ausdauernd und verantwortungsvoll) und weniger maladaptive Reaktionen (zum Beispiel grüblerisch, passiv, selbstkritisch) auf emotional problematische Sportereignisse zeigen (Ferguson, Kowalski, Mack und Sabiston, 2015). Darüber hinaus stellten Mosewich und Kollegen (Mosewich, Crocker, Kowalski und DeLongis, 2013) fest, dass bereits eine Woche Selbstmitgefühlstraining den Sportlern half, auf sportliche Rückschläge konstruktiver zu reagieren (weniger Selbstkritik, Grübelei und Besorgtheit über Fehler).

      Obwohl einige vielleicht die Befürchtung hegen, Selbstmitgefühl bedeute, sich aus der Verantwortung zu stehlen, legen Forschungsergebnisse nahe, dass Selbstmitgefühl auch die Motivation erhöht, persönliche Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen. Bei einer Studie wurden die Teilnehmenden beispielsweise gebeten, sich an eine kurz zurückliegende Handlung zu erinnern, für die sie sich schuldig fühlten (zum Beispiel Betrug bei einer Prüfung, Lügen gegenüber einem Beziehungspartner oder eine verletzende Aussage), die ihnen, wenn sie daran dachten, immer noch ein schlechtes Gefühl gab (Breines und Chen, 2012). Die Forscher fanden heraus, dass Teilnehmende, denen man half, selbstmitfühlend mit ihren kürzlichen Verfehlungen umzugehen, motivierter waren, sich zu entschuldigen und solches Verhalten in Zukunft zu vermeiden, als die Mitglieder zweier Kontrollgruppen. Eine ähnliche Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Selbstmitgefühl von Studenten und der Akzeptanz ihrer moralischen Verfehlungen in zwei Kulturen: China und den Vereinigten Staaten (Wang, Chen, Poon, Teng und Jin, 2017). Die Ergebnisse zeigten, dass in beiden Kulturkreisen ein höheres Maß an Selbstmitgefühl mit einer verringerten Tendenz einherging, Handlungen wie Diebstahl oder Plagiierung zu akzeptieren oder sich beim Lösen einer Gemeinschaftsaufgabe egoistisch zu verhalten. Obwohl also Selbstmitgefühl die Selbstakzeptanz erhöht, führt es nicht dazu, schlechtes Verhalten zu akzeptieren.

      Nur bei einer Studienreihe fand man eine Ausnahme von diesem Muster (Baker und McNulty, 2011). Die Forscher wollten die Zusammenhänge untersuchen zwischen Geschlecht, Pflichtbewusstsein, Selbstmitgefühl und der Tendenz, zwischenmenschliche Fehler in Liebesbeziehungen wiedergutzumachen (zum Beispiel um Lösungen für Probleme zu finden). Während pflichtbewusste Männer, die Selbstmitgefühl hatten, eher dazu neigten, Fehler zu bereinigen, war diese Tendenz bei wenig pflichtbewussten Männern, die selbstmitfühlend waren, weniger wahrscheinlich. Das lässt darauf schließen, dass diese Männer Selbstmitgefühl als Vorwand benutzten, nicht das Richtige zu tun. Bemerkenswert ist, dass selbstmitfühlende Menschen in der Regel gewissenhafter sind. Angesichts der Tatsache, dass dies ein Einzelbefund bei einer ungewöhnlichen Untergruppe von Individuen ist (Männer mit hohem Selbstmitgefühl und wenig Pflichtbewusstsein), sollte man vorsichtig mit der Verallgemeinerung dieser Ergebnisse sein. Dennoch sind sie eine nützliche Erinnerung daran, dass alles missbraucht werden kann, wenn die eigenen Absichten unlauter sind.

      Selbstmitgefühl und Gesundheit

      Die allgemein verbreitete Befürchtung, Selbstmitgefühl könne zu Zügellosigkeit und dazu führen, sich gehen zu lassen, wird durch Forschungsergebnisse widerlegt, die zeigen, dass Selbstmitgefühl gesunde Verhaltensweisen fördert (Biber und Ellis, 2017; Homan und Sirois, 2017). So legt die ­Forschung beispielsweise nahe, dass Selbstmitgefühl ein wichtiger Aspekt des gesunden Alterns ist (Allen und Leary, 2014; Brown, Huffman und Byrant, 2018) und dass ältere Menschen, die selbstmitfühlend sind, sich, wenn nötig, eher medizinisch behandeln lassen (Terry und Leary, 2011) oder medizinische Hilfsmittel wie Rollatoren benutzen (Allen, Goldwasser und Leary, 2012). In einer drei Untersuchungen umfassenden Studienreihe fanden die Forscher heraus, dass selbstmitfühlende Menschen motivierter waren, gesund zu bleiben und bei Gesundheitsproblemen medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, als diejenigen, denen es an Selbstmitgefühl mangelte (Terry, Leary, Metha und Henderson, 2013). Außerdem stellten sie fest, dass bewusste Freundlichkeit gegenüber sich selbst und wohlwollende Selbstgespräche auf die Verbindung zwischen Selbstmitgefühl und proaktivem Gesundheitsverhalten hinwiesen. Selbstmitgefühl ist mit einem stärkeren Gefühl der Selbstwirksamkeit in Gesundheitsfragen verbunden (zum Beispiel der Zuversicht, Maßnahmen durchführen zu können, die für die Erhaltung der eigenen Gesundheit wichtig sind) sowie konkreten gesunden Verhaltensweisen wie dem Verzehr ausgewogener Mahlzeiten, regelmäßiger physischer Aktivität und ausreichendem Schlaf (Sirois und Hirsch, 2019; Sirois, Kitner und Hirsch, 2015). Selbstmitgefühl geht auch mit einer höheren Bereitschaft einher, sich bei Krankheiten wie Zöliakie an die notwendige Diät zu halten (Dowd und Jung, 2017), und einer größeren Selbstfürsorge bei Diabetespatienten (Ferrari, Dal Cin und Steele, 2017). In der Tat ergab eine große multinationale Studie an Patienten mit HIV/Aids, dass Menschen mit mehr Selbstmitgefühl seltener riskante Verhaltensweisen an den Tag legten (wie beispielsweise ungeschützten Sex praktizieren; Rose et al., 2014).

      Selbstmitgefühl scheint Menschen auch zu helfen,


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