Schöne Pferde durch Training. Lisa Kittler
Verfeinerte Positionierung der Hinterhand – Kruppeherein
Königsdisziplin Freiarbeit – Freiheit auf Ehrenwort
WARUM GERADE
DIESES THEMA?
Das Beispiel der Prinzessin
Dieses Buch würde es nicht geben, wenn ich nicht einer ganz bestimmten vierbeinigen Persönlichkeit begegnet wäre. Mein Lebensweg wäre wohl ein deutlich anderer als der, den ich seitdem beschreite.
Vor neun Jahren lernte ich mitten in meinem Lehramtsstudium durch puren Zufall die Anglo-Araber-Stute „Salt and Pepper“ kennen – bald nur noch „die Prinzessin“ genannt. Sie war zu diesem Zeitpunkt sowohl psychisch als auch physisch in einem schlechten Zustand.
Trotzdem muss es etwas gegeben haben, was mich an diese verschlossene Stute band, sodass ich sie nach einigen Jahren als Reitbeteiligung schließlich kaufte. An Reiten war in ihrem Zustand nicht zu denken, sodass ich mich nach 13 Jahren klassischer Reitausbildung auf verschiedenen Pferden völlig neu orientieren musste. Die Prinzessin veranlasste mich, meinen bisherigen Weg zu überdenken und meinen Horizont drastisch zu erweitern.
Um den muskulären Zustand der Stute zu verbessern, beschäftigte ich mich zuerst umfassend theoretisch mit dem Thema Bodenarbeit als Vorbereitung und eigenständige Ergänzung zum Reiten. Da aber weder ich noch die Prinzessin in diesem Bereich über praktisches Vorwissen und Können verfügten sowie keine Trainer in unserer Anfangszeit zu finden waren, lernte ich, mich sehr stark in sie einzufühlen, immer auf ihre Reaktionen und Stimmungen zu achten sowie mich selbst und mein Handeln ganz genau zu reflektieren. Nur so konnten wir beide zusammen lernen und Fortschritte erzielen. Vielleicht war das unser großes Glück, denn so bezog ich sehr schnell neben der körperlichen vor allem die psychische Entwicklung in unseren Trainingsprozess mit ein.
Innerhalb recht kurzer Zeit öffnete sich die Prinzessin, wurde engagierter und vertrauensvoller. Ihre – oder besser unsere – seelische Entwicklung, unser Zusammenfinden, ließ das physische Training noch einmal viel wertvoller und effektiver werden. Innerhalb der nächsten Jahre hatte sich die Prinzessin körperlich und seelisch völlig verändert.
Diese Veränderung von einem sprichwörtlich „hässlichen Entlein zum schönen Schwan“ nahmen außenstehende Personen wahr und äußerten ihre Bewunderung. Die Wandlung hin zu einem schönen Pferd wurde und wird jedoch häufig als eine überraschende und einmalige Entwicklung eines einzelnen Pferdes angesehen. Meiner Meinung nach haftet dieser Wandlung aber nichts Wundersames an, denn jedes Pferd hat das Potenzial, ein „schöner Schwan“ zu werden! So, wie ich es vor acht Jahren bei meiner Anglo-Araber-Stute unbewusst spürte, muss der Besitzer des „hässlichen Entleins“ das Potenzial nur wahrnehmen und eine Entwicklung für möglich halten. Mithilfe eines ganzheitlichen Trainings ist eine Veränderung dann für jeden im Rahmen seiner Möglichkeiten und denen des Pferdes realisierbar. Neben der körperlichen Förderung des Pferdes spielt dabei vor allem die psychische Entwicklung eine große Rolle: Ein Schwan sieht schließlich nur schön aus, wenn er auch einen gewissen Stolz in sich trägt.
Das Buch möchte Ihnen einen roten Faden für das ganzheitliche Training hin zu einem schönen Pferd in die Hand geben. Dieser basiert vor allem auf meinen ganz persönlichen Erfahrungen mit meiner Stute, die sehr prägend für mich und meine folgende Ausbildertätigkeit im Pferdebereich waren und es heute noch sind. Meine persönlichen Ansätze werden vertieft und ergänzt durch schon bestehende Konzepte und Theorien unterschiedlichster Fachleute der Pferdewelt, mit denen ich mich anhaltend intensiv theoretisch und praktisch auseinandersetze. Diese Kombination hat sich im Lauf der Jahre in der Ausbildung von vielen verschiedenen Pferden sowie deren Besitzern als erfolgreich erwiesen. Denn trotz meiner hier formulierten Gedanken, Anregungen und Übungsvorschläge bleibt die Ausbildung des Pferdes und des dazugehörigen Menschen nach meinem roten Faden immer individuell ausgerichtet und jederzeit flexibel anpassbar.
Vorher – Verspannte oder sogar schon atrophierte Muskulatur und ein ungesundes Laufverhalten sprachen für keine gute Ausbildung. (Foto: Lisa Kittler)
Das Geschenk eines solchen Trainings sind schönere, stolzere, gesündere und leistungsfähigere Pferde und ebenso reflektiertere sowie zufriedenere Besitzer. Als Partner können Sie sich gemeinsam mit Ihrem Pferd weiterentwickeln!
Dabei wünsche ich Ihnen und Ihrem Pferd viel Freude!
Ihre
Lisa Kittler
Nachher – Nach drei Jahren intensiver Förderung von Körper und Seele hatte die Prinzessin eine komplett andere Erscheinung. (Foto: Lisa Kittler)
WAS IST SCHÖNHEIT?
Schönheit – ein ästhetisches Empfinden
Im Pferdesportbereich begegnen dem Pferdebesitzer viele konkrete Kategorien und klar definierte Begrifflichkeiten, mit denen die Qualität eines Pferdes und dessen Training beurteilt und bewertet werden können. Viele sprechen beispielsweise vom Takt und der Hinterhandaktivität der Pferde, urteilen, dass die Vierbeiner auf M-Niveau in der Dressur oder im Springsport starten können.
Von diesen vorgegebenen Bewertungskriterien möchte ich mich in diesem Buch entfernen. Zwar sind sie fast allen Pferdebesitzern bekannt und werden häufig von ihnen selbst verwendet, doch meist geschieht dies nur floskelhaft. Die wenigsten wissen oder erkennen, wie zum Beispiel eine korrekte Hinterhandaktivität aussieht oder eine Piaffe gymnastisch wertvoll gearbeitet wird, und können es deswegen nicht richtig beurteilen. Das ist nicht verwerflich, denn schließlich betreiben die meisten Reiter ihren Sport als Hobby und nicht als Wissenschaft oder Profession. Sie müssen sich im Lauf der Zeit erst einmal das Wissen aneignen und die Fähigkeiten erwerben, ein Pferd und/oder dessen Training fachlich beurteilen und bewerten zu können.
Eine federleichte Verbindung und kraftvolle Bewegungen des Pferdes lassen einen schönen Eindruck vom gemeinsamen Training entstehen. (Foto: privat)
Mag der Hals noch gut gerundet sein, so entsteht doch kein schöner Eindruck. Zwang und Druck ersticken Schönheit schon im Keim. (Foto: Lisa Kittler)
Aus diesem Grund möchte ich in diesem Buch ein Kriterium zur Beurteilung