Schöne Pferde durch Training. Lisa Kittler

Schöne Pferde durch Training - Lisa Kittler


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Wahl hat mehrere Gründe. Jeder Mensch besitzt ein angeborenes ästhetisches Empfinden und kann deswegen nicht nur in der Malerei, Mode und Architektur Schönheit wahrnehmen, sondern auch bei Lebewesen und sogar bei ihrem Zusammenspiel miteinander. Die Beurteilung, ob ein Pferd oder dessen Training schön ist, erfordert vom Beurteilenden demnach keinerlei Vorkenntnisse und ist somit von jedermann durchführbar.

      Das Erkennen von Schönheit ist dabei kein individueller Eindruck eines Betrachters, sondern besitzt eine relative Allgemeingültigkeit, die sich im Lauf der Evolution entwickelt hat. Es gibt einen unbewussten Konsens in der Gesellschaft, was als schön wahrgenommen wird. So ist es nicht verwunderlich, wenn ein Kind ohne Vorwissen ein durch den gesamten Körper schwingendes und frei ausschreitendes Pferd ebenso als schön empfindet wie ein routinierter Trainer.

      Als schön wird in der Regel etwas bezeichnet, was einen besonders angenehmen Eindruck hinterlässt. Dieser Eindruck des Betrachters lässt sich nicht erzwingen, er ist entweder da oder nicht. Auch die Schönheit entsteht nur aus sich selbst heraus und lässt sich nicht forcieren. Dies ist vor allem im Pferdesportbereich ein Vorteil. Denn dort werden allzu oft mit Zwang und Druck bestimmte äußerliche Kriterien scheinbar erfüllt, lassen die seelische Komponente der Ausbildung aber vollkommen außen vor.

      Um die Schönheit des Pferdes zu entwickeln, sind andere Voraussetzungen zu schaffen und andere Wege zu gehen, fernab der konventionellen Ausbildungspraktiken.

      In diesem Buch wird das Kriterium „Schönheit“ zur Beurteilung von Pferden verwendet. Doch was ist eigentlich ein „schönes Pferd“? Fragt man verschiedene Leute, bekommt man darauf unterschiedliche Antworten. Persönliche Vorlieben oder kulturelle Prägung führen dazu, dass einige im Gegensatz zu anderen bestimmte Einzelmerkmale bei Pferden bevorzugen und andere wiederum eher ablehnen.

      Doch jeder kennt sicherlich diesen Moment, in dem ein Pferd im Fernsehen, in einer Show oder auf einer Fotografie zu sehen ist und alle Betrachter sich unabhängig von ihren Vorlieben oder Prägungen einig sind: Dieses Pferd ist schön! Ihr angeborenes ästhetisches Empfinden lässt in der Regel alle Menschen Pferde bevorzugen, deren Körper In bestimmten Proportionen ausgeformt sind und ganz bestimmte Symmetrien aufweisen. Das Gesamtbild jeder Rasse muss harmonisch sein, um von allen als schön empfunden zu werden.

      Außerdem haben schöne Pferde immer einen ganz besonderen Ausdruck. Sie erscheinen stolz, selbstbewusst, freudig und vor allem gesund. Dies beeinflusst maßgeblich ihre Bewegungen und dadurch wiederum ihr äußeres Erscheinungsbild. Ein schönes Pferd ist also immer eine Einheit aus Körper und Seele.

      Unser angeborenes ästhetisches Empfinden kann aber leider auch überlagert werden. Umso öfter wir bestimmte Abbildungen oder Präsentationen sehen, umso normaler und zum Teil sogar erstrebenswerter wird dieses Schönheitsideal für uns. Dem Pferdebesitzer wird heutzutage aufgrund verschobener Leitbilder im heimischen Stall, beim Training sowie auf Kursen oder in den Medien zumeist ein sehr fragwürdiges Schönheitsideal von einem Pferd vermittelt. So bezeichnen beispielsweise einige Personen gestresste Pferde, die in Rollkur gearbeitet werden oder spektakuläre Spanntritte zeigen, als schön, und manche Vertreter des Westernsports finden die zuchtbedingt an der Hinterhand vollkommen mit Muskeln überladenen sowie überbauten Quarterhorses ästhetisch.

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      Der kugelrunde Bauch sowie der Fettkamm am Hals lassen dieses deutlich übergewichtige Pferd nicht schön aussehen. (Foto: Lisa Kittler)

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      Dieses Pferd sieht nicht schön aus. Das struppige Fell, die fehlenden Muskeln und sichtbaren Rippen sprechen für einen schlechten Gesundheitszustand. (Foto: Lisa Kittler)

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      Mit einer Vielzahl von eingezeichneten Linien können Sie überprüfen, ob Ihr Pferd ein harmonisches Gebäude hat. (Foto: Lisa Kittler)

      Auch Fell und Langhaar des Pferdes fallen beim Betrachten des äußeren Erscheinungsbildes sofort ins Auge und tragen entscheidend dazu bei, ob wir das Pferd als schön empfinden oder eher nicht. Glänzend und voll sollen Mähne, Schweif und Fell sein. Struppiges und löchriges Fell oder dünne, stumpfe Mähnen sowie Schweife lassen das Pferd krank aussehen und sind wenig attraktiv.

      Das Gebäude der Pferde kann im Hinblick auf seine Wirkung auf den Betrachter wissenschaftlich untersucht werden. Auf einem Bild eingezeichnete Linien geben Aufschluss über die Harmonie des Körperbaus. Als schön wird dabei ein Pferd wahrgenommen, dessen Gebäude stimmige Proportionen und klare Symmetrien aufweist. Einige allgemeingültige Anhaltspunkte möchte ich anhand des (auf Seite 15) abgebildeten Pferdes erläutern. Es ist nur eine auf dieses Tier beispielhaft zugeschnittene Auswahl an Kriterien. Sicherlich lassen sich noch viele weitere finden, was aber den Rahmen dieses Buches sprengen würde.

      Zu sehen ist ein Warmblüter mit vielen Volloder Halbblütern in der Ahnenreihe vor dem Beginn seiner Ausbildung. Die Stute steht im Quadrattyp, die Tendenz ist aber durch den ausreichend langen Rücken nicht zu stark ausgeprägt, weswegen das Format ansprechend wirkt. Die Proportionen zwischen den einzelnen Körperpartien des Pferdes sind ebenfalls harmonisch. Der schön geschwungene Hals findet wie gewünscht im Genick seinen höchsten Punkt. Dieser und der ausdrucksstarke Kopf haben eine passende Größe im Verhältnis zum Restkörper. Die Beine sind ausreichend lang und haben kräftige Gelenke sowie klare Sehnen. Dies alles sind Punkte, die unserem Verständnis von Schönheit entsprechen. Einige Punkte verdeutlichen aber, dass das Exterieur nicht optimal ist. Die Proportionen und Symmetrien zwischen Vor- und Hinterhand sind nicht besonders günstig. Die Vorhand wirkt aufgrund der relativ steilen Schulter gedrungener als die Hinterhandpartie, die deutlich flacher und harmonischer geformt ist. Die steile Schulter in Kombination mit dem etwas tiefer angesetzten Hals bewirkt eine verstärkte Vorhandlastigkeit des Pferdes, die durch die rückständigen Vorderbeine noch klarer zu erkennen ist. Die Rückenlinie beginnt mit einer guten Widerristpartie, endet aber leider in einer aufgewölbten Lende, die nicht gewünscht ist.

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      Die Stute knapp drei Monate später: Die Muskulatur wurde gut aufgebaut und lässt das Pferd nun deutlich harmonischer erscheinen. Die Rückständigkeit ist weniger geworden, die Aufwölbung im Lendenbereich


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