Schöne Pferde durch Training. Lisa Kittler

Schöne Pferde durch Training - Lisa Kittler


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Stute begegnen Ihnen bestimmt oft. Sie wirken ansprechend, aber aufgrund ihres nicht optimalen Gebäudes nicht unbedingt sehr schön. Doch das können sie noch werden! Zwar ist das Exterieur von Geburt an vorgegeben und kann nicht wirklich verändert werden, aber eine ganzheitliche Ausbildung gleicht viele Mängel aus. Indem die veränderbaren Strukturen des Pferdes (wie die Muskulatur und über einen langen Zeitraum auch die Sehnen und Bänder) durch Training gut ausgebildet und/oder positiv verändert werden, können Exterieurmängel „kaschiert“ werden.

      Stellen Sie sich zum Beispiel vor, die Fuchsstute hätte eine weniger verkrampfte Lendenmuskulatur und würde somit diesen Bereich nicht so stark stauchen. Die Erhebung der Rückenlinie wäre gar nicht mehr so deutlich zu sehen. Würde die Hinterhand- und Rumpfmuskulatur etwas besser aufgebaut, wäre die Rückständigkeit der Vorderbeine wahrscheinlich kaum noch vorhanden, weil sie die Vorhand tragen helfen würden. Die Stute würde – trotz des immer noch nicht optimalen Gebäudes – durch die muskuläre Entwicklung insgesamt viel harmonischer aussehen und damit schöner wirken. Kann der Betrachter ein Pferd live sehen, bezieht er ebenfalls die Bewegungsqualität in seine Beurteilung der Schönheit mit ein. Die Bewegungen eines Pferdes sind zwar abhängig vom angeborenen Gebäude, lassen sich aber durch ein sinnvolles Training formen und deutlich verbessern.

      Bei der Beurteilung sind ebenfalls bestimmte Symmetrien und Proportionen entscheidend. Vorgriff und Rückschub der Vorder- und Hinterbeine sollten möglichst gleichmäßig sein. Auch die Auf-und-ab-Bewegung des Rückens oder die Pendelbewegung des Halses und Schweifes wünscht sich der Betrachter nahezu ausgeglichen. Der Takt in allen drei Gangarten muss absolut gleichmäßig sein und vieles mehr. Insgesamt sollte sich das Pferd also losgelassen, fließend, leicht und harmonisch bewegen, um vom Betrachter als schön wahrgenommen zu werden.

      Das angeborene Gebäude des Pferdes ist die Grundkomponente bei der Beurteilung seiner Schönheit. Doch können durch eine ganzheitliche Ausbildung der Fütterungszustand, die Muskulatur und die Bewegungsqualität verbessert werden, sodass das Pferd deutlich schöner erscheint. Jedes Pferd hat demnach Entwicklungspotenzial!

      Unter dem Begriff „Interieur“ werden alle Charaktereigenschaften sowie Verhaltensmerkmale (wie zum Beispiel Aufmerksamkeit, Nervosität oder Ausgeglichenheit) eines Pferdes zusammengefasst – also das innere Erscheinungsbild wird beschrieben. Wie beim Exterieur gibt es genetisch vererbte Dispositionen, die durch das Training nicht veränderbar sind. Deswegen sollte bei der Zucht nicht nur darauf Wert gelegt werden, möglichst optimale körperliche Merkmale, sondern auch positive psychische Eigenschaften zu vererben.

      Glücklicherweise kann aber auch das Interieur des Pferdes durch Umwelteinflüsse und Erfahrungen geformt werden. Eine prägende Rolle haben dabei das Lebensumfeld des Pferdes und natürlich die Menschen, mit denen es regelmäßigen Kontakt hat. Die positive Entwicklung der Pferdepersönlichkeit mithilfe einer ganzheitlichen Ausbildung hat direkte Auswirkungen auf die körperliche Erscheinung. Denn das seelische Befinden eines jeden Lebewesens beeinflusst immer auch sein gesamtes Dasein und somit ebenfalls seinen Körper.

      Es ist der Geist, der

      sich den Körper baut.

      (Friedrich Schiller)

      Sind Pferde zufrieden und stolz, strahlen sie dies beispielsweise durch einen offenen, interessierten Blick und federnde Bewegungen nach außen hin aus. Sie wirken gesund, leistungsfähig und leistungsbereit. Ihr Gesamteindruck von Körper und Geist fesselt alle Betrachter in seiner Schönheit.

      Außerdem beeinflusst die psychische Konstitution viele körpereigene Prozesse positiv. Ist das Pferd glücklich, schüttet es zum Beispiel spezielle Hormone aus, die das Fell zum Glänzen und die Muskulatur zum Wachsen bringen. Ist ein Lebewesen also seelisch mit sich und anderen im Einklang, wird seine äußere Erscheinung schöner.

      Andersherum spiegeln sich Trauer und Demotivation ebenso in der „äußeren Hülle“. Schon nach einem einzigen Blick auf ein Tier, das über einen längeren Zeitraum unglücklich ist, stufen wir dieses als eher wenig ansprechend bis sogar hässlich ein. Das Fell ist häufig zottelig, die Augen trübe, die Muskulatur eingefallen, die Bewegungen schleppend und vieles mehr. Das Tier scheint sich körperlich nicht zu entwickeln, obwohl es nicht zwingend schlecht gehalten oder gepflegt sein muss. Seine Unzufriedenheit allein reicht aus, um die körperliche Ausbildung zu hemmen.

      Ein Pferd kann somit nur schön werden oder schön sein, wenn die beiden Komponenten Körper und Seele zusammen gefördert werden. Hat ein Pferd schlechte Vorerfahrungen gemacht, macht häufig erst die Verbesserung des seelischen Befindens die physische Ausbildung möglich. Schulen Sie dann den Körper des Pferdes, lernt es, sich ausbalancierter und koordinierter zu bewegen. Das beeinflusst wiederum ebenso die positive Entwicklung seiner Seele. Denn wer seinen Körper besser nutzen kann, wird meist auch selbstbewusster, stolzer und freudiger. Einem stolzen Schwan steht so nichts mehr entgegen!

      Leider kann sich diese Spirale auch abwärtsdrehen – vor allem dann, wenn Druck und Zwang in der Ausbildung des Pferdes eingesetzt werden. Anfangs entwickelt sich der Körper vielleicht noch in eine positive Richtung. Die Muskulatur wächst, ist aber meist verspannt und vielleicht schon schmerzhaft oder sogar an den falschen Stellen zu finden. Die Bewegungen mögen noch spektakulär sein, wirken aber bei genauerem Hinsehen hölzern und mechanisch, denn es fehlt ihnen die Leichtigkeit und Eleganz. Der schöne und freudige Ausdruck dieser Pferde ist längst verloren gegangen. Die Augen als Spiegel ihrer Seele künden den bald folgenden körperlichen Verfall schon viel früher an. Falten haben sich um sie herum gebildet, dreieckig sind sie geworden und es ist kein Glanz mehr in ihnen zu finden. Wie Roboter drehen diese Pferde ihre Runden, um in naher Zukunft aussortiert zu werden, da nun auch ihre Körper nicht mehr funktionieren.

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      Die Augen als Spiegel der Seele: Die angespannte Dreiecksform und die deutlichen Falten zeugen von Stress und Demotivation. (Fotos: privat)

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      Im Gegensatz dazu sprühen die Augen dieses Pferdes nur so vor Selbstbewusstsein.

      Lassen Sie sich also nicht von den jeweiligen Modeerscheinungen leiten, sondern verlassen Sie sich lieber auf Ihr unbewusstes fühlendes Schauen, um die wirkliche Schönheit der Pferde zu erkennen und sie ganzheitlich zu fördern.

      Ein schönes Pferd lässt sich nicht allein durch ein rein körperliches Training „erarbeiten“. Wichtig ist ebenso sein seelischer Zustand. Dieser ist stark abhängig von seinem Lebensumfeld, denn dort verbringt es die meiste Zeit des Tages und erfährt somit die stärkste Prägung seiner seelischen Grundkonstitution. Sie hingegen haben im Training nur über einen kurzen Zeitraum Einfluss auf die Psyche des Pferdes. Und selbst wenn Sie sich in dieser Zeit die größte Mühe geben und den pferdefreundlichsten Umgang pflegen, werden Sie kaum Fortschritte erzielen, wenn die Lebensumstände nicht pferdegerecht sind. Deswegen ist es mir immer ein sehr großes Anliegen, diese den natürlichen Ansprüchen und Gegebenheiten des Pferdes so gut wie möglich anzupassen.

      Natürlich können Sie dem Pferd in unserem Lebensumfeld keine Bedingungen bieten, die seiner ursprünglichen Umgebung entsprechen. Zudem haben wir es wegen der verschiedenen Rassen, die es in jedem Stall gibt, mit unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen der Pferde zu tun. Deswegen können meine Vorschläge keine Allgemeingültigkeit haben, sondern sind nur als Anregungen zu verstehen.

      Das Pferd ist ein Herdentier, das ursprünglich, allen Witterungsverhältnissen ausgesetzt, in langsamen Bewegungen den ganzen Tag grasend über weite Flächen hinwegzog. Dabei suchte es fast dauerhaft nährstoffarme Gräser zum Fressen und machte zwischendurch Pausen, um zu ruhen, Fellpflege zu betreiben oder zu spielen. Körper und Psyche des Pferdes haben sich


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