Seelenfreunde. Katrin Ehrlich

Seelenfreunde - Katrin Ehrlich


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Pferde können wie wir unter Depressionen, Ängsten, Unwohlsein, Bewegungsmangel, Über- oder Unterforderung leiden. Der Weg zur Mitarbeit ist so einfach wie anspruchsvoll: Freude, Lob, artgerechte Haltung und ein vernünftiger Umgang mit diesem sensiblen Lebewesen.

      Zusammenhänge mit unserer Lebensart, wie wir mit unseren Kindern und uns selbst umgehen, werden hier klar. Kinder werden schon in sehr frühen Jahren fremd, außerhalb der Familie, betreut. Eltern verlieren durch den gesellschaftlichen Druck und durch Mangel an Zeit ihr ureigenes Gefühl für das, was notwendig ist – das Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Stattdessen werden Experten zurate gezogen, diverse Therapeuten, Psychologen und Ärzte zur Kindererziehung befragt. Neueste Krankheiten wie ADHS werden er- oder gefunden und schlimmstenfalls noch medikamentös behandelt.

      Egal, ob wir auf uns, unsere Kindern oder unsere Pferde schauen, wir sind am Limit und brauchen Hilfe. Doch wie können wir uns aus den Zwängen, die wir uns teils selbst-, teils fremdbestimmt geschaffen haben, befreien? Denn die Zeit ist reif für den Umkehrschwung in die Richtung, die uns und unseren Pferden guttut.

      Wenn in den Augen des Besitzers keine bessere Lösung in Sicht ist, wird das Pferd abgegeben, gegen ein neues ausgetauscht oder es wird sogar ganz aus dem Verkehr gezogen. Viele landen beim Schlachter oder werden eingeschläfert. Andere wiederum gehen von Hand zu Hand, müssen zahlreiche Besitzerwechsel auf sich nehmen, das Pferd mehr als jedes andere Tier. Schnell werden diese stolzen Tiere zum Ballast, den man nicht vor der Tierheimtür entsorgen kann.

      Unsere Seele, unser wahres Sein finden wir nur in Ruhe, in den Pausen, im Innehalten. Dann erst können wir unsere Intuition wahrnehmen und lernen, ihr zu vertrauen.

      Ein berühmtes Dressurpferd ist das jüngste Beispiel dafür, dass gute Leistung nur dann stattfinden kann, wenn auch das Umfeld stimmt. Als Spitzensportler ließ er die Menschen voller Bewunderung staunen. Dann wurde er verkauft. Durch den Reiterwechsel und unter dem großen Druck, unter dem er und sein junger Reiter sich kennenlernten, funktionierte er plötzlich nicht mehr. Der Hengst fühlte sich nicht wohl und zeigte das deutlich; er rebellierte, konnte mit seinem Reiter keine Harmonie finden. Es fehlte an der nötigen Zeit und Ruhe, dass sich Pferd und Reiter richtig aufeinander einstellen konnten.

      Dabei zeigt der Hengst uns, wie so viele andere Pferde auch, dass zu starkes Festhalten an den von Menschen aufgestellten Plänen und Aufgaben einen Rückschritt auslösen kann. Flexibilität und Ruhe sind oft der einzige Weg zu einer gelungenen Partnerschaft. Gutes Reiten ist ein Zusammenkommen zweier Seelen. Um uns richtig auszutauschen, benötigen wir Verbundenheit – von Pferd und Mensch wie von Mensch und Mensch. Und nur darum geht es im Leben.

      Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, umgeben von Leistungsdruck. Scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten und exponentiell wachsendes Wissen bringen uns täglich an unsere Grenzen. Wir verlernen dabei das Gefühl für richtig und falsch; es fehlt Zeit zum Zuhören, wie es uns, unserem Umfeld und unserem Pferd am besten geht. In einem guten Leben steckt viel mehr, als Lektionen und Aufgaben auswendig zu lernen und diese perfekt zu beherrschen; es geht darum, Zeit und Ruhe für ein gutes Miteinander zu finden, damit wir uns besser verstehen. Nur so wird sich der ersehnte Erfolg von ganz allein einstellen.

      Jeder Reiter kennt eine solche Situation nur zu gut: Der junge Fuchswallach Watson scheut, er möchte unter keinen Umständen in diese gruselige Ecke der Reithalle laufen. Es riecht dort nach Monstern. Watson macht einen großen Bogen und scheut erneut. Doch der Mensch auf seinem Rücken kapiert es wieder nicht. Paul, sein Reiter, bekommt indes wertvolle Tipps vom Reitlehrer und von anwesenden Reitern. Allesamt kennen sie strenge Erziehungsmaßnahmen, die so gelehrt wurden. Nun wird alles ausprobiert, etliche Male. „Setz dich durch!“ – „Nimm die Gerte!“ – „Du bist der Chef!“ Doch es hilft nichts. Watson widersetzt sich immer heftiger. Er läuft rückwärts, steigt. Beim letzten Versuch macht er einen großen Satz zur Seite und Paul liegt im Sand. Schuld ist der verrückte Gaul. Mit welchem Gefühl das Paar nun den Reitplatz verlässt und wie sie sich zum nächsten Reiten wiederbegegnen, können wir nur erahnen.

      So kämpfen wir gegen das Pferd, das aus seinen eigenen, für uns unerfindlichen Gründen, meistens aus Angst, verweigert. Zwingen wir jedoch das Pferd mit Gewalt, durch die verhasste Ecke zu laufen, wird dieser Platz, und vielleicht auch die Beziehung Pferd und Reiter, mit etwas Negativem behaftet bleiben und uns vermutlich immer wieder Schwierigkeiten bereiten.

      Die meisten Reiter haben es so oder so ähnlich erlebt: Zu viel Druck, und das Pferd läuft rückwärts. Der Reiter schickt es mit Gerte und Sporen vorwärts. Das Pferd steigt, wehrt sich gegen den Zwang. Es hat Angst vor dem Reiter und vor dem imaginären Grund, warum es scheut. Alles ist durcheinander.

      Doch zum Glück haben wir die Freiheit, einen anderen Weg zu finden, der uns die Situation erleichtert. Die neue leichte Form wäre, den Druck herauszunehmen: Wenn Watson nicht in diese schlimme Ecke mag, dann geht das aus seiner Sicht nicht. Paul sollte das für den Moment akzeptieren. Er ist der Reiter und möchte seinem Pferd etwas vermitteln: dass es sich nicht fürchten muss, dass es ihm als Reiter vertrauen kann.

      Nachdem Watson in der Ecke scheute, reitet Paul gleich auf die gegenüberliegende Seite der Reithalle. Er lobt ihn für Übungen, die Watson ohnehin gut beherrscht, und gibt ihm somit Sicherheit. Wenn die beiden sich dann wieder miteinander wohlfühlen und Watson im Vertrauen freudig mitarbeitet, erst dann reiten die beiden vertrauensvoll langsam in die Nähe der „bösen“ Ecke und biegen rechtzeitig vorher ab. Paul führt ihn, ohne Watsons Grenzen zu übertreten.

      Schließlich lässt er ihn leichte Übungen in der Nähe der Gruselecke wiederholen. Eine Volte auf dem Zirkelpunkt, dann wieder ganze Bahn. Bis Sicherheit zu spüren ist. Paul ist jetzt der gute „Leader“, er gibt Halt, gibt eine gangbare Richtung vor und sucht die Zusammenarbeit, keinen Streit. Er lobt Watson deutlich, mit klaren Worten, streichelt seinen Hals, dafür, dass Watson so brav mitarbeitet. Der ganze Stress ist plötzlich verflogen. Der Wallach ist damit beschäftigt, alles erwartungsgemäß zu machen, als sie wieder in die Nähe der Ecke kommen. Doch mit ein bisschen Stimme und Lob läuft er mit einem schrägen Blick durch, und alles ist gut.

      Ein toller Erfolg. Paul schaffte das alles in nur zehn Minuten. Völlig ohne Druck. Watson vertraut ihm nun, und es wird in Zukunft viel weniger solcher Momente geben. Denn Paul führt sein Pferd so, dass es sich immer sicher fühlen kann. Und das ist für Pferde nun mal das Wichtigste – und für uns eigentlich doch auch.

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      (Foto: Christiane Slawik)

      Geben wir souverän eine Lösung vor, mit der sich alle wohlfühlen, werden wir in Zukunft gern gefragt werden.

      Es stellt sich auch die Frage, ob eine durchgerittene Ecke es wert ist, sich zu streiten, sich an Plänen festzubeißen? Erziehung und Kommunikation bedeuten umzudenken, wenn es nötig ist.

      image Unsere Aufgabe ist es, zwischen den unendlich vielen Möglichkeiten den richtigen Weg zu finden. Oft scheint er tief in uns verborgen.

      image Ihn zu finden ist die erste Aufgabe.

      image Ihm zu folgen und nicht umzukehren, die nächste.

      image Wie er zu finden ist?

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