Physikalische Chemie. Peter W. Atkins
Die Diskussion realer Gase ist ein weiteres Beispiel dafür, dass einfache Modellvorstellungen bald an ihre Grenzen stoßen können, jedoch durch Berücksichtigung weiterer Aspekte und Verfeinerung der Theorie den Beobachtungen in der realen Welt angepasst werden können.
1.3.1 Abweichungen vom idealen Verhalten; 1.3.2 Die Van-der-Waals-Gleichung
Anwendungen
Das ideale Gasgesetz und die kinetische Gastheorie finden Anwendung bei der Betrachtung der Vorgänge in einem einzelnen Reaktionsgefäß, oder sogar auf einem ganzen Planeten. Im Exkurs „Anwendung 1: Umweltwissenschaft – Die Bedeutung der Gasgesetze für das Wetter“ am Ende von Abschn. 1.1 werden wir sehen, wie die Gasgesetze dazu benutzt werden, um meteorologische Phänomene zu beschreiben und zu verstehen. Wie wir in „Anwendung 2: Astrophysik – Die Sonne als Ball aus idealem Gas“ am Ende von Abschn. 1.2 sehen werden, findet die kinetische Gastheorie auch Anwendung in Bereichen, die vielleicht nicht sofort erwarten würden, wie etwa bei der Diskussion der Zusammensetzung von Himmelskörpern.
1.1 Das ideale Gas
Motivation
Die Gleichungen, die das Verhalten eines idealen Gases beschreiben, bilden die Grundlage zur Ableitung vieler, komplexerer Gesetze der Physikalischen Chemie. Das ideale Gasgesetz ist darüber hinaus eine gute erste Näherung, um das Verhalten realer Gase zu beschreiben.
Schlüsselideen
Das ideale Gasgesetz, das eine Reihe empirischer Beobachtungen zusammenfasst, beschreibt die Eigenschaften eines realen Gases umso präziser, jenäher sich der Druck eines Gases null nähert.
Voraussetzungen
Zum Verständnis dieses Abschnitts benötigen Sie Kenntnis über Größen und Einheiten sowie ihre Umrechnung, wie in „Toolkit 1: Größen und Einheiten“ beschrieben. Außerdem sollten Sie mit den Konzepten des Drucks, des Volumens, der Stoffmenge und der Temperatur vertraut sein, die in „Toolkit 2: Eigenschaften von Materie“ erläutert werden.
Die Eigenschaften der Gase gehörten zu den ersten physikalischen Größen, die in Experimenten quantifiziert werden konnten. Die technologischen Anforderungen von Ballonfahrten im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert gaben diesen Untersuchungen einen entscheidenden Schub. Dadurch wurden die Grundlagen zur Entwicklung des kinetischen Gasmodells gelegt, das wir in Abschn. 1.2 vorstellen werden.
1.1.1 Die Zustände der Gase
Der physikalische Zustand eines Stoffs ist durch seine physikalischen Eigenschaften definiert: Zwei Proben einer Substanz mit gleichen physikalischen Durch Angabe der Werte für Volumen (V), Stoffmenge (n), Druck (p) und Temperatur (T) wird beispielsweise der Zustand eines reinen Gases spezifiziert.
(a) Druck
Der Ursprung der durch ein Gas ausgeübten Kraft ist das unablässige Aufprallen der Moleküle auf die Gefäßwand. Diese Stöße sind so zahlreich, dass sie praktisch eine gleich bleibende Kraft ausüben, die sich als gleichmäßiger Druck äußert. Die SI-Einheit des Drucks, das Pascal (1 Pa = 1N m-2), wird in „Toolkit 1: Größen und Einheiten“ eingeführt. Wir werden sehen, dass auch einige andere Einheiten weit verbreitet sind (Tab. 1.1). Ein Druck von 1 bar ist der Standarddruck zur Tabellierung von Daten; wir bezeichnen ihn mit p⊖.
Name | Symbol | Wert |
Pascal | Pa | 1Pa = 1Nm–2, 1kgm–1 s–2 |
Bar | bar | 1bar = 105 Pa |
Physikalische Atmosphäre | atm | 1 atm = 101, 325 k Pa |
Torr | Torr | 1 Torr = (101 325/760) Pa = 133, 32... Pa |
Millimeter Quecksilbersäule | mmHg | 1mmHg = 133, 322... Pa |
Pfund pro Quadratzoll | psi | 1 psi = 6, 894 757... k Pa |
*) Die hervorgehobenen Umrechnungsfaktoren sind exakt.
Wenn sich zwei Gase in voneinander getrennten Behältern mit einer gemeinsamen beweglichen Wand (einem „Kolben“) befinden (Abb. 1.1), wird das Gas mit dem höheren Druck das mit dem kleineren Druck komprimieren (d. h. dessen Volumen verkleinern). Der Druck in dem expandierenden Gas sinkt dabei, während der des anderen Gases durch die Komprimierung ansteigt. Irgendwann sind beide Drücke gleich und die Position der Wand ändert sich nicht mehr. Die beiden Gase befinden sich durch diese Gleichheit der Drücke im mechanischen Gleichgewicht. Der Druck eines Gases zeigt demzufolge an, ob sich eine Kammer mit diesem Gas im mechanischen Gleichgewicht mit einer durch eine bewegliche Wand abgeteilten Nachbarkammer befindet.
Abb. 1.1 Wenn ein Teilsystem mit hohem Druck von einem zweiten mit niedrigem Druck durch eine bewegliche Wand abgetrennt ist, wird die Wand in Richtung des kleineren Drucks geschoben, wie in (a) und (c). Wenn die Drücke in beiden Teilsystemen gleich sind, bewegt sich die Wand nicht (b); die Systeme befinden sich im mechanischen Gleichgewicht.
Toolkit 1: Größen und Einheiten
Das Ergebnis einer Messung ist eine physikalische Größe (zum Beispiel eine Masse oder eine Dichte), die als Vielfaches einer vereinbarten Einheit angegeben wird:
Wir konnen Einheiten wie algebraische Großen behandeln, konnen sie miteinander multiplizieren, durch sie dividieren und sie gegeneinander kurzen. Der Ausdruck (physikalische Große)/Einheit ist einfach der Zahlenwert unserer Messung, d. h. eine dimensionslose Große. Wir konnten die Masse eines Objektes mit m = 2, 5 kg oder auch mit m/kg = 2, 5 angeben. Das Kilogramm (kg) ist ein Sonderfall: Obwohl es eine Basiseinheit ist, entspricht