Menschengesichter. Ursula Kampmann

Menschengesichter - Ursula Kampmann


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Die Königin der Piraten

       41. Augsburg im Dreissigjährigen Krieg

       42. Der Herzog von Friedland

       43. Der sparsame Sonnenkönig

       44. Die Flucht nach Varennes

       Neue Köpfe für eine neue Welt

       45. Die Geburt der Freiheit

       46. «Rufst du, mein Vaterland»

       47. Das frivole Vreneli

       48. Simón Bolivar, der Freiheitsheld von Südamerika

       49. Hindenburg

       50. Ein Dichter für Italien

       Index

      Menschengesichter auf Münzen – welch wechselvolle Geschichte! Denn immer wieder ändern sich im Laufe der Zeit Stellenwert und Darstellung von Köpfen auf Münzen. Die ersten Wesen mit einem menschlichen Antlitz auf Münzbildern sind antike Götter. Ihnen folgen Porträts von Herrschern, die sich entweder als idealisierter Halbgott inszenieren oder als stiernackiger Macho – bis sie ihren Kopf schliesslich gar nicht mehr fürs Geld hinhalten und Personifikationen moderner Ideale Platz machen. Doch stets bleibt das Münzbild Spiegel für Machtverhältnisse und Weltanschauungen, für den Stand und manchmal die ureigene Physiognomie einer Person.

      Den Anstoss zu dieser Studie der Historikerin Ursula Kampmann über die Geschichte des menschlichen Antlitzes auf Münzen gab die Münzsammlung des MoneyMuseums. Ihre Strahlkraft und ihre geheimen Botschaften möchte ich mit anderen teilen und sie einem Laien- wie Fachpublikum immer wieder unter einem anderen Blickwinkel zeigen.

      Dankend erinnern wollen wir uns an (den verstorbenen) Dr. Leo Mildenberg, den herausragenden Numismatiker, der uns mit seinem weisen Rat zu vielen numismatischen Kostbarkeiten aus der Antike verholfen hat. Apropos Kostbarkeit: Nicht der höchste Preis, das teuerste Stück bestimmt die Auswahl des MoneyMuseums, was zählt, sind Aussagekraft und künstlerische Ausstrahlung einer Münze.

      Jürg Conzett

      Gründer MoneyMuseum

      Es ist eine altbekannte Situation: Zwei Menschen können sich nicht entscheiden, wer von ihnen eine bestimmte Aufgabe ausführen muss. Kopf oder Zahl?, heisst es dann, eine Münze wird geworfen, und der Zufall entscheidet, ob ihre Bild- oder ihre Wertseite oben liegt. Dies, obwohl längst nicht mehr auf allen Bildseiten Köpfe dargestellt sind. Im Gegenteil, unser ikonographisches Selbstverständnis ändert sich, weg vom menschlichen Angesicht auf Münzen, hin zu Blumen, Bauten oder Symbolen. Bei den Euromünzen – 2002 eingeführt und damit jüngstes Studienobjekt – sind lediglich auf weniger als einem Drittel aller Bildseiten Köpfe zu sehen. Unsere modernen Demokratien scheinen im eindeutig identifizierbaren Mensch kein Identität stiftendes Symbol mehr zu sehen.

      Gerade in Zeiten der Veränderung, in denen jeder das Alte noch kennt und das Neue schon gesehen hat, ist der beste Moment, nach dem Warum zu fragen. Warum also galt uns der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert?

      Als die Münze in unserem heutigen Sinne irgendwann gegen Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. in Kleinasien, vielleicht in Lydien, erfunden wurde, dachte noch niemand daran, auf ihr ein menschliches Antlitz darzustellen. Die Prägeherren schmückten die Vorderseiten ihrer Münzen mit dem, was wir heute als Wappen bezeichnen würden: mit Symbolen, die ein Benutzer mit der Familie des Prägeherrn oder der prägenden Stadt in Verbindung brachte. Zweck dieser frühen Darstellungen war es, mit dem Bild den exakten Wert des abgewogenen Stückes Metall quasi zu garantieren.

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      Samos (Ionische Insel). Elektronhekte, 600–570 v. Chr. Löwenkopf von vorne in einem Kranz (?). Rs. Unregelmässig vertieftes Quadratum incusum um Mittelpunkt.

      Die Bilder änderten sich erst, als im Verlauf der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. die griechischen Städte die Münze für sich entdeckten. Erst in dieser zweiten Phase gewann das kleine, abgewogene Stückchen Metall seine epochale Bedeutung: Es wurde nicht mehr als eine genormte und garantierte, wertvolle Handelsware benutzt, sondern als ein Massstab, mit dem jeder Gegenstand und jede Tätigkeit hinsichtlich des Wertes gemessen werden konnte. Damit veränderte sich die Welt drastisch. Arbeitsteilung und Kleinhandel entstanden. Die Demokratie in ihrem klassischen Sinn wurde vorbereitet.

      Die Münze gehörte zu den städtisch geregelten Angelegenheiten. Sie galt – wie die Gesetze oder die Längen- und Hohlmasse – für die gesamte Stadt, und mit ihr identifizierte sich auch die ganze Stadt. Somit musste das Münzbild ebenfalls etwas sein, in dem sich alle Bürger einer Stadt wiederfanden.

      Zumeist bezogen sich die Darstellungen auf das besondere Verhältnis, das eine Stadt zu bestimmten göttlichen Mächten hatte. Jede Stadt besass ihr eigenes Pantheon, überall wurde eine andere Auswahl von Göttern, Naturmächten und Heroen verehrt. Die wichtigste Gottheit einer Stadt musste nicht unbedingt mit Zeus zusammenfallen, den wir als den Obersten der griechischen Götter kennen. Im Gegenteil, jede göttliche Macht konnte zur wichtigsten aufsteigen, wenn sie durch ihr als real empfundenes, im lokalen Mythos überliefertes Eingreifen gezeigt hatte, dass sie bereit war, für das Wohlergehen der Bürger Verantwortung zu übernehmen. Das konnte sich ausdrücken durch ein «Geschenk» an die Stadt oder durch Hilfe in Gefahr. Durch ihren einmal gewährten Beistand schloss die Gottheit mit allen Bürgern der Stadt einen ganz besonderen Bund, der ihr die Verehrung der Polis einbrachte, wofür sie sich mit ihrer fortdauernden Unterstützung bedankte.

      Deshalb sind auf den archaischen Münzen häufig Symbole der wichtigsten Götter einer Stadt zu sehen. So bedeutete eine Ähre für den Bewohner Metaponts eben nicht nur eine Ähre, sondern den komplizierten Vorgang des Säens, Wachsens und Erntens, den die Göttin Demeter beschützte, die Metapont durch reiche Ernten besonders beschenkte.

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      Metapont (Lukanien). Stater, um 520 v. Chr. Ähre mit langen Grannenhaaren. Rs. Ähre inkus.

      Die Bürger von Gela dagegen, deren Stadt an der Mündung eines Flusses lag, wussten genau, dass sie ihren Wohlstand dem ruhig und gleichmässig fliessenden Gewässer verdankten, dem sie den gleichen Namen gegeben hatten wie ihrer ganzen Stadt. Brachte der aus dem Gebirge kommende Fluss auch im Hochsommer noch genug Wasser, um die Felder zu versorgen? Stieg im Frühjahr der Pegel nur auf das gewohnte Mass? Oder überfluteten die Wassermassen, die durch das Flussbett nicht mehr gezähmt werden konnten, die bewohnten Gebiete? Solche Sorgen und Fragen waren es, die dem Flussgott die besondere Verehrung der Stadtgemeinschaft von Gela eintrugen. Und ihn wählte sie, um sich als Ganzes im Münzbild darzustellen. Sie gab ihm dabei keine


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