Menschengesichter. Ursula Kampmann

Menschengesichter - Ursula Kampmann


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lebten. Ausserdem ist es doch eine schöne Vorstellung, dass ein Zentrum der Kunst, wie es Paris ist, schon vor mehr als 2000 Jahren eines der bedeutendsten Kunstwerke der keltischen Numismatik hervorbrachte.

      Was sich der Stempelschneider aber beim kreativen Akt dachte, warum er die geordnete Haartracht des griechischen Gottes zu einer wilden Lockenpracht umformte, weshalb er in einer Art Horror Vacui jede noch so kleine Fläche des Münzbildes mit Schmuckelementen ausfüllte, wir wissen es nicht – auch wenn natürlich jede Menge Hypothesen darüber umlaufen.

      So bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Münze als ein Kunstwerk zu betrachten, dessen Botschaft uns heute verloren ist, dessen Schönheit nach über 2000 Jahren aber immer noch zu uns spricht.

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      Tyros (Phönikien). Tetradrachmon, 106 v. Chr. Kopf des Melkarth mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Adler auf Schiffsbug n. l. stehend, über seiner Schulter Palmzweig.

      Darauf ging einer der Zwölf namens Judas Iskariot zu den Hohepriestern und sagte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere? Und sie zahlten ihm dreissig Silberstücke. Von da an suchte er nach einer Gelegenheit, ihn auszuliefern.

      Mt. 26,14–16

      Natürlich können wir nicht mit letzter Sicherheit sagen, wie die 30 Münzen aussahen, die Judas für die Auslieferung Christi erhielt. Die Wahrscheinlichkeit aber spricht dafür, dass es sich um Münzen aus Tyros handelte; mit diesen Münzen nämlich wurde die jüdische Tempelsteuer jahrhundertelang bezahlt.

      Melkarth, der auf der Vorderseite unserer Münze abgebildet ist, war die wichtigste Gottheit der phönikischen Stadt Tyros. Er besass einen bedeutenden Tempel dort und erhielt von seinen Gläubigen all die Ehren, die das jüdische Volk als Götzendienst empfand. Ursprünglich war Melkarth ein Sonnengott, der gleichzeitig über die Unterwelt und die Fruchtbarkeit wachte. Die Griechen setzten ihn mit Zeus gleich, oder – fast noch häufiger – mit Herakles. Auf jeden Fall war auch Melkarth ein «Baal», denn diesen Namen, der eigentlich nichts anderes als «Herr» bedeutet, pflegten die Phönikier all ihren Göttern beizulegen. Und mit dem Baal hatten die Juden ja ihre ganz eigenen Erfahrungen, wie uns im Buch der Könige die Geschichte von Jezabel und Elias berichtet.

      Trotzdem bestanden die Verantwortlichen im Tempel zu Jerusalem darauf, für die Tempelsteuer nichts anderes als tyrische Münzen anzunehmen, und dies aus einem einfachen Grund: Der Silbergehalt der Stücke schwankte praktisch nicht. Ihr Wert war trotz der langen Prägedauer gleich bleibend und damit leicht kalkulierbar. So musste jeder Jude, der die Tempelsteuer in Höhe einer tyrischen Didrachme entrichten wollte, im Hof des Tempels sein Geld in tyrische Währung wechseln, ein Vorgang, der einen Mann namens Jesus so aufbringen sollte, dass er gewalttätig wurde gegen die allgegenwärtigen Geldwechsler.

      Als die Stadt Tyros aufhörte, ihre Münzen herauszugeben, geriet die Finanzverwaltung des Tempels in arge Verlegenheit. Herodes der Grosse, dem die spätere Überlieferung den Kindermord von Bethlehem zuschreiben sollte, war es, der von Rom für die jüdischen Autoritäten das Recht erwirkte, nun selbst Schekel nach tyrischem Vorbild zu prägen. Bis zum Beginn des ersten jüdischen Krieges, bis 66 n. Chr., entstanden also Münzen mit dem Bild eines Baal im gelobten Land des Volkes Israel.

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