Menschengesichter. Ursula Kampmann
5. und Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. die wichtigste Handelswährung im gesamten Mittelmeerraum. Und Athen wurde vor der selbstzerstörerischen Auseinandersetzung mit Sparta im Peloponnesischen Krieg so reich, dass ein heute noch bekanntes geflügeltes Wort entstehen konnte: «Eulen nach Athen tragen».
3. Die Quellnymphe Arethusa
Syrakus (Sizilien). Dekadrachmon, 400–395 v. Chr. Werk des Stempelschneiders Euainetos. Quadriga in einem Wagenrennen n. l. fahrend; der Lenker treibt mit einem Stab seine Pferde zur höchsten Geschwindigkeit an; auch die Götter sind dem Gespann wohlgesinnt, denn sie senden die geflügelte Nike, die dem Wagenlenker den Kranz bringt; in dem durch die Bodenlinie abgetrennten Abschnitt Waffengruppe. Rs. Kopf der Arethusa n. l., das Haar bekränzt mit Schilfblättern; um sie herum vier Delphine, unter dem Delphin am Halsabschnitt Signatur des Künstlers.
Pausanias überliefert in seinem Reiseführer zu den Sehenswürdigkeiten Griechenlands, dass Arethusa einst eine Jägerin gewesen sei, die sich von Alpheios verfolgt sah. Doch ehe der junge Mann das Mädchen vergewaltigen konnte, verwandelten sie die Götter in eine Quelle. In ihrer neuen Gestalt gelangte Arethusa bis zur Insel Ortygia, dem befestigten Zentrum der Stadt Syrakus. Alpheios aber wurde zu einem Fluss und folgte der Entflohenen. Er soll noch heute seine Wasser mit denen der Arethusa mischen und damit reich sprudelndes Süsswasser auf einer ansonsten vom Meerwasser umschlossenen Insel liefern.
Soweit der Mythos, der in historischer Zeit an einen viel älteren Kult anknüpfte. Denn die Verehrung einer Naturgottheit, verkörpert in der Quelle Arethusa, war in Syrakus wesentlich älter. Das Erlebnis, auf einer steinigen Insel, umgeben vom nicht geniessbaren Salzwasser des Mittelmeeres, eine Süsswasserquelle zu finden, die noch dazu ausreichte, um eine kleine Stadt zu versorgen, dies empfanden die Menschen in der Antike als einen göttlichen Gnadenerweis. So wurde Arethusa, die Gottheit, die in der Quelle gegenwärtig war und ihre sprudelnden Wasser den durstigen Menschen schenkte, von Syrakus als eine Staatsgottheit verehrt. Den Bürgern der Polis war sie so wichtig, dass sie die Quellnymphe praktisch von Anfang an auf den Münzen der Stadt abbildeten.
Schon bald wurden Arethusa als Attribut vier um sie herumschwimmende Delphine beigegeben. Diese Tiere waren nicht willkürlich gewählt. Der Delphin galt in der Antike als das Tier, das – von Apoll gesandt – dem Schiff sichere Überfahrt signalisierte. Wichtig für das Gelingen einer weiten Schifffahrt über das Mittelmeer waren vor allem die Häfen, die ein von Stürmen bedrängtes Schiff anlaufen konnte. Und die Götter hatten die Stadt Syrakus wahrlich gesegnet: Gleich zwei Häfen, ein grosser und ein kleiner, boten je nach Windrichtung Schutz vor den Unbilden des Wetters. Im Jahre 734 v. Chr. soll eine Gruppe von korinthischen Kolonisten diesen idealen Platz für eine Siedlung entdeckt und okkupiert haben. Es war also in erster Linie die geografische Lage, durch die Syrakus in sehr kurzer Zeit zu einer der grössten und bedeutendsten Handelsstädte der antiken Welt wurde. Und dies empfanden seine Bewohner als Gottesgeschenk.
Sie stellten auf der Rückseite ihrer Münzen eigentlich ein Abbild ihrer Stadt aus der Vogelsicht dar: Die Quelle Orthygia in der Mitte, umgeben von den ringsum flutenden Wassern des Mittelmeeres.
4. Philipp II. als Hegemon Griechenlands
Alexander III., König der Makedonen (336–323 v. Chr.). Goldstater vom Typus der unter seinem Vater Philipp II. (359–336 v. Chr.) eingeführten Goldstatere, Kolophon (Ionien), 324 v. Chr. Kopf des Apollon mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Zweigespann, getrieben vom Wagenlenker n. r. galoppierend, unter den Vorderbeinen der Pferde Münzstättenzeichen: Dreifuss.
Delphi, wo der Gott Apollon den Menschen durch die Pythia den Willen der Götter verkündete, war eines der reichsten Heiligtümer Griechenlands. Unzählige Städte hatten dort wertvolle Weihegaben deponiert. Dieser Reichtum verlockte im Jahre 355 v. Chr. die Phoker, das Heiligtum zu erobern. Bis dahin hatte eine Vielzahl von Städten, zusammengefasst in der so genannten Delphischen Amphiktyonie, über das Schicksal des Orakels bestimmt. Sie erklärte den Phokern den «Heiligen Krieg». Doch da die neuen Herren Delphis über die schier unbegrenzten Mittel des Tempelschatzes verfügten, konnten sie ein riesiges Söldnerheer bezahlen, an dem die Streitkräfte ihrer Gegner immer wieder scheiterten. Erst das Eingreifen Philipps II., König der Makedonen in den Jahren 359 bis 336 v. Chr., brachte die Wende. Auf der Seite der Amphiktyonen trat er in den Kampf ein und zwang die Phoker im Jahre 346 v. Chr. zu kapitulieren.
Natürlich nutzte der ehrgeizige König seinen Sieg. Nicht nur, dass er die strategisch wichtigen Festungen der Phoker mit seinen eigenen Soldaten besetzte und für sich selbst gleich eine Vielzahl an Stimmen im Rat der Amphiktyonen reservierte, was ihm einen enormen Zuwachs an Einfluss brachte. Er nutzte seinen Sieg auch propagandistisch. Hortfunde bestätigen, dass Philipp kurz nach seinem Sieg wohl schon im Jahre 345 v. Chr. einen neuen Münztyp einführte, der auf der Vorderseite das Bild des Herren von Delphi zeigte: Apollon. Bereits im Jahre 357 v. Chr. hatte Philipp die Herrschaft über das Pangeiongebirge im Norden Griechenlands gewonnen, wo ergiebige Goldlagerstätten ausgebeutet wurden. Die Gewinne aus dem Bergbau galt es nun auszumünzen, um mit deren Hilfe die Anhänger der Makedonen in Griechenland zu stärken, und natürlich, um Söldner anzuwerben. Als Münztyp für die Vorderseite wählte Philipp nicht Zeus, der als besonderer Schutzgott der Makedonen galt, oder Herakles, den Stammvater der Argeaden, zu deren Geschlecht Philipp gehörte. Er entschied sich für Apollon, dessen Kopf allen Griechen verkündete, dass Philipp gegen die frevelnden Phoker in den Kampf gezogen war und dass die Götter ihm und der gerechten Sache zum Sieg verholfen hatten.
Dieser Münztyp wurde in der ganzen antiken Welt so beliebt, dass auch der Nachfolger und Sohn Philipps, Alexander der Grosse, ihn weiter prägte. Ja, als Lohn keltischer Söldner gelangten einzelne Stücke sogar bis weit ins Innere Europas, wo zahlreiche keltische Prägungen die Münzen Philipps imitieren.
5. Griechische Kunst – keltische Kunst
Parisii (keltischer Stamm in Frankreich, in der Gegend des heutigen Paris). Goldstater, Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. Stilisierter Kopf n. r., davor Volute, unter dem Kinn Keule (?). Rs. Stilisiertes Pferd n. l., darüber dreieckiges Netz aus Rauten mit Mittelpunkt, darunter Rosette.
Auf den ersten Blick haben sie nicht viel miteinander gemeinsam, die Münze mit dem Antlitz des Gottes Apollon auf der Vorderseite, die wir bei Münztext 4 abgebildet haben, und dieser Goldstater der Parisii, der mehr als ein Jahrhundert später geprägt wurde. Und doch hat sich das an ein abstraktes Kunstwerk erinnernde, schwungvolle Münzbild der Kelten aus den Stateren nach dem von Philipp II. eingeführten Typus entwickelt.
Kennen gelernt haben die Kelten die Münzen durch den Dienst, den sie als Söldner leisteten. Sie waren bekannt als tüchtige Krieger, abgehärtet und zäh, denen der Kampf Freude bereitete. Und so war es für beide Seiten ein guter Handel, wenn Philipp II. oder Alexander der Grosse oder einer seiner Nachfolger einen Trupp dieser geschulten Kämpfer engagierte. Lange vorbei war die Zeit, in der ein griechisches Heer aus dem Aufgebot der waffenfähigen Bürger einer Stadt bestand. Im Soldatenhandwerk hatte eine Spezialisierung eingesetzt und so fanden viele Kelten Sold und Brot in griechischen Diensten.
Und sie trugen – zumindest, wenn sie den Feldzug überlebten – ihren Lohn und damit das Wissen um die Münze überall hin, wo sie zuhause waren. Und bald begann eine eigene Prägung.
Wir wissen nicht viel darüber.