"Wenn Du absolut nach Amerika willst, so gehe in Gottesnamen!". Heinrich Lienhard
zu gefährden, und nutzten auch Insekten zur Ernährung. Eine Hauptnahrungsquelle war die Eichel. Das mit Mörser und Stössel gewonnene Mehl wurde in einer flachen, sandigen Vertiefung oder in einem Behälter ausgebreitet, um die Gerbsäure, das Tannin, auszuschwemmen. Das Mehl wurde entweder in einem Erdofen zu Brot gebacken, oder häufiger wurde daraus in einem Korb, in dem feuererhitzte Steine das Wasser zum Sieden brachten, ein Brei gekocht, der mit Beeren, Nüssen, Fisch- und Fleischstücken angereichert werden konnte.
Handwerklich waren die kalifornischen Indianer in der Flechtkunst von Körben führend. Frauen gruben mit Stöcken nach Wurzeln, deren Fasern sie zum Korbflechten benötigten, weshalb weisse Siedler die einheimischen Leute verächtlich «Diggers» – Gräber – nannten und irrtümlich meinten, sie suchten so nach Nahrung. Jagdgeräte waren unter anderem kunstvoll verfertigte Pfeile und Bogen, Köcher, Körbe und Netze sowie Wurfspiesse mit beweglichen Spitzen, die nicht abbrechen konnten.
Die autonomen und demokratisch verwalteten Gemeinschaften Kaliforniens waren grösstenteils in lockeren Verbänden von mehreren Dörfern organisiert. Sprachlich waren sie äusserst vielfältig. Man unterschied fünf Hauptsprachen, 21 Sprachfamilien und eine grosse Zahl verschiedener, untereinander nicht verständlicher Dialekte. Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Gemeinschaften stärkten wirtschaftliche, soziale, politische und religiöse Bande. Konflikte, die von Grenzverletzungen, Mord oder Diebstahl herrühren konnten, wurden meistens durch entsprechende Entschädigungen beigelegt, Krieg kannten die kalifornischen Indianer kaum. Menschliche Schwächen wie Wettstreit, Aggression, Neid und Rache lebten sie im Spiel aus, an dem sich Spieler wie Zuschauer leidenschaftlich beteiligten. Religiöse Rituale waren nicht auf Gottheiten orientiert, sondern feierten die Grundkräfte des Lebens und suchten deren stets gefährdetes Gleichgewicht zu bewahren oder wiederherzustellen.
Spanien und Mexiko
Von 1542 bis 1602 erforschten mehrere Expeditionen im Auftrag der Regierung Neuspaniens die Küste Kaliforniens. Danach vergingen 167 Jahre bis zur ersten Siedlungsgründung. Dies zeigt zum einen die ausserordentliche Isolation Kaliforniens, zum anderen die Geringschätzung, mit der die Spanier diese entlegene Region beurteilten: Es gebe dort, glaubten sie, weder Gold noch andere Reichtümer, die Küste hatte sich als abweisend und gefährlich erwiesen, und die Reise über Land schien noch bedrohlicher.
Im Jahre 1769 gründeten spanische Franziskaner San Diego de Alcalä, die erste Mission in Oberkalifornien. Insgesamt wurden in den folgenden fünf Jahrzehnten entlang der Küste 21 Missionsstationen errichtet, vier davon mit einem Presidio, einer Garnison mit einer kleinen Besatzungstruppe. Die Beziehung zwischen den Soldaten und den Padres war nie besonders gut, doch waren sie aufeinander angewiesen. Die Mission bestand nicht nur aus einer Kirche, sondern war auch ein landwirtschaftliches Pueblo, in welchem hunderte oder sogar tausende von Indianern zusammengezogen wurden und sämtliche Arbeiten verrichteten.
Theoretisch waren die Missionen Institutionen auf Zeit. Demgemäss hätte jede Mission zehn Jahre nach ihrer Gründung säkularisiert werden müssen. In Wirklichkeit dauerte es jedoch über sechzig Jahre bis zur Säkularisierung. In der Meinung der Missionare waren die Indianer Kinder, deren Geist nicht fähig sei, sich über dieses Niveau zu entwickeln. Sie machten sie in den Missionen zu hilflosen Abhängigen und behielten sie in diesem Zustand, indem sie jedes Detail streng kontrollierten. Kontakte mit Europäern ausserhalb der Missionen wurden unterbunden, kurz, die Missionare vermieden alles, was die getauften Indianer darauf vorbereitet hätte, die Mission je wieder zu verlassen.
Die Register der Missionen zeigen eine erschreckend hohe Sterberate. Eine grosse Zahl von Indianern starb an Krankheiten, gegen die sie nicht immun waren. Ihr Leben beschränkte sich auf die Räume der Mission, wodurch ihnen ihre traditionelle Gesundheitspflege, die sie in ihren Dörfern befolgt hatten – Schwitzhaus, Bad im Fluss, gelegentliches Abbrennen und Erneuern ihrer Wohnstätte etc. –, verwehrt war. Während der Missionsperiode sank die Zahl der einheimischen Bevölkerung zwischen der Bucht von San Francisco und San Diego von 72 000 auf 18 000, was einer Abnahme von über 75 Prozent entsprach.
Die spanische Besiedlung Oberkaliforniens beschränkte sich auf einen schmalen Küstenstreifen. Nur am Colorado River gab es zwei Missionen, die von den Yuma aber nach kurzer Zeit beseitigt wurden. Die einzigen Expeditionen ins Central Valley galten der Rückschaffung geflohener Missionsindianer oder waren reine Strafexpeditionen oder Versuche, gestohlene Pferde und gestohlenes Vieh zur Mission zurückzutreiben. Die häufigen Streifzüge zu den Viehherden der Küstensiedlungen unternahmen vor allem Indianer, die von dorther stammten, aber ins Landesinnere geflüchtet waren, um der Missionierung zu entgehen.
1812 baute die Russian-American Fur Company nördlich von Bodega Bay ein befestigtes Dorf, das sie Fort Ross nannte. Es belieferte die russische Kolonie Sitka in Alaska mit Nahrungsmitteln und bildete das Hauptquartier für die Seeotterjagd in Nordkalifornien. Es diente auch als Zentrum für den Handel zwischen den Russen und Spaniern, den die Regierung zwar verboten hatte, der aber für beide Seiten nötig war und unter freundschaftlichen Beziehungen stattfand.
Mexiko hatte sich 1821 die Unabhängigkeit von Spanien erkämpft und erhielt 1824 eine liberale Verfassung. Die Regierung in Mexico City bestimmte von nun an einen Gouverneur, der «jefe político superior» und «comandante general militar» in einem war. Es gab auch eine Art Legislative, die gewählte «diputación», die aber nur auf Einberufung durch den Gouverneur tagte und auch dann hauptsächlich in beratender Funktion.
Die Gouverneure waren unter anderem befugt, Land an künftige Rancheros zu vergeben, auch an Ausländer, sofern diese bereit waren, sich nach Ablauf eines Jahres einbürgern zu lassen und zum römisch-katholischen Glauben überzutreten. In der Folge verschob sich die eigentliche Macht in Kalifornien nach und nach von den Gouverneuren und Missionaren auf eine kleine Gruppe von Ranchero-Familien, deren Mitglieder in Kalifornien geboren und die verwandtschaftlich verbunden waren.
Gouverneur José Figueroa verkündete 1834 die allgemeinen Bedingungen für die Säkularisierung der Missionen, die unter anderem festlegten, dass die Hälfte des Missionslandes an die Indianer übergehen müsse. Seine Massnahmen wurden aber nicht wirksam durchgeführt. Einige Indianer versuchten zwar, auf dem ihnen zugeteilten kleinen Stück Land zu bleiben, doch keiner behielt es länger als ein paar Jahre. Viele wussten gar nicht, dass sie Anrecht auf Land hatten, und verliessen die Küstenregion, um Anschluss bei indianischen Gemeinschaften im Innern des Landes zu suchen. Diejenigen, die als Vaqueros geübt waren, fanden Arbeit auf privaten Ranchos, in welche das Missionsland nach und nach unterteilt wurde, andere in Dörfern.
1836 gelang es dem jungen Kalifornier und Präsidenten der Diputación, Juan Bautista Alvarado, die Macht über Monterey zu ergreifen und die meisten mexikanischen Beamten abzuschieben. Die Kalifornier riefen ihr Land zum freien und souveränen Staat aus, und zwar für so lange, bis Mexiko dem Zentralismus abschwören würde. Alvarado wurde provisorischer Gouverneur, sein Onkel Mariano Guadalupe Vallejo Militärkommandant. Nach ein paar Jahren waren beide angesichts der anarchischen Zustände in ihrem Land so desillusioniert, dass sie 1842 dem letzten Gouverneur von Kalifornien, General Manuel Micheltorena, ihr Amt zurückgaben. 1843 kam es zu einem erfolgreichen Aufstand gegen Micheltorena, der daraufhin nach Mexiko zurückkehrte. Es war der letzte Versuch Mexikos gewesen, mehr als nominelle Kontrolle über Kalifornien herzustellen. Letzter Gouverneur wurde der Kalifornier Pío Pico, der sein Amt von März 1845 bis Juli 1846 innehatte.
Unter mexikanischer Herrschaft erhöhte sich die Zahl der Ranchos von 20 auf rund 500. Mexikos liberale Landvergabe-Bestimmungen von 1824 und 1828 erlaubten 11 spanische Quadratmeilen1 für einen Rancho (198 Quadratkilometer). Doch selbst diese grosszügige Limitierung wurde nicht immer eingehalten, da ein Ranchero oft mehrere Landzuweisungen erhielt. Auf den Ranchos arbeiteten zwischen zwanzig und mehrere hundert indianische Arbeiter, entweder ehemalige Missionsindianer oder neu aus den indianischen Dörfern rekrutierte Leute. Sie erhielten als Lohn in der Regel nur Essen, dürftige Kleidung und einen einfachen Platz zum Schlafen. Obwohl theoretisch frei, befanden sie sich in Wirklichkeit in einem Zustand der Leibeigenschaft an den Ranchero gebunden, solange dieser es wünschte.
Amerikanische Unterwanderung
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