"Wenn Du absolut nach Amerika willst, so gehe in Gottesnamen!". Heinrich Lienhard
ebenfalls ehemalige Trapper; ihre Erfahrungen beschränkten sich allerdings, wie sich später herausstellte, auf das Gebiet der Rocky Mountains, deren Überquerung für Wagen keine besonderen Schwierigkeiten bot.
Gemeinsam mit den Oregon-Emigranten brachen sie bei Council Bluffs im Iowa Territory auf. Diese Route entlang dem Nordufer des Platte River wurde später als «Mormon Trail» bekannt, da sie 1847 auch von den Mormonen gewählt wurde. Nach der Überquerung der Rocky Mountains wagten sich die Leute vor Erreichen des Green River auf eine Abkürzung, von der Hitchcock gehört hatte. Sie verlief vom Little Sandy am westlichen Abhang der Rocky Mountains in gerader Richtung nach Westen zum Bear River und vermied den weiten Bogen nach Südwesten und zurück nach Nordwesten. Gemäss Hitchcock war die Abkürzung 25 Meilen lang, weshalb die Leute keine Wasservorräte mitnahmen. Dies brachte sie in grosse Schwierigkeiten, denn die Strecke war in Wirklichkeit 43 Meilen lang und führte durch wüstenähnliches Land ohne Wasser und Gras. Immerhin erreichten sie, wie geplant, den Bear River und somit den Anschluss an den Oregon Trail. In Zukunft wählten die meisten Emigranten diesen sogenannten Greenwood Cutoff, später auch Sublette’s Cutoff genannt, denn er verkürzte den Trail um etwa 85 Meilen, was fünf bis sechs Tagesetappen entsprach. Lienhards Text wird zeigen, dass 1846 die Entscheidung für oder gegen diese Abkürzung für die Emigranten mit Ziel Kalifornien von grosser Bedeutung war.
Stevens zog weiter bis Fort Hall, drehte dort nach Südwesten ab und folgte dann dem Mary’s River auf Walkers Spuren. Bei der Flusssenke wurde beraten. Hier waren sowohl Bartleson als auch Walker südwärts gegangen, doch gab es da eben auch die Möglicheit, einen direkten Weg nach Westen zu suchen. Schliesslich fanden sie einen Indianer namens Truckee, der ihnen im Sand aufzeichnete, dass fünfzig bis sechzig Meilen weiter westlich ein Fluss mit Bäumen und gutem Gras zu finden sei. Drei ihrer Männer ritten darauf mit Truckee als Geisel bis zur bezeichneten Stelle und fanden seine Angaben bestätigt. Der vierzig Meilen lange Wüstenabschnitt zwischen Flusssenke und Truckee Meadows (bei der heutigen Stadt Reno, Nevada) war künftig eine von allen Emigranten gefürchtete Etappe des Trails. Steven folgte nun den vielen Windungen des Flusses, den sie im Andenken an ihren Führer «Truckee» nannten, bis an den östlichen Fuss der Sierra Nevada. Am 14. November kamen sie zu einer Stelle, wo der Fluss sich verzweigte; sie lag bei der Mündung des heutigen Donner Creek, ungefähr eine Meile westlich der heutigen Stadt Truckee. Wieder ging es um die Frage: nach Westen oder nach Süden? Sie beschlossen, dass eine Reitergruppe von sechs Leuten dem Flusslauf nach Süden folgen sollte, um zu versuchen, unbehindert von Wagen möglichst rasch Sutters Fort zu ereichen. Von dort aus würden sie der Hauptgruppe, die einen direkten westlichen Weg über die Berge suchen wollte, zu Hilfe kommen.
Die Hauptgruppe mit den Wagen kam nach wenigen Meilen zum heutigen Donner Lake, wo sie vor der unüberwindbaren Wand der schneebedeckten Sierra Nevada standen. Als es ihnen nicht gelang, einen Durchgang zu finden, beschlossen sie, sechs ihrer Wagen am See zurückzulassen, wobei drei Männer sich bereit erklärten, diese den Winter über zu bewachen. Unter grössten Anstrengungen und mit Hilfe von langen Ketten – Lienhard wird dasselbe Vorgehen im Detail beschreiben – gelang es den Leuten, die restlichen fünf Wagen über die verschneiten Felsen zu hieven. Stewart bezeichnet diesen Moment als die eigentliche Erschliessung des California Trails.
Der Abstieg über die zerklüfteten Felsen der Westseite der Berge war ein weiteres schwieriges und gefährliches Unterfangen. In der Stevens Party wurde hier das zweite Kind auf dieser Reise geboren, auch fiel zu dieser Zeit rund ein Meter Schnee. Wieder trafen die Leute eine Entscheidung: Ein Teil der Gruppe würde mit den Wagen hier campieren und den Frühling abwarten, während siebzehn Männer den Abstieg wagen wollten. Diese erreichten Sutters Fort eine Woche später und fanden dort auch die Reitergruppe, die wenige Tage vorher im Fort eingetroffen war.
Der tiefe Schnee verunmöglichte vorerst eine Rückkehr in die Berge. Erst am 20. Februar machte sich Dennis Martin, dessen Vater bei den Frauen zurückgeblieben war, mit Schneeschuhen auf den Weg ins Camp. Er fand dort schlechte Bedingungen vor, aber alle hatten überlebt, auch die beiden Babys. Martin vergass auch nicht, den am Donner Lake zurückgebliebenen jungen Moses Schallenberger abzuholen. Dieser war im Dezember allein bei den Wagen zurückgeblieben. Die drei Männer hatten nämlich bald realisiert, dass ihre Lebensmittel nicht für den ganzen Winter ausreichen würden und alles Wild in tiefere Regionen abgewandert war. Sie verfertigten deshalb Schneeschuhe, um weiterzugehen, doch Schallenberger war krank und die Anstrengung für ihn zu gross. Er kehrte allein an den See zurück und verbrachte den ganzen Winter in einer kleinen Hütte bei den Wagen, wo Martin ihn Ende Februar fand. Am 1. März 1845 erreichten die letzten Mitglieder der Stevens Party ihr Ziel.
1845 ritt Caleb Greenwood mit seinen zwei Söhnen von Kalifornien nach Fort Hall in der Absicht, Emigranten nach Kalifornien zu führen. Ganz in seinem Sinn war deshalb auch der Auftrag, den Sutter ihm mitgegeben hatte, nämlich Emigranten mit Ziel Oregon für Kalifornien umzustimmen. Augenzeugen berichteten später, dass Greenwood den Ankommenden eindringlich die Gefahren schwieriger Flussüberquerungen und feindlicher Indianer auf dem Weg nach Oregon geschildert und ebenso überzeugend die Vorteile Kaliforniens wie grosszügige Landvergabe durch Sutter, gutes Klima, Reichtum an Wild und fischreiche Flüsse hervorgehoben habe. Sein grösster Trumpf war wohl die Tatsache, dass 1844 Wagen die Sierra überquert hatten, denn er erreichte, dass etwa 50 Wagen nach Südwesten abbogen. Dies bedeutete, dass 1845 erstmals eine Gruppe von rund 250 Emigranten in Kalifornien eintraf – fünfmal mehr als im Jahr zuvor. Auf der Westseite der Sierra Nevada kam den Leuten von Sutters Fort eine Hilfskolonne mit Lebensmitteln entgegen, wie Greenwood es ihnen versprochen hatte.
Die Entwicklung des Trails war 1845 zwar noch nicht abgeschlossen, doch in den Vereinigten Staaten nahm der Informationsfluss hinsichtlich Kalifornien beträchtlich zu. Lansford W. Hastings’ Führer über Oregon und Kalifornien war erschienen, und der Autor reiste umher in der Absicht, Siedler für Kalifornien zu gewinnen, das seiner Meinung nach ebenso wie Texas von den Vereinigten Staaten annektiert werden sollte. John C. Frémonts grosser Bericht mit Karten über seine zweite Expedition (1844–1845) nach Oregon und Kalifornien wurde veröffentlicht, der ganz der Idee des Manifest Destiny verpflichtet war und auf grosses Interesse stiess. Auch die in der Presse erscheinenden Briefe erfolgreicher Siedler sowie die regelmässigen Berichte des amerikanischen Konsuls in Monterey, Thomas O. Larkin, verfehlten ihre Wirkung nicht.
John D. Unruh nennt für das Jahrzehnt von 1840 bis 1850 folgende Zahlen zur Emigration:3
Jahr | Kalifornien | Oregon |
1840 | — | 13 |
1841 | 34 | 24 |
1842 | — | 125 |
1843 | 38 | 875 |
1844 | 53 | 1475 |
1845 | 260 | 2500 |
1846 | 1500 | 1200 |
1847 | 450 | 4000 |
1848 | 400 | 1300 |