Die Gärten der Medusa. Dieter Bachmann

Die Gärten der Medusa - Dieter Bachmann


Скачать книгу
nackte Steinfrau hielt einen Wasserkrug vor ihrer Scham. Sie neigte ihren marmornen Lockenkopf sanft zur Seite und sah, ihre nach unten gewendete Amphore so nachlässig in der Hand, als würde sie sie gleich fallen lassen, auf die kahlen Beete. Die Andeutung eines Lächelns stand in ihrem Gesicht, aber nur eine Andeutung. In die Lockenfrisur waren Blüten und Pflanzenblätter geflochten. Ein feines Tuch aus Stein bedeckte ihre linke Brust, die rechte war frei. Warum? Das dünne, auf der Brust wie Hauch aufliegende Tuch hatte den Bildhauer gewiss mehr Arbeit gekostet als die andere, die bloße Brust; warum hatte er sie bedeckt? Ja, das Halbverhüllte, dachte Wild, das Vorgezeigte und doch Verborgene, die Gleichzeitigkeit des Verweigerns und des Versprechens, es gehört eben zum Eros.

      Eine Nymphe.

      Die Skulptur war von einem Isidore Hippolyte Brion, anscheinend aus dem Jahr 1837. Bewegte Pariser Zeit. Wieder hergestellte Monarchie, Unterdrückung und der Weg zu 1848. Louis Philippe, der Lustmolch, und die Prinzessin Belgiojoso, die Freiheitskämpferin aus Italien. Sie hatte ihren Mann verlassen und dem Risorgimento angehört, vor Metternichs Schergen war sie aus dem habsburgisch besetzten Norditalien nach Marseille geflüchtet und aus Südfrankreich 1831 nach Paris gekommen.

      Cristina verfasste kämpferische Pamphlete, war Botin geheimer Nachrichten und Passfälscherin. In der Zeit, in der Isidore Hippolyte Brion die Nymphe mit dem Krug modellierte, hatte die Belgiojoso, die ihr gleicht auf den Bildern, welche Francesco Hayez und Henri Lehmann von ihr gemalt haben, einen literarischen Salon in Paris, in dem Balzac, Chopin, Liszt und Musset verkehrten. Mit Heinrich Heine war sie befreundet.

      Hatte sie dem Bildhauer Modell gestanden?

      Jedenfalls schien es Wild, die nackten Damen, die in den Parks herumstehen, seien unter Umständen nicht so harmlos, wie das spätere Auge sie sieht. Noch jede dieser stummen Damen hat ein lebendes Vorbild, ein Modell, und sie drücken etwas aus, was über ihre Nacktheit, oder über ihre Rolle als Nymphe weit hinausgeht. Diese hier, wenn es denn wirklich die Belgiojoso war, hätte nebenbei einen vierbändigen Essay über die Entstehung des katholischen Dogmas geschrieben.

      Hundertfünfzig Jahre später, an diesem klammen Wintertag hatte sie eine andere Botschaft. Wollte die Steinfrau Wild nicht sagen, wie unendlich langsam in ihrem Garten die Zeit vergeht? Und besonders, wenn man, zu Stein geworden, ein Jahrhundert über ihn wacht. Das einfach Daseiende, das Ruhende ist schwer auszuhalten, dachte er. Dabei sind solche Orte, die scheinbar ohne Attraktion sind, immer mehr die attraktivsten. Man muss nur einen Schritt über sie hinaus tun, und man sieht, dass der Rest der Welt inzwischen vernichtet worden ist.

      Helen als Baigneuse, sie hatte das Tuch immer über beiden Brüsten verknotet, wenn sie aus dem Badezimmer kam, eine Grenze von blauem Frottee, die ihre helle Haut begrenzte. Man sollte nicht zu viel von ihr sehen. Und doch, einiges schon. Das Frottee reichte, vielleicht grade deshalb, weil es oben so viel decken musste, manchmal nur knapp über die Scham.

      Einen Krug brauchte Helen nicht. Ein Krug im täglichen Leben wäre lächerlich. Das ist das Schöne an der Kunst, dachte Wild, dass dieser Krug, der im täglichen Leben lächerlich wäre, hier unbedingt sein muss. Der Wasserkrug der Nymphe; das Zeichen dafür, dass sie Quellgöttin sein darf.

      Worunter wir uns nicht mehr vorstellen müssen, dachte Wild, als ein junges Mädchen, das halbverhüllt in einem Hain steht, ein Mädchen aus Fleisch und Blut, eines, das dich lieben könnte. Edouard Manet hat genau dies knapp dreißig Jahre später gemalt mit seinem «Déjeuner sur l’herbe», dies und nichts anderes.

      Ein paar Schritte vor dem Ausgang auf die Rue Buffon, knapp vor dem Eisenzaun, stand ein weiß-rosa blühender Baum. Prunus subhirtella – Cerisier d’hiver. Aus der Familie der Rosaceae, Pflaume, Kirsche und Rose zugleich. Schüchtern tastendes Blühen an diesem Wintertag, in der Balance zwischen Abschied und Verheißung.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAQEA+gD6AAD/4QDkRXhpZgAATU0AKgAAAAgACAEGAAMAAAABAAUAAAESAAMA AAABAAEAAAEaAAUAAAABAAAAbgEbAAUAAAABAAAAdgEoAAMAAAABAAIAAAExAAIAAAAgAAAAfgEy AAIAAAAUAAAAnodpAAQAAAABAAAAsgAAAAAAAAD6AAAAAQAAAPoAAAABQWRvYmUgUGhvdG9zaG9w IENTNS4xIE1hY2ludG9zaAAyMDE1OjAyOjE4IDExOjA5OjE2AAADoAEAAwAAAAEAAQAAoAIABAAA AAEAAAcQoAMABAAAAAEAAAu4AAAAAP/hAbpodHRwOi8vbnMuYWRvYmUuY29tL3hhcC8xLjAvADx4 OnhtcG1ldGEgeG1sbnM6eD0iYWRvYmU6bnM6bWV0YS8iIHg6eG1wdGs9IlhNUCBDb3JlIDUuNC4w Ij4KICAgPHJkZjpSREYgeG1sbnM6cmRmPSJodHRwOi8vd3d3LnczLm9yZy8xOTk5LzAyLzIyLXJk Zi1zeW50YXgtbnMjIj4KICAgICAgPHJkZjpEZXNjcmlwdGlvbiByZGY6YWJvdXQ9IiIKICAgICAg ICAgICAgeG1sbnM6eG1wPSJodHRwOi8vbnMuYWRvYmUuY29tL3hhcC8xLjAvIj4KICAgICAgICAg PHhtcDpDcmVhdG9yVG9vbD5BZG9iZSBQaG90b3Nob3AgQ1M1LjEgTWFjaW50b3NoPC94bXA6Q3Jl YXRvclRvb2w+CiAgICAgICAgIDx4bXA6TW9kaWZ5RGF0ZT4yMDE1LTAyLTE4VDExOjA5OjE2PC94 bXA6TW9kaWZ5RGF0ZT4KICAgICAgPC9yZGY6RGVzY3JpcHRpb24+CiAgIDwvcmRmOlJERj4KPC94 OnhtcG1ldGE+Cv/bAEMAAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEB AQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAf/bAEMBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEB AQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAf/AABEIC7gHEAMBIgACEQEDEQH/xAAf AAEBAAIDAQEBAQEAAAAAAAAABgMHCAkKAQsCBQT/xAB0EAAAAwIJCAcGAQYKCAIEAB8AAREF8AIG FSExQVFhgQclcZGhwdHhCBY1UpKxwgMJEiZF8YIKFzI2RmITGCI3QlVWZnJ2BBknOGV1stIa4iNH V3OGlqIUKDNTszRDk6bD01hjgymXo7TWJERUd4SUxtTy/8QAHgEBAQEBAQEBAQEBAQAAAAAAAAEG BwIFAwgJBAr/xABJEQACAQIDBgUEAQMCBAUCAQ0AARECITFRkRJBYXHw8QMGobHRIoHB4TIHFkIT UgRicoIXIzOSwgWisghT0hRDYxgkJjZzg7P/2gAMAwEAAhEDEQA/AOpdsturE9jqlx1g2W3GBt41 6TxuTgDZbdWJ7HVLjrE323cm3iuy5JxwcNltxgYnlqcpz3KKSWs0cnhU12VCb+YnQTbZbcYJXs0+ U9VukrgBshjNurEtrqlxVCbbLbjBfvuwNdugZBjY1T90AGNHaMF7+fO+alluMHdPbxHwTbZrfvAC kbHD0j7LcYO6e3iJqWb38QyACgl115g2W3Viex1S46xPjG2W5wXWvNOAAMZucF1JyXiDZl/CfX50 BI1z+EZABjY1T90UkuuvMT4ACgl115j7LcYO6e3iJ4UAA+y3GDunt4j5LrrzAAAl115hLrrzAT4A oAl115ifAAUDGbkt007S100vU67SJ91wwtvpAGMxK8C2ui3lUAKSW5brTnhOmxbp5uXXXmAABLrr zCXXXmJ8UAAMZt1YltdUuKoVAlwY/H1AD7LcYO6e3iEtxg7p7eI+AAKRjNuW6vNF89AyCXFIxqn7 oASze/iCWb38QyAAMcty3WnPCdNi3TzYpOxL12cE23rNNgCoGOXM730PXhsUTTZ7XwMffrL90AUj ZbnBda804Axm5wXUnJeImxUACgl115iblm9/EJsABSMZucF1JyXiDZbnBda804DIAADHLN7+IZBL gCklm9/EKQa3FQAMbZbnBda804Axm5wXUnJeImxUAAKAT4l2xw9IApGNHaMDETG7bO9iTJZvfxDI AAoJddeYm5ZvfxCbFJLN7+IAJbjBK9f+HDWDZbnBda804DIJdscPSAKRjVP3QbLc4LrXmnAZAAGO Wb38QS1GD918AY1T90I5S/hNqn3ugApOurpyE3/eJ3/ohI1z+EZABjlm9/EKRstyRKKdp6qKHr1u EuuvMAbIbLbqxPY6pcdYm5ZvfxCbFQAMctRg/dfAJblutOeE6bFunmxSMap+6AKRj8fUPstxg7p7 eImpGufwhIkiVLyxmXal8wCWb38Qddv6hO2j7PMMgx9iXrs4JtvWYCkbLbjA28a9J43JwE2xo7cT PUR1aVXiDGbnBdScl4g2a37wApI5NveW8n8NoS668xNTNtjum4iNcTE4AKRsx2VrvuOh0OcGy25E q80WfHSH1YI59sRbw84IANnrDK+BWUf0tvIJajB+6+ANmX8J9fnQKQATctRg/dfAUstxg7p7eI+C fAFA2W3Viex1S46xNyze/iE22OHpFGxur0kYnbT/AEdnMAfZZvfxCkl115jXEiRg7x7eApwBQddp E+64YW30ibluMLbefitF1tQyCXY3WGe3GieiumjCoAOu0iNeu++sj2HfXWKSWowfuvgHy/8AXqMM abucyhLmaLqHqw2IADZbcYG2l1GF+FWoUktxh/V9J0xR8VuGt2N1hntxonorpowqFJ9WACW879X1 mW9dD+cwddpEmSnddUu5UOgTf7YP3gbOe2vPS96Fo2zgDZEty3VdZjjuE22a37wm2xw9IMZt1Ylt dUuKo

Скачать книгу