Immer ist alles schön. Júlia Wéber

Immer ist alles schön - Júlia Wéber


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ich stelle mir vor, dass sie Schau! gesagt hat zu ihm damals, als sie genau an dieser Theke saßen.

      Schau!, hat sie gesagt und auf die von ihr gewählten Ringe gezeigt. Goldringe. Frau Wendeburg hat den einzugravierenden Text auf einen Zettel geschrieben. In Großbuchstaben, gut leserlich. Ruth und Theo. Der Mann hat still gesessen mit geradem Rücken, die schweren Hände auf seine Knie gelegt, das braune Hemd. Er hat genickt, und Frau Wendeburg hat lächelnd die schwarze Schachtel mit den Ringen entgegengenommen.

      Gefallen sie dir?, hat sie gefragt und gewusst, dass sie ihm gefallen würden. Er hat die Schachtel aufgeklappt und wieder zu und wieder auf und wieder zu.

      Nicht, hat Frau Wendeburg gesagt und ihm die Schachtel aus den Händen genommen.

      Wieder hat er genickt.

      Sie nimmt ein Taschentuch aus ihrem Leinenbeutel, wischt die Fingerabdrücke weg, bevor sie verschwinden können, bevor die Dame mit den Ringen zurückkommt.

      Alles Gute wünsche ich Ihnen, sagt diese, ihre Hände sind gepflegt. Sie überreicht die Schachtel in einer kleinen, weißen Tüte, auf der zwei Tauben eine Schleife halten.

      Ich reribe Schaum in die Fransen des Teppichs. Sie werden sofort weiß. Mutter liegt im Bett. Als ich zu ihr ins Zimmer kam, um zu sehen, ob Fred in seinem grünen Schlafanzug bei ihr liegt oder ein nackter, haariger Mann und sie miteinander schlafen, hatte sie die Augen offen und schloss sie, als sie mich bemerkte. In den Wimpern hingen blaue Klümpchen, Fred oder einen Mann gab es nicht, dafür Geruch. Salz, Rauch und Glitzer. Ich habe das Fenster geöffnet; ein Glas Wasser neben das Bett. Aus ihrem Mundwinkel lief ein Speichelfaden, und in der Ecke des Zimmers war ein neuer, trockener Baum in einem schweren Topf, die braunen Blätter in Tropfenform. Die Hände hatte Mutter zwischen die Beine geklemmt, und die Haare lagen verknotet auf der Seite. Ich habe ihr die Haare geöffnet und die Decke bis zur Schulter hochgezogen.

      Ein schöner Baum, habe ich gesagt.

      Mutter atmete ruhig.

      Bruno hat mir von einem Baron Münchhausen erzählt. Er sagte, der Baron von Münchhausen bindet bei dichtem Schneetreiben sein Pferd an einen Pflock, der sich nach der Schneeschmelze als Kirchturmspitze erweist. Ich finde das komisch.

      Ich reibe Schaum in die Fransen des Teppichs. Bruno liegt in der Küche. Mutter schleicht herum. Ihr Bademantel öffnet sich beim Gehen, so sehe ich ihre Brüste und die weißen Flecken an ihrem Bauch, an den Oberschenkeln, am Schlüsselbein. Im Bad höre ich sie würgen.

      Draußen ist der Himmel gelb. Die Nachbarskinder spielen im Hof unter der Linde König und Königin. Die Wäsche riecht nach Waschmaschinenfrühling. Draußen irgendwo ist Peter. Peters Haar glänzend. Seine Haare sind dunkelbraun. Sehr dunkelbraun. Unglaublich dunkelbraun. Ganz ganz dunkelbraun.

      In einer Pause, als er vom Klo kam, als ich gesehen hatte, dass er zum Klo ging, und auf ihn wartete, ging ich wie zufällig ne­ben ihm her.

      Hallo, sagte ich.

      Er nickte mir zu.

      Meine Mutter sagt, am Feuer kann man am besten reden. Das Feuer ist das Symbol für die Ewigkeit, sagte ich.

      Peter sah mich von der Seite an, und ich sah geradeaus, weil, von der Seite betrachtet, ist mein Gesicht am feinsten.

      Und, sagte ich weiter, die Vorstellung, ewig Zeit zu haben, um über alles zu reden, das gibt dem Reden den nötigen Raum, die nötige Tiefe. Meine Mutter, sagte ich, weiß das.

      Peter sah mich nicht mehr an. Und?, fragte er.

      Na ja, sagte ich, wir könnten nächste Woche im Wald am Feuer reden.

      Ja, sagte er und rannte über den Platz zu seinen Freunden, die ihren Ball nach Tina warfen.

      Ich fand Bruno in einem Gebüsch sitzend, er beobachtete Ameisen, die tote Ameisen transportierten.

      Wenn es stark regnet, sagte er, und der Boden überflutet wird, dann bauen sie aus sich selber ein Floß.

      Schön ist das, sagte ich.

      Schön, sagte Bruno, ja.

      Lass das doch, flüstert Mutter, als sie aus dem Bad kommt, ihre muskulösen Arme gegen den Türrahmen stemmt. Lass das doch sein, sagt sie. Ich halte mir einen Arm vors Gesicht und denke, du stinkst.

      Du stinkst, sage ich leise.

      Mutter weint.

      Das ist doch alles eine große Scheiße, sagt sie, und ich nicke und reibe weiter den Schaum in die Fransen. Scheiße, sagt sie, und ich nicke.

      Das nasse Haar klebt ihr am Hals. Mutter hat eine Essensunverträglichkeit, deshalb hat sie weiße Flecken am Körper und im Gesicht. Der Arzt sagte, sie müsse sich einen strikten Speiseplan machen. Mit Dinkelmehl backen. Sie müsse im Reformhaus einkaufen.

      Jetzt habe ich mehr Geld bezahlt, als ich mir leisten konnte, um zu erfahren, dass ich es mir nicht leisten kann, diese Flecken verschwinden zu lassen oder zu verhindern, dass es mehr werden, hat Mutter gesagt. Irgendwann werde ich ganz weiß sein, hat sie gesagt. Dann sehe ich aus wie eine Adelige.

      Mutter geht über den Flur davon, geht in ihr Zimmer. Sie schläft, zwischendurch steht sie auf und übergibt sich oder schaut aus dem Fenster, legt sich zu Bruno auf den Küchenboden. Bruno und ich kochen Nudeln, und weil es keine Sau­ce mehr gibt, essen wir die Nudeln nackt.

      Mutter kommt in die Küche und sagt, sie gehe jetzt schlafen.

      Du hast bis eben gerade geschlafen, sagt Bruno, du bist nackt und draußen ist es dunkel und hier drinnen brennt das Licht und wir wohnen im ersten Stock.

      Das ist mir egal, und ich bin hundemüde, sagt sie.

      Sie schaut in den Nudeltopf, fasst hinein, nimmt eine Nudel, riecht an ihr, wirft sie zurück.

      Morgen ist es wieder gut, sagt sie, einmal ist ein guter Tag, dann wieder ein anderer.

      Hoffentlich, sage ich und frage, ob sie noch was braucht.

      Nein, nein, mein Tierchen, sagt Mutter, mir ist nur schrecklich langweilig bei meiner Arbeit, dieses Bewegen und Ange­sehenwerden dabei, dieses sinnlose Lächeln im Scheinwerferlicht und dann weitet sich diese Langeweile auf alles aus, und ich beginne zu denken, und wenn ich denke, dann werde ich müde.

      Was denkst du denn?

      Ich denke daran, was hätte sein können.

      Und was hätte sein können?, fragt Bruno.

      Fast alles, sagt Mutter.

      Das ist viel, sage ich.

      Ja, sagt Mutter, gerade darum werde ich so müde.

      Wir könnten ein Spiel spielen, sage ich.

      Wir könnten umziehen, sagt Bruno, wenn du willst.

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