Inspiration Schweiz. Группа авторов
seit 1899 eine Zahnradbahn hinauf. Alle paar Jahre mit Mitgliedern der Londoner Sherlock-Holmes-Gesellschaft, die in zeitgenössischer Kleidung das «Final Problem» nachspielen – wenn auch nicht ganz bis zum finalen Todessturz.
Martin Ebel
«Ewig war ich, ewig bin
ich dein»
Sechs Jahre hat Richard Wagner auf dem Grünen Hügel von Tribschen bei Luzern verbracht. Erstmals vereint mit seiner Cosima. Und mit Friedrich Nietzsche als Stammgast.
Der Titel mochte etwas umständlich sein: «Tribschener Idylle mit Fidi-Vogelgesang und Orange-Sonnenaufgang als Symphonischer Geburtstagsgruss» lautete er. Aber die Musik, die rührte Cosima Wagner unmittelbar zu Tränen, als sie an ihrem 33. Geburtstag davon geweckt wurde. Ein paar Zürcher Tonhalle-Musiker spielten das Stück, das später als «Siegfried-Idyll» bekannt wurde, auf der Treppe des Landhauses in Tribschen. Und tatsächlich, ein liebevolleres Werk hat Wagner kaum je komponiert: «Mit Ruhe» und «dolce» ist es zu spielen, als Anspielung auf den damals eineinhalbjährigen Sohn Siegfried alias Fidi sind Zitate aus dem «Siegfried» eingeflochten. Und Cosima dürfte auch die Melodie der Brünnhilde erkannt haben: «Ewig war ich, ewig bin ich dein.»
Wenige Monate davor, am 25. August 1870, hatte das Paar in Luzern geheiratet; eine turbulente Liebesgeschichte war damit amtlich besiegelt worden. Die beiden hatten sich verliebt, als die Liszt-Tochter Cosima noch mit dem Dirigenten und Wagner-Verehrer Hans von Bülow verheiratet war; die Scheidung beantragte sie erst, als die Töchter Isolde und Eva und Sohn Siegfried bereits geboren waren und sie mit Wagner in Tribschen lebte.
Das idyllische Landhaus auf dem auch heute noch grünen Hügel bei Luzern hatten sie zusammen während einer Schifffahrt im März 1866 entdeckt. Bereits im April zog Wagner ein, damals noch allein (Cosima folgte 1868). Die Miete von 5000 Franken jährlich bezahlte der Bayern-König Ludwig II., der Wagner schon seit Jahren verehrte und finanzierte und bald auch in Tribschen auftauchte. «An diesem jungen Könige hat die Kunstwelt einen trefflichen Theater-Direktor eingebüsst», lautete der spitze Kommentar im «Luzerner Tagblatt». Ludwig II. selbst scheint sich eher als Opernfigur gesehen zu haben, jedenfalls liess er sich bei Wagner als Walther von Stolzing anmelden, als den noblen Protagonisten der «Meistersinger von Nürnberg» also, die in jener Zeit entstanden.
Überhaupt waren es produktive Jahre für Wagner. Neben den «Meistersingern» schrieb er in Tribschen den dritten Akt des «Siegfried» und begann mit der «Götterdämmerung». Ausserdem überarbeitete er seine Hetzschrift über «Das Judentum in der Musik», die er neu unter seinem eigenen Namen herausbrachte (die erste Version war 1850 unter dem Pseudonym K. Freigedank erschienen).
Die grossen Wanderungen, auf denen er schon in den 1850er-Jahren die Innerschweiz kennen gelernt hatte, waren ihm inzwischen zu anstrengend; wenn schon, liess er sich mit seiner Gattin in einer Sänfte auf den Pilatus tragen. Aber die Landschaft um seinen «Lieblingsberg», die Rigi, fand zweifellos ein Echo in seiner Musik: etwa wenn in der Nornenszene der «Götterdämmerung» die Sonne den Nebel zerteilt. «Wo noch ein Grashalm wächst, ist die Möglichkeit für Goethe und Schiller da», zitiert ihn Cosima, «aber wo bloss Stein ist, da ist Ruhe, da ist der Platz für Götter.» Beim Blick in die Berge dürfte er sich seinem Opernpersonal durchaus nahe gefühlt haben.
Unten, in Tribschen selbst, hausten dagegen keine Götter, sondern neben der Familie Wagner eine Gouvernante, ein Kindermädchen und weiteres Personal; dazu ein Pferd, Hunde, Katzen, Fasane und zwei Pfauen namens Wotan und Fricka. Eine besondere Rolle scheint eine gewisse Vreneli Weidmann aus Embrach gespielt zu haben, die Wagner schon in Genf und München als Haushälterin geschätzt hatte: Jedenfalls, so bemerkten die Zeitgenossen, sollen ihre drei Kinder auffällig ihrem Brotherrn geglichen haben.
Man pflegte ein offenes Haus, Ludwig II. war bei weitem nicht der einzige illustre Gast. Da war auch noch ein junger Professor, der an der Universität Basel klassische Philologie lehrte. Sein Name: Friedrich Nietzsche. Richard Wagner war sein zweites Idol nach Arthur Schopenhauer, auch Cosima scheint er geschätzt zu haben – so sehr, dass er sich willig für allerlei Kommissionen einspannen liess. In Basel sollte er für Weihnachten Tüll mit Goldsternchen besorgen, in Dresden eine Silberampel, in Salzburg «einige Pfunde Caramels, dito Pâte d’Abricots, eine Schachtel Fruits Confits (keine in Gläsern mit Syrup sondern glacierte) und eine Tüte Orange Glacées», wie Cosima notierte.
Nietzsche wurde zum Stammgast in Tribschen, ein Zimmer im zweiten Stock wurde für ihn eingerichtet, und er verbrachte hier «Tage des Vertrauens, der Heiterkeit der sublimen Zufälle – der tiefen Augenblicke,» wie er 1888 in «Ecce Homo» in einer ziemlichen Verklärung der Vergangenheit schrieb. Damals war es längst zu jenem Bruch gekommen, den Cosima vorausgeahnt zu haben scheint: Nietzsche wehre sich gegen die «überwältigende Persönlichkeit R.s», notierte sie in ihrem Tagebuch, das sie in Tribschen zu führen begonnen hatte und das zu den wichtigsten Quellen der Wagner-Forschung gehört.
Cosima selbst, auch das zeigt dieses Tagebuch, gewann zunehmend die Kontrolle über diese «überwältigende Persönlichkeit». Wagner habe sich ihrem Regiment unterworfen, «das ihn zugleich unbarmherzig tadelte und kritiklos zum Abgott erhob»: So brachte der Wagner-Biograf Joachim Köhler das Verhältnis auf den Punkt. Das Glück, das im «Siegfried-Idyll» anklingt, dürfte zuweilen beengend gewesen sein – die säuberlich rapportierten Atembeschwerden und Brustkrämpfe des Komponisten lassen jedenfalls darauf schliessen.
Aber der gemeinsame Weg war eingeschlagen, man ging ihn weiter, in aller Konsequenz. 1872 führte er dann weg von Tribschen, weiter nach Bayreuth, wo Wagner auf einem anderen grünen Hügel sein Ziel erreichte.
Susanne Kübler
Das Schlimmste an der Schweiz sind die Engländer
1857 besuchte der russische Schriftsteller Leo Tolstoi die Schweiz. Die Berge liessen ihn kalt, aber in Luzern hatte er ein Erlebnis, das ihn zu einer Erzählung anregte.
Als Tolstoi Anfang April 1857 auf seiner ersten Auslandsreise von Paris her kommend mit dem Zug der Schweizer Grenze entgegenrollte, dankte er Gott, «Sodom» entkommen und am Leben zu sein. Zwei Tage zuvor hatte Tolstoi in Paris die Hinrichtung eines zweifachen Mörders mit angesehen. Das Bild des Mannes, der eine Bibel küsste, bevor ihm der «starke, weisse und gesunde Hals» von der Guillotine durchtrennt wurde, verfolgte Tolstoi in der Nacht darauf in seinen Träumen.
Wie können, fragte Tolstoi, sich die Menschen anmassen, «im Namen Gottes» Gerechtigkeit zu üben? «Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!», heisst es doch in der Bergpredigt. Für Tolstoi hatte dieses Bibelwort auch in der Kunst Gültigkeit: «Erzähle, gestalte, aber richte nicht», schrieb er am Tag nach seiner Ankunft in Genf in sein Notizheft. An diese Maxime wollte sich der 29-jährige Schriftsteller in Zukunft halten.
In der Schweiz wollte er, seinem Jugendidol Rousseau folgend, «zurück zur Natur». Mit einem «unschuldigen Knaben» wollte er durch die Berge wandern. Nachdem sich Tolstoi bei Verwandten in Genf und Clarens mit Schwefelbäderkuren und Lektüre von seinem Pariser Schock wieder etwas erholte hatte, war es so weit: Zusammen mit Sascha, einem elfjährigen Knaben aus dem Bekanntenkreis, brach Tolstoi zu seiner Bergtour auf. Zu Fuss, mit der Postkutsche und dem Schiff reisten die beiden von Montreux über den Col de Jaman ins Simmental, von Spiez nach Interlaken und Grindelwald. Die Reise verlief jedoch enttäuschend: Die Aussicht auf dem Col de Jaman liess Tolstoi «völlig kalt», und es gelang ihm nicht, sich «als Teil des unendlichen und schönen Ganzen» zu fühlen. Daher kam er zum Schluss, dass die grossartigen Gebirgspanoramen letztlich nur etwas für die englischen Touristen seien, die nach ihrer Rückkehr von der Schönheit der Bergwelt schwärmen wollten.
Im Juli reiste Tolstoi über Bern nach Luzern, wo er