Fachdidaktik Italienisch. Christine Michler
die Schülerinnen und Schüler dazu, unter freier Wahl der Methoden und Materialien eine Aufgabe autonom zu bewältigen. Die Lehrkraft beschränkt sich während der Arbeitsphase auf die Rolle des Beobachters, Beraters und Ansprechpartners bei Fragen. Damit die Schülerinnen und Schüler die Arbeit ernst nehmen, muss jede Gruppe am Ende der vorgegebenen Arbeitszeit ihr Ergebnis präsentieren und der Diskussion aussetzen können.
Folgende Ausformungen von Einzel-, Partner- und Gruppenarbeitsphasen sind denkbar:
Freiarbeit FreiarbeitFreiarbeit begünstigt als Einzelarbeit die Individualisierung des Lernens und binnendifferenzierende Maßnahmen (vgl. Einheit 13). Die Lernenden erhalten von der Lehrkraft Angebote an Unterlagen für die individuelle Wiederholung bzw. Erarbeitung eines Stoffgebietes und müssen selbständig das Gebiet auswählen, zu dem sie besonderen Übungsbedarf haben. Freiarbeit setzt also einen Lernenden voraus, der sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst ist und seine Sprachkompetenz verbessern möchte. Da in den Materialien Lösungen zur Eigenkontrolle vorhanden sein müssen, ist zudem die Disziplin notwendig, die Lösungen erst nach der Erledigung der Übung oder Aufgabe einzusehen.
Projektarbeit Eine vertiefte Verarbeitung des Stoffes und eine hohe Behaltenseffizienz verspricht die themenzentrierte, offene Unterrichtsform der ProjektarbeitProjektarbeit, die sich normalerweise über einen längeren Zeitraum – meist mehrere Unterrichtsstunden – in Form von Gruppenarbeit erstreckt. Sie fordert Handlungs- und Prozessorientierung und stärkt die Selbstverantwortung der Lernenden, v.a. wenn diese ausdrücklich in die Vorbereitung einbezogen werden, um so ihre Interessen einzubringen. Das Potenzial des Verfahrens liegt in der Verbesserung der Recherchekompetenz, der möglichen Berücksichtigung unterschiedlicher Lernertypen, in motivationsfördernden Aufgaben auf der Basis vornehmlich authentischen Textmaterials und im Gebrauch der Fremdsprache als Arbeitssprache. Soziales Lernen und die Entwicklung der Fähigkeit, Ergebnisse komprimiert und anschaulich zu präsentieren, sind zusätzliche bedeutende Bausteine für die nachschulische Lebenswelt der Jugendlichen.
Am Beginn der Projektarbeit stehen Planung und Themenfindung. Überlegungen zum bereits vorhandenen Wissen und zu weiteren benötigten Informationen folgen. Danach erstellen die Schülerinnen und Schüler, meist in Kooperation mit der Lehrkraft, einen Projektentwurf und beraten über die erforderliche Zeit sowie die notwendigen Materialien. Das Produkt wird dann in Gruppen erarbeitet und nach Fertigstellung vor der ganzen Klasse, eventuell auch der Schulgemeinschaft präsentiert. Abschließend wird der Arbeitsprozess reflektiert (z.B. in Bezug auf die erreichten Ziele, auf Art und Umfang der Kooperation in der Gruppe, auf den Bedarf an Nachbesserungen).
Unterrichtspraktisch ergeben sich Probleme aus den vielfach nur 45 Minuten dauernden Schulstunden, die für das Fach Italienisch vorgesehen sind. Die normalerweise längere Dauer von Projektarbeitsphasen ist damit nur schwer in Einklang zu bringen. Außerdem sehen einige Lehrkräfte Schwierigkeiten beim konsequenten Abarbeiten des von Lehrplan und Lehrwerken vorgegebenen Stoffes durch die Projektarbeit.
Stationenlernen, Lernzirkel Beim StationenlernenStationenlernen, auch LernzirkelLernzirkel genannt, bereitet die Lehrkraft unterschiedliche Arbeitsaufträge zu einem übergeordneten Thema vor (z.B. zu Il Risorgimento: situazione in Italia prima del Risorgimento, tappe storiche, personaggi importanti, effetti, il Risorgimento nella letteratura usw.). Die Arbeitsblätter und benötigten Materialen zu den einzelnen Lernstationen (z.B. CD-Spieler, Folien, Folienstifte, Wörterbücher, Textgrundlagen in Kopien) stehen auf einer ‚Lerntheke‘ im Klassenraum zur Verfügung. Die Aufgabenblätter müssen von den Lernenden allein oder in Kleingruppen bearbeitet werden, und zwar gemäß einer auf einem Laufzettel festgelegten Reihenfolge, die sicherstellt, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler gleichzeitig an einer Station tätig sind. Daraus folgt, dass die Konzeption der Arbeitsaufträge eine variierende Abfolge ermöglichen muss. Wie die Projektarbeit auch, entspricht das Verfahren Grundsätzen des modernen Fremdsprachenunterrichts, denn es ist handlungsorientiert und erlaubt je nach Aufgabenstellung und verfügbarem Material einen ganzheitlichen Zugang zum Thema über verschiedene Sinneskanäle (Gehör, Geschmack, Tastsinn usw.).
Weitere offene, schülerzentrierte Unterrichtsformen sind z.B. (vgl. Klink / Schattschneider 2007):
Ein-Minuten-VortragDer Ein-Minuten-VortragEin-Minuten-Vortrag, bei dem zu einem vorbereiteten Thema ein Kurzvortrag in einer Minute gehalten wird. Begonnen wird mit dem Vorstellen des Themas und des Ablaufs des Vortrags. Es folgen die Darlegung der Teilaspekte und als Abschluss ein knappes Fazit. Der freie oder stichwortgestützte Vortrag muss in zuhörerfreundlicher Form präsentiert werden.
ExpertenpuzzleDas sog. ExpertenpuzzleExpertenpuzzle, eine Sonderform der Gruppenarbeit, ist in drei Phasen konzipiert. In Phase eins bearbeiten Gruppen mit jeweils gleich vielen Mitgliedern einen Text zu einem Thema. In Phase zwei formieren sich die Gruppen neu. Ein Mitglied aus den Gruppen der ersten Phase erklärt den neu hinzugekommenen Gruppenmitgliedern den Text, der in der ersten Phase bearbeitet wurde. In Phase drei werden die Informationen im Plenum verarbeitet.
RollendiskussionAuch die RollendiskussionRollendiskussion / TalkshowTalkshow, bei der ein kontroverses Thema in einer Runde diskutiert wird, ist als Gruppenarbeit angelegt. Nachdem festgelegt wurde, welche Standpunkte in der Diskussion verteidigt werden sollen und welchen Personentypen sie zugeordnet werden, werden die Mitglieder der Lerngruppe ausgewählt, die sie verkörpern sollen. Jede an der Diskussion beteiligte Person macht sich stichwortartige Notizen zur Rollenfüllung. Ein Gruppenmitglied übernimmt die Rolle des Moderators. Die Talkshow wird in Kleingruppen geübt, im Plenum präsentiert und abschließend evaluiert.
FeatureDas FeatureFeature basiert ebenfalls auf der Gruppenarbeit. Mündliche Beiträge zu einem Thema in Form verschiedener Textsorten (z.B. Faktenlage, Hintergrunderläuterung, Kommentar) werden verfasst, so dass das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt wird. Das Feature wird auf einem Tonträger aufgenommen, so dass die Lerngruppe abschließend über ein fertiges Produkt verfügt.
4.4 | Alternative Unterrichtsformen
Hauptsächlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden mehrheitlich auf (lern-)psychologischen Erkenntnissen basierend alternative Unterrichtsformenalternative Unterrichtsformen, die zum Ziel haben, die Lehrerzentrierung des Unterrichts aufzubrechen. Inwieweit sie in die Unterrichtsgestaltung einfließen, hängt von ihrer Eignung für den jeweiligen Unterrichtsstoff und insbesondere von der Bereitschaft der Lehrkraft ab, sie anzuwenden.
Suggestopädie Neurophysiologische Erkenntnisse sind Ausgangspunkt für das von dem bulgarischen Psychologen Georgi Lozanov in den 1960er Jahren entwickelte Verfahren der SuggestopädieSuggestopädie. Das Einbeziehen von Hören, Gestik und Mimik, von Entspannungsphasen, die von Musik begleitet werden, und eine möglichst ansprechende Lernumgebung sollen ein schnelleres, erfolgreiches Lernen fördern.
Eine suggestopädische Lerneinheit folgt einem gleichbleibenden Schema: Nach der Einführung in das neue Thema und der Darbietung der neuen Vokabeln und des (Lektions-)Textes mit Übersetzung in die Muttersprache beginnt das sog. aktive LernkonzertLernkonzert. Die Lehrkraft rezitiert den fremdsprachlichen neuen Text passend zu Rhythmus und Lautstärke der im Hintergrund abgespielten klassischen Musik (befürwortet werden für den ersten Durchgang Mozart oder Beethoven). Die Schülerinnen und Schüler lesen mit. Während des anschließenden passiven Lernkonzerts – der Lehrer liest den Text, diesmal vorzugsweise von Barockmusik untermalt, noch einmal vor – hören die Schülerinnen und Schüler mit geschlossenen Augen zu. Durch das Mitlesen und die Musik werden beide Gehirnhälften aktiviert, was zu einer Erhöhung des Lerneffekts führt (vgl. Baur 1990; Schiffler 2012).
Simulation In den 1970er Jahren entwickelten Francis Debyser und Jean-Marc Caré das handlungsorientierte Unterrichtskonzept der simulation globalesimulation globale(Caré / Debyser 1995). Es verlangt von den Lernenden Kreativität, denn sie sollen für einen vorgegebenen Rahmen (z.B. ein Wohnhaus; vgl. Debyser 1996) in der Fremdsprache Szenarien für dessen Ausstattung, für Personen, deren Beziehungen und Handlungen entwerfen und in Rollenspielen umsetzen. Die Lehrkraft agiert als eine Art Regisseur, der Erklärungen zu Grammatik und Vokabular sowie strukturierende Impulse gibt.
Eine ähnliche Richtung schlägt Bernard Dufeu mit