Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur. Manuel Caballero González

Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur - Manuel Caballero González


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432–473 Juno in der Unterwelt (41½) IV 473–511 Tisiphone (38½) IV 512–562 Athamas und Ino (51) VI 489–502 Athamas und Ino (14) 512–519 Athamas und Learchos (7½) 489–490 Athamas und Learchos (2) 519–542 Ino und Melikertes (23½) 491–502 Ino und Melikertes (12) 543–562 Die comites der Ino (20)

      Offensichtlich sollten auf Grund der in jeder Abteilung verwendeten Verse Junos Zorn, Athamas’ Wahnsinn und Inos Sprung in den Fasten als „Vorspiel (22 Verse) zu einer ausführlichen Erörterung der Situation im römischen Kult (48 Verse)“94 angesehen werden. In den Metamorphosen aber hat die Darstellung dieser Ereignisse einen epischen Ton. Auffällig ist, dass Ovid mehr als die Häfte der Geschichte (80 Verse von 147, wenn man die Szene der sidonischen Frauen mit eingeschließt) für Junos Reise in die Unterwelt und Tisiphones Angriff aufwendet. Wenn zu dieser Überlegung von Bömer auch die 20 Verse des in diesem Buch genannten ‚Anhangs‘ hinzugefügt werden (nämlich die Bestrafung der sidonischen Gefährtinnen von Ino), ergibt sich, dass mehr als 2/3 der ganzen Gechichte zu Szenen gehören, die sich nicht in der Tradition des Mythos befinden. Bömer meint abschließend, „diese neuen Szenen hier einzufügen war höchstwahrscheinlich Ovids eigene Konzeption“95.

      Beide Texte haben unterschiedliche Ziele, weswegen sie sich auf unterschiedliche Aspekte konzentrieren: In den Metamorphosen werden Athamas’ Wahnsinn und Inos und Melikertes’ Divinisierung erzählt; in den Fasten aber soll der Kult zu Ehren von Mater Matuta in ihrem römischen Tempel im Forum Boarium berichtet werden, weswegen alles, was hier ‚I-L-M-Version‘ genannt wird, nur ein Prolog des echten Interesses von Ovid ist, nämlich die AbenteuerAbenteuer von Ino und Melikertes nach ihrem Sprung zu erzählen und noch konkreter ihre Erlebnisse in dem Gebiet, das eines Tages RomRom heißen wird.

      Bemerkenswert ist es nun, die großen Unterschiede in der Zusammenfassung beider Textstellen zu beachten. In den Metamorphosen prahlt Ino mit ihrer Beziehung zu Bacchus und zu ihren Schwestern96; in den Fasten begründet Ovid selbst die gute Tat von Ino, nämlich die, auf ihren Neffen aufzupassen, nachdem ihre Schwester SemeleSemele verbrannt starb (demütiges Bild von Ino). In den Metamorphosen beklagt sich Juno aus vollem Hals97 über verschiedene Beleidigungen und sie betont Athamas’ Stolz und Inos Schmach; in den Fasten, in denen bis zur Ankunft von Ino und Melikertes in Italien keine Unterhaltung mit genauen Worten stattfindet – das heißt, dass man sich schon außerhalb der üblichen I-L-M-Version befindet –, bietet man nur ein Motiv für Junos Zorn an: Bacchus’ Erziehung (positives Bild von Ino). In den Metamorphosen schickt Tisiphone Athamas und Ino den Wahnsinn; in den Fasten ergreift der Irrsinn Athamas, aber man sagt nicht explizit – alles weist auf Juno hin –, wer ihn geschickt hat. In den Metamorphosen beschreibt Ovid ausführlich und auf grausame Art Learchos’ Tod; in den Fasten wird er kaum angedeutet. In den Metamorphosen lässt Ino Learchos unbestattet; in den Fasten begräbt Ino die Leiche ihres ältesten Sohnes (frommes Bild von Ino). In den Metamorphosen bittet VenusVenus Neptun, dass er ihre Nichte und ihren Urenkel zu Seegöttern macht, und Neptun gewährt ihr die Bitte; in den Fasten bittet kein Gott für Ino und Melikertes. Panopes (kleine Gottheit) Eingriff ist nur sehr kurz. In den Metamorphosen besteht man auf Grausamkeit und auf Tod; in den Fasten werden alle blutrünstigen Merkmale vermieden.

      Letztendlich schließt Bömer (treffend m.W.): „So besteht kein Gegensatz zwischen den Met. und den Fasten, die Divergenzen gehen nicht auf verschiedene Versionen zurück, sondern auf die unterschiedliche Form und Intention der beiden Darstellungen“98. In den Metamorphosen will Ovid ja Junos Grausamkeit schildern, in den Fasten aber will er nur auf die am Anfang der Geschichte gestellten Fragen antworten.

      I.3 Ibis

      I.3.1 IbOvidIb. 277–278. 277–278

      Diese Textstelle deutet auf die wunderbare, von Ino-Leukothea geleistete Hilfe in OdHomerOd. V 333–353. V 333–353 hin. Ino wird als Semeles Schwester dargestellt, womit es sehr wahrscheinlich ist, dass Ovid dem gebildeten Leser einen Hinweis auf das Motiv der Divinisierung Inos gibt, nämlich den, dass sie Dionysos’ AmmeAmme war.

      Ganz anders verstehen die Scholien (Schol. in Ou. Ib. 277 La PennaScholia zu OvidSchol. in Ou. Ib. 277 La Penna) diesen Text, die übrigens zwei interessante Angaben anbieten. Die erste auffällige Angabe ist die Begründung der von Ino geleisteten Hilfe an Ulixes, ein Grund, der mit Porphyrios und Eustathios nicht übereinstimmt: Ulixes war ein Verwandter von Ino. Die Verbindung dieser Verwandschaft ändert sich je nach Handschrift. In P[EC] ist Ulixes ein direkter Verwandter von Ino; wie sie verwandt sind, wird nicht gesagt. In den anderen Fällen wird Ulixes Athamas’ Familie zugeordnet. In B(a*) wird nicht gesagt, in welchem Verwandtschaftsverhältnis sie stehen; in G und in Z ist er ein Neffe Athamas‘. Im ersten Fall wird er als Sisyphos’ Sohn bezeichnet; im zweiten als Sohn von Laërtes, der als Aiolos’ Sohn und Athamas’ Bruder angesehen wird, eine Angabe, die von keinem anderen Beleg weder in der griechischen noch in der lateinischen Literatur bestätigt wird. In C(FD*) wird Ulixes zum Sohn der Nichte von Athamas, obwohl der Scholiast davon berichtet, dass viele glauben, er sei Sisyphos’ Sohn, wie es auch in G zu lesen ist. Auf jeden Fall eilte Ino Ulixes zu Hilfe, weil sie beide irgendwie verwandt waren.

      Die zweite wichtige Angabe dieser Scholien ist die Erwähnung des zweiten Schlüsselpunkts der I-L-M-Version, nämlich Inos Sprung. In der Spur von Frg. 275 SHKallimachosFrg. 275 SH von Kallimachos und von Frg. 12 BlänsdorfLaeviusFrg. 12 Blänsdorf von Laevius wird in diesen Versen beteuert, dass Ino im Wahnsinn gesprungen ist. Nichts wird über Athamas’ Verfolgung berichtet. Darüber hinaus will der Scholiast m.E. ausdrücken, dass Inos Zustand allein ihren Sprung berechtigt, und eine Verfolgung durch ihren Mann als Begründung nicht notwendig ist.

      I.3.2 Ib.OvidIb. 493–498 493–498

      In diesem Exilwerk greift Ovid einen alten Freund an, dessen Name nicht erwähnt wird, weil er beabsichtigt, sich der Güter Ovids zu bemächtigen. In Buch Ibis ist eigentlich nur Ino bedeutsam. In dieser konkreten Textstelle wird eine Liste von mythologischen Figuren1, die sich in den Abgrund stürzen und aufgrund ihrer Leiden zu prototypischen Beispielen geworden sind, dargestellt.

      Ovid bezieht sich auf die I-L-M-Version. Er verbindet Inos Schicksal – hier wird ihr berühmter Sprung angedeutet2 – mit der Erziehung des Bacchuskindes. Da der Text so kurz ist, kann der Dichter diesbezüglich keine bedeutenden Angaben unterbringen. Das Schol. in Ou. Ib. 497 La PennaScholia zu OvidSchol. in Ou. Ib. 497 La Penna bietet aber einen interessanten Hinweis: Ino wurde wahnsinnig, weswegen sie sich ins Meer warf. Nichts wird über das Motiv dieses Wahnsinns gesagt, nicht einmal, ob er von Juno geschickt wurde. Es gibt auch keinen Beleg für Athamas.

      I.4 Liebeskunst

      I.4.1 AA. III 173–176OvidAA. III 173–176

      Diese Textstelle liefert eine merkwürdige Angabe – die Farbe des Widders.

      Ovid verbindet sich in diesem Text, der natürlich die I-P-H-Version präsentiert, mit den griechischen Dichtern der Archaischen Epoche (Simonides, Akusilaos), die über die Farbe des Widders sprachen und sie entweder als weiß oder als


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