Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb. Группа авторов
als auch mit syntaktischen Regeln aus derselben Sprache verbunden sind und zum anderen bedeutet es, dass phonologische Regeln mit artikulatorischen Elementen aus dieser Sprache verknüpft sind. Diese Verbindungen werden so hergestellt, wie sich auch Verbindungen zwischen Elementen auf der Ebene der Lemmata entwickeln. Dies soll im Folgenden anhand von zwei Wortnetzen veranschaulicht werden. Das erste ist einsprachig (deutsch) und bildet die Verbindungen zwischen dem Lemma Krankenhaus und anderen Lemmata ab:
Abbildung 1.1:
Einsprachiges Netzwerk
Hierbei handelt es sich um ein sehr kleines Netzwerk, in dem die Aktivierung von Krankenhaus zur Aktivierung von Krankenschwester beziehungsweise Krankenpfleger und nachfolgend Arzt beziehungsweise Ärztin und Untersuchung führt. Eine weitere Verbindung existiert zwischen Krankenhaus und Bett, da die Assoziation zu einer stationären Aufnahme stark ist und dies wiederum eine Übernachtung voraussetzt. Es könnte auch eine aktivierende Verbindung zwischen Arzt und Bett bestehen, was aber nicht notwendigerweise sein muss, da dies von persönlichen Erfahrungen abhängt: Es ist möglich, dass für den Einzelnen der Besuch eines Arztes oder einer Ärztin nicht direkt dazu führt, dass er in einem Bett liegt.
Bei Abbildung 1.2 handelt es sich hingegen um ein etwas komplexeres Netzwerk mit Wörtern aus zwei Sprachen, nämlich Niederländisch und Englisch, deren Wörter Verbindungen aufweisen. Beachten Sie, dass es eine Verbindung zwischen den beiden Wörtern school gibt, die in den beiden Sprachen Kognaten (siehe Lerneinheit 4.2 im Band »Sprachenlernen und Kognition«) sind. Beachten Sie auch, dass teacher das Wort blackboard aktivieren kann, aber blackboard nicht unbedingt teacher aktiviert. Das bedeutet, dass zwischen Wörtern aus derselben Sprache Verbindungen entstehen, weil sie häufig zusammen verwendet werden, ebenso existieren Knotenpunkte zwischen Wörtern, die sich in den beiden Sprachen ähneln. Kulturspezifische Wörter wie zum Beispiel juf, was ursprünglich unverheiratete junge Frauen bezeichnete und in den Niederlanden heutzutage noch für Vorschullehrkräfte benutzt wird, finden zum englischsprachigen Netzwerk keine Verbindung. Das ist auf die unterschiedlichen Bildungskontexte zurückzuführen, die in den jeweiligen Ländern als Schule betrachtet werden. Eine detaillierte Beschreibung der Funktionsweise des multilingualen mentalen Lexikons finden Sie in Kapitel 4 im Band »Sprachenlernen und Kognition«.
Abbildung 1.2:
Mehrsprachiges Netzwerk
Wenn ein Subset im Wortschatz im Rahmen einer Gesprächssituation aktiviert wird, dann kann eine bestimmte Sprache aktiviert werden, aber auch ein Dialekt, ein Sprachregister, oder ein Sprachstil. Diese Subsets können sowohl top-down aktiviert werden (wenn ein Sprecher oder eine Sprecherin eine Sprache für eine Äußerung auswählt) als auch bottom-up (wenn die Sprache, die in der Umgebung verwendet wird, ein spezielles Subset triggert und aktiviert) (vergleiche de Bot 2004). Das Triggern erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen: Laute, Wörter, Konstruktionen, aber vermutlich auch Gesten können ein Subset aktivieren. Interessant zu beantworten wäre an dieser Stelle die Frage, in welchem Maße es in gewöhnlichen Konversationen eine bewusste Entscheidung ist, dass ein spezielles Subset verwendet wird. Die Forschung zu AkkomodationsphänomenenAkkomodationsphänomene (Street & Giles 1982) zeigt, dass Gesprächspartner und -partnerinnen ihre Sprechstile einander anpassen, allerdings erfolgt dies größtenteils unbewusst. Dasselbe kann auch in mehrsprachigen Situationen geschehen, in denen viele unterschiedliche Faktoren bestimmen können, welcher der am besten geeignete Sprechstil ist.
1.1.6 Vom statischen zum dynamischen Modell von Mehrsprachigkeit
Mehrsprachigkeit setzt den Gebrauch und somit die Beherrschung mehrerer Sprachen voraus. Aktuelle Erkenntnisse psycholinguistischer Forschung zur Mehrsprachigkeit weisen darauf hin, dass die folgenden Annahmen, die zum Beispiel im Rahmen strukturalistischer oder nativistischer Ansätze zur Beschreibung von Sprachkompetenz vertreten werden, nicht haltbar sind. Im Folgenden werden die überholten Annahmen wiedergegeben und im Anschluss kritisch reflektiert.
1 Sprachverarbeitung erfolgt modular: Sie wird von einer Anzahl kognitiver Module durchgeführt, die über eine eigene spezifische Ein- und Ausgabe (Input und Output) verfügen, die mehr oder weniger eigenständig funktioniert.
2 Sprachverarbeitung erfolgt inkrementell und es gibt kein internes FeedbackFeedback oder FeedforwardFeedforward.
3 Isolierte Elemente (Phoneme, Wörter, Sätze) werden erlernt, indem die übergreifende Linguistik und der soziale Kontext (ihr Kommunikationskontext) nicht berücksichtigt werden.
4 Die standardmäßige Sprechsituation ist der Monolog anstelle der Interaktion.
5 Die Sprachverarbeitung umfasst die Verarbeitung von unveränderlichen, statischen und abstrakten Repräsentationen.
Wegen dieser zugrundeliegenden Annahmen wurden bislang isolierte Elemente (Phoneme, Wörter, Sätze) untersucht, ohne dass der übergreifende linguistische und soziale Kontext berücksichtigt wird, dessen sie Bestandteil sind. Außerdem lag der Schwerpunkt auf Monologen anstelle von Interaktionen als standardmäßige Sprechsituation. Die Modelle sind daneben statisch und in einem stabilen Zustand, in denen Veränderungen im Laufe der Zeit keine Rolle spielen.
In den letzten Jahren haben sich jedoch neue Perspektiven auf die Kognition entwickelt, die zu einer anderen Sichtweise führten. Die wichtigste Entwicklung ist die Herausbildung einer dynamischen Perspektive auf die Kognition im Allgemeinen und auf die Sprachverarbeitung im Speziellen. Der wichtigste Grundsatz dabei lautet, dass jedes beliebige komplexe System (wie das mehrsprachige Gehirn) kontinuierlich mit seiner Umgebung interagiert und sich mit der Zeit kontinuierlich verändert. Dies führt mit sich, dass strukturalistische oder nativistische Betrachtungen von Sprachenerwerb nicht mehr haltbar sind. Van Gelder und Port beschreiben, wie sich eine dynamische Perspektive auf die Kognition von einer traditionelleren Sichtweise unterscheidet und abgrenzt:
The cognitive system is not a discrete sequential manipulator of static representational structures: rather, it is a structure of mutually and simultaneously influencing change. Its processes do not take place in the arbitrary, discrete time of computer steps: rather, they unfold in the real time of ongoing change in the environment, the body, and the nervous system. The cognitive system does not interact with other aspects of the world by passing messages and commands: rather, it continuously coevolves with them. (van Gelder & Port 1995: 3)
Zur Annahme der Stabilität von Repräsentationen in traditionellen Modellen, wurde bislang kaum geforscht. De Bot und Lowie (2010) berichten von einem Experiment, in dem eine einfache Benennungsaufgabe für hochfrequente Wörter gestellt wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass es sehr selten Übereinstimmungen zwischen den unterschiedlichen Sitzungen mit demselben Probanden beziehungsweise derselben Probandin und zwischen weiteren Probanden und Probandinnen gab. Anders ausgedrückt: Auf ein Wort, auf das in einer Sitzung schnell reagiert wurde, konnte in einer anderen Sitzung oder von einem anderen Probanden beziehungsweise einer anderen Probandin langsam reagiert werden. Das deutet auf eine Variation hin, die im Wortschatz vorgegeben ist und die aus der Interaktion und der Umstrukturierung von Elementen in Netzwerken resultiert. Elman (1995: 207) formuliert dies wie folgt:
We might choose to think of the internal state that the network is in when it processes a word as representing that word (in context), but it is more accurate to think of that state as the result of processing the word rather than as a representation of the word itself.
Zusätzliche Belege für die Veränderlichkeit von Wörtern und ihrer Bedeutung stammen aus einer Ereigniskorrelierten-Hirnpotenziale-Studie von Nieuwland und Van Berkum (2006) (vergleiche Lerneinheit 1.3 im Band »Sprachenlernen und Kognition«), die Daten für Sätze wie Die Erdnuss war verliebt mit Die Erdnuss war salzig verglichen. Diese Art der Abweichung führt normalerweise zu N400-Reaktionen, die, vereinfacht gesagt, beschreiben, wie leicht eine Information verarbeitet wird. Kommt es zu Komplikationen bei der Verarbeitung, beispielsweise aufgrund semantisch