Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule. Doris Kocher
removed, some teachers did not know what to put in their place (Ebd., xiv).
Laut Harkness (1997) basierte das Primary Memorandum ’65 (Primary Education in Scotland) zwar auf guten Prinzipien, war aber als praktischer Leitfaden zu abstrakt und daher für viele Lehrkräfte eher unbrauchbar: “By definition environmental studies could not be a subject, since it was made up of subjects. It had to be a way of teaching, in other words a methodology. Teachers needed help in re-structuring their curriculum planning. Process was beginning to be emphasised as well as content“ (Bell 1995a, 6). Um die curriculare Neuorientierung in die Praxis umsetzen zu können, wurde 1967 am damaligen Jordanhill College of Education in Glasgow (jetzt Teil der Strathclyde University) ein Inservice Staff Tutor Team gegründet, zu dessen drei Mitgliedern Sallie Harkness, Fred Rendell sowie Steve Bell zählten, über den auch der Kontakt mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg in den 1980er Jahren geknüpft wurde. Diese Arbeitsgruppe wurde von der Lehrtätigkeit in der Lehrerausbildung (preservice) befreit und hatte nun die kreative und herausfordernde Aufgabe, in Kooperation mit Lehrerinnen und Lehrern (inservice) die neuen Richtlinien für den muttersprachlichen Grundschulunterricht zu konkretisieren, nämlich im Bereich der Environmental Studies eine ganzheitliche und fächerübergreifende Lehr-/Lernmethode, die aktives, entdeckendes, gruppenorientiertes und differenzierendes Lernen zum Ziel hatte, zu entwickeln. Diese wurde in Schottland zunächst als Staff Tutor Topic Approach oder Topic Work bezeichnet und erst Jahre später im Rahmen der European Association for Educational Design (EED) auf internationaler Ebene unter dem Namen Storyline Approach bekannt gemacht.2
Viele Lehrkräfte und Mitglieder der Schulverwaltung wirkten über Jahre hinweg kooperativ und kollaborativ an der Entwicklung und Realisierung des Topic Work-Konzepts mit. Zahlreiche Themen und Unterrichtsentwürfe wurden in gemeinsamen dreitägigen Workshops, die ab circa 1970 regelmäßig stattfanden, entwickelt, danach im Sinne von learning by doing ausprobiert und innerhalb der Gruppen ausgetauscht, was wiederum demonstriert, wie flexibel der Ansatz für alle Altersklassen und Zielsetzungen genutzt werden kann. Darüber hinaus wurden die Lehrerinnen und Lehrer von Mitgliedern des Staff Tutor Team im Unterricht besucht, betreut und beraten. Harkness (1997) hebt hervor, dass damals vor allem die Arbeit mit buchbasierten Themen beliebt war, da die Lehrkräfte darin Sicherheit verspürten.
Im Laufe der Zeit wechselten ehemalige Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer in die Schulleitung, stellten den Topic Approach im Rahmen von Fortbildungen an ihren Schulen vor und sorgten somit für Kontinuität und Weiterentwicklung des Modells. Viele Schulen wurden auf diese Weise zu so genannten “Storyline schools“ (Bell 2007, 30). Theoretische Ansätze blieben jedoch während der ganzen Entwicklungsphase eher im Hintergrund, denn es handelte sich eindeutig um ein Konzept aus der Praxis für die Praxis, welches gemeinsam mit praktizierenden Lehrkräften entwickelt und mit deren Unterstützung verbreitet wurde. Das Motto lautete also vielmehr: “Practice, reflection, theory“ (Ebd., 28).
2.2.3 Verbreitung und Weiterentwicklungen
In den 1980er Jahren wurde das Storyline-Konzept regelrecht populär. Interessierte aus dem Ausland begannen in zunehmender Zahl nach Glasgow zu pilgern, um zu sehen und vor allem zu erleben, wie Storyline in den schottischen Schulen umgesetzt wird. Gleichzeitig wurden Mitglieder des Staff Tutor Team ins Ausland eingeladen, um Kurse und Fortbildungen durchzuführen. Auf diese Weise fanden sich immer mehr Personen, auch aus der Schulverwaltung und Schulaufsicht, die Interesse an dem Konzept zeigten.
1986 fand in Island ein erstes Treffen mit internationalen Repräsentanten, die sich mit Storyline bereits intensiv auseinandergesetzt hatten, statt. Dort beschlossen Steve Bell, Gudmundur Kristmundsson und Jos Letschert, sich in regelmäßigen Abständen zu treffen, um den Storyline Approach gemeinsam zu fördern und sich bei dieser Gelegenheit auch über die internationale Bildungslandschaft auszutauschen. In diesem Zusammenhang wurde als Gesprächsforum die Gesellschaft European Association for Educational Design (EED) gegründet.
1988 fand im National Institute for Curriculum Development (SLO) in Enschede, Niederlande unter der Schirmherrschaft von Steve Bell die erste Konferenz der EED (1st Golden Circle Seminar) statt (Harkness/Håkonsson 2001), deren internationale Mitglieder mittlerweile aus den verschiedensten Bereichen der pädagogischen Arbeit kommen: aus Ministerien, Lehrplanentwicklungskommissionen, Hochschulen, Fortbildungseinrichtungen, Schulen, Kindergärten, Verlagen, Managementkreisen, Umwelt- und Hilfsorganisationen sowie zahlreichen weiteren Institutionen. Sie alle haben sich zum Ziel gesetzt, den Storyline Approach in ihren jeweiligen Arbeitskontexten weiterzuentwickeln und zu verbreiten: durch Unterrichtsprojekte, Fortbildungen, Seminare, Publikationen, Vorträge, Gastdozenturen, Forschungsprojekte oder Diskussionen in diversen Foren und Gremien.
Im Abstand von etwa 1 ½ Jahren trifft sich die internationale Gruppe, der ich seit 1994 ebenfalls angehöre, im Rahmen des Golden Circle Seminar an wechselnden Tagungsorten, um sich über die aktuelle Arbeit auszutauschen und neue Entwicklungsimpulse zu setzen. Mittlerweile konnten auch mehrere internationale Konferenzen, die International Storyline Conferences, durchgeführt werden: in Aalborg (2000), Helsingør, Dänemark (2003), Glasgow (2006), Portland, Oregon (2009), Reykjavik (2012) sowie Glasgow (2015). In einigen Ländern wurden mittlerweile so genannte Silver Circles gegründet, die sich zum Austausch und zur Kooperation auf Länderebene treffen. Im Frühjahr 2005 wurde in Tønsberg, Norwegen die von der Vestfold Universität organisierte erste Nordic Storyline Conference durchgeführt, auf der sich circa 150-180 Vertreterinnen und Vertreter aus den skandinavischen Ländern trafen. Im April 2008 fand die zweite Nordic Storyline Conference in Göteborg, Schweden statt. Dort wurde zum ersten Mal eine Storyline Conference zu einem spezifischen Rahmenthema (Learning for sustainable development) veranstaltet, was viele interessante Gespräche auslöste.
Insbesondere Steve Bell und Sallie Harkness ist es durch ihren unermüdlichen Einsatz zu verdanken, dass Storyline heute in zahlreichen Ländern praktiziert wird, dabei jedoch nie als strenges Rezept befolgt, sondern immer den lokalen Gegebenheiten und individuellen Zielsetzungen angepasst wird. In all den Jahren ist ein eng gespanntes Netzwerk aus persönlichen Kontakten entstanden und somit ein idealer Nährboden, um Storyline weiter zu verbreiten. Bell beschreibt diesen Entwicklungsprozess in einem Interview mit mir wie folgt: “First Storyline was adopted in the mother tongue, then it was adapted to special needs“ (Kocher 1997).
Der Storyline Approach wurde jahrelang insbesondere in Skandinavien favorisiert, wo die Schulsysteme, Lehrpläne und Stundenpläne offener sind und die Notengebung bis Klasse 8 meist keine oder zumindest keine große Rolle spielt. Gerade in der Grundschule, die in skandinavischen Ländern in der Regel bis Klasse 8 oder gar 10 dauert, hat Storyline im muttersprachlichen Unterricht gut Fuß gefasst; zwar nie komplett flächendeckend oder gar ausschließlich, was dem Ansatz ohnehin widersprechen würde, aber entschieden mehr als nur punktuell. Da die Lehrkräfte meist mehrere Fächer in einer Klasse unterrichten, können organisatorische Fragen hinsichtlich eines interdisziplinären Unterrichts reduziert werden. Des Weiteren herrscht in Skandinavien im Vergleich zu vielen anderen Ländern viel mehr Flexibilität im Schulalltag und weniger Druck hinsichtlich Leistungsmessung und Prüfungen. Ein ganz wesentlicher Grund für die weite Verbreitung des Storyline-Modells in Skandinavien liegt jedoch in der Tatsache, dass gerade in Skandinavien sehr viel Wert auf Lehrerfortbildung gelegt wird und diese auch gute finanzielle Unterstützung findet. Außerdem ist es in den so genannten teaching teams sehr viel leichter, neue Konzepte auszuprobieren und zu reflektieren. Mit Sorge teilten im Frühjahr 2008 allerdings einige Kolleginnen und Kollegen auf der Nordic Storyline Conference in Göteborg mit, dass die neuen Bildungspläne (auch als Folge der PISA-Studien) zunehmend konservativ ausgerichtet sind und verstärkt wieder traditionelle Vorgehensweisen verlangt werden. Dieser Trend hält offenbar an – nicht nur in Skandinavien – und wurde auch im Rahmen des Golden Circle Seminar 2016 diskutiert.
Es stellt sich die Frage, welche Metamorphosen der Storyline Approach im Laufe der Zeit vollzogen hat. Leider liegen bis zum heutigen Tag außer Erfahrungswerten, Schätzungen und Beobachtungen keine großräumigen