Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule. Doris Kocher
das Konzept – auch außerhalb der Folkeskole – noch immer in vielen Bereichen realisiert: in Kindergärten, in Managementkursen, in der Lehrerausbildung, in der Gesundheitserziehung im Rahmen von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen (vgl. Mark 2007), im Konfirmationsunterricht oder in der Ausbildung von Lehrkräften am Königlichen Dänischen Ballett in Kopenhagen (vgl. Falkenberg 2016, 233ff.). Der Einsatz von fremdsprachlichen Storyline-Projekten im Deutsch- oder Englischunterricht scheint allerdings regional ganz unterschiedlich ausgeprägt zu sein.12
Norwegen: Der erste Storyline-Kurs in Norwegen fand im Jahr 1997 mit Steve Bell in Oslo statt. Mittlerweile wurden zahlreiche Kurse und study tours nach Schottland durchgeführt sowie einige Artikel und Bücher publiziert.13 Die Vestfold Universität in Tønsberg galt lange als Storyline-Zentrum innerhalb Norwegens. Dort wurden nach Angaben von Knut-Rune Olsen bis Mitte 2005 einige Tausend Lehrkräfte aus Primar- und Sekundarschulen in Storyline-Kursen fortgebildet.Eine ähnliche Wellenbewegung wie in Schottland wurde auch in Norwegen beobachtet. Dewey und Kerschensteiner hatten seit 1939 einen großen Einfluss auf die Curriculumentwicklung in Norwegen gehabt, doch auf Grund aktueller EU-Reglementierungen im Bildungsbereich und einer eher konservativen Regierung scheinen diese traditionellen Strömungen derzeit eher in den Hintergrund zu treten und ein teaching for the test syndrome zu evozieren. Åse Paulsen Skiftun dagegen behauptet, dass der Storyline-Ansatz in der Oberstufe der Sekundarschule seit einigen Jahren einen Boom erlebt und deshalb zahlreiche Kurse angeboten werden. Sie selbst verwendet Storyline nicht nur in der Oberstufe, sondern auch in der Erwachsenenbildung/Berufsschule im Fach IT. Mit dem Computerprogramm Linux schreibt sie interaktive Storyline-Projekte, die für die jeweils eigenen Bedürfnisse adaptiert werden können.Storyline wird in Norwegen zwar ebenfalls vorrangig im muttersprachlichen Unterricht realisiert, es sind jedoch zahlreiche Schulen bekannt, wo das Konzept auch im Fremdsprachenunterricht (Deutsch bzw. Englisch) eingesetzt wird. Mittlerweile wurde es sogar in das Englischlehrwerk Talking English integriert, was eine begrüßenswerte Neuentwicklung für die Verbreitung des Storyline Approach darstellt und vor allem im Rahmen des Fremdsprachenlernens bisher einzigartig ist.14 Blair (2016) hat so genannte Wiki-English-Storylines konzipiert, um simultan digitale und fremdsprachliche Kompetenzen zu fördern.
Schweden: Zu Beginn der 1990er Jahre ermöglichte ein vom British Council unterstütztes Forschungsprojekt die Kooperation zwischen Steve Bell und der Universität Luleå. Gemeinsam wurden Storyline-Projekte zu Umweltthemen entwickelt und im Unterricht ausprobiert. Im Rahmen einer Konferenz in Stockholm wurden 1996 durch Bell erste Kontakte mit WWF Schweden und weiteren Institutionen geknüpft. Über Mait Adegård, damals Schulleiterin an einer Stockholmer Schule, wurden zahlreiche Storyline-Kurse und study tours nach Schottland sowie an Storyline-Schulen in Finnland und Schweden initiiert. 2001 begannen Mait Adegård und Ylva Lundin, eine Kollegin aus Göteborg, auch Kurse für Storyline-Ausbildungslehrkräfte durchzuführen. Darüber hinaus werden in Schweden Kurse für Fortgeschrittene angeboten.Zwischenzeitlich hat Storyline in Schweden in ganz unterschiedlichen Bereichen Eingang gefunden. Lundin bietet nicht nur Lehrerfortbildungen – auch im IT-Bereich (vgl. Lundin 2007) – an, sondern konzipiert Storyline-Projekte für Unternehmen (z.B. zu Verkehrssicherheit, Energiesparen oder Klimaschutz) und hat mit Hilfe des Storyline-Modells Präventionsmaßnahmen mit Jugendlichen gegen sexuellen Missbrauch durchgeführt, wohingegen Sanna Ranweg, Luleå – in Kooperation mit der Museumspädagogik (Norbotten Museum) – das Storyline-Projekt A Sami school in Jokkmukk gegen die Ausgrenzung von Lappen in Schweden entwickelt hat. Darüber hinaus wurden in den vergangenen Jahren diverse Lehrfilme, Zeitschriften, Artikel, Unterrichtsmaterialien und Bücher publiziert, was teilweise durch die Organisation WWF unterstützt wurde.15 Das Storyline-Projekt Children in a sustainable city wurde 2009 von der dänisch-schwedischen Kooperation Dogme 2000 sogar mit einem Umweltpreis ausgezeichnet.16Laut Ylva Lundin haben die meisten schwedischen Lehrkräfte von Storyline gehört und auch das Fach Englisch wird öfters in Storyline-Projekte integriert, wenn auch schwerpunktmäßig in der Grundschule, wo beispielsweise Sharon Ahlquist im Rahmen ihrer Dissertation eine Untersuchung durchgeführt hat: “The word most commonly used by the learners of all levels of proficiency to describe their Storyline experience is fun“ (Ahlquist 2011, 180). Bemerkenswertes Schülerzitat: “The more fun it is the more you learn“ (Ahlquist 2013, 97). Besonders zu erwähnen ist, dass in Schweden alle Lehrkräfte dazu verpflichtet sind, jedes Jahr 10 Tage an Fortbildungen teilzunehmen.Das schwedische Beispiel demonstriert eindrücklich, wie vielseitig und flexibel Storyline eingesetzt werden kann. Mit Skepsis wird allerdings der aktuelle, eher konservative Bildungsplan bewertet, der offene Ansätze wie das Storyline-Modell an den Rand drängt.
Niederlande: In den Niederlanden wurde Storyline seit Beginn der 1980er Jahre vor allem durch Jos Letschert, ehemals Director of Primary Education am Staatlichen Lehrplan-Institut (SLO) in Enschede, gefördert und weiterentwickelt. Letschert hatte den Ansatz am Jordanhill College kennengelernt. Er war zudem einer der EED-Mitbegründer und organisierte 1988 das erste internationale Treffen in Enschede. Dort sind unter Jan Greven einige Storyline-Projekte zu historischen und geographischen Themen entstanden, die sich meines Erachtens auch gut für den bilingualen Unterricht eignen.17Hinsichtlich der Verbreitung und regelmäßigen Anwendung des Storyline-Modells im Unterricht werden eher vorsichtige Angaben gemacht. Fest steht, dass es am meisten im muttersprachlichen Grundschulunterricht eingesetzt wird, aber lange kein so nachhaltiges Echo wie in den skandinavischen Ländern findet.18 Storyline wird in den Niederlanden über Publikationen, Workshops und Vorträge in verschiedenen Institutionen vermittelt, ferner nahm Steve Bell beratend an Managementkursen für Schulleiterinnen bzw. -leitern teil.19 Inwiefern Storyline im Fremdsprachenunterricht eingesetzt wird, konnte nicht eruiert werden.
Abgesehen von den genannten Ländern, in denen der Storyline Approach zum Teil schon seit vielen Jahren bekannt ist und auf vielseitige Art und Weise implementiert wird, zeigen auch zahlreiche andere europäische Länder und Regionen immer wieder Interesse an dem Konzept bzw. nehmen Kontakt auf: z.B. Slowenien, Litauen, Finnland, Griechenland, Spanien, Portugal, Malta, Belgien, das Kosovo, die Slowakei oder die Faröer Inseln. Über diverse COMENIUS-Projekte wurden auch Kontakte mit Polen und Tschechien geknüpft. Im Rahmen der BOTA20 2013 in Stegen bei Freiburg, wo ich zwei Storyline-Workshops durchführte, entstanden Kontakte zu Österreich und der Schweiz.
Auf Initiative von Steve Bell und Sallie Harkness hat sich Storyline mittlerweile auch in zahlreichen außereuropäischen Ländern verbreitet, wo das Modell ebenfalls ganz unterschiedlich realisiert wird. Dies soll durch einige (wenige) Beispiele illustriert werden:
USA: In den 1980er und 1990er Jahren wurden durch das Central Bureau for Visits and Exchanges Studienreisen für Lehrerinnen und Lehrer nach Glasgow und Edinburgh organisiert. Mitglieder des Staff Tutor Team erklärten sich bereit, Kurse für die ausländischen Lehrkräfte durchzuführen. Bleibende Kontakte entstanden damals über Kathy Fifield, die 1986 ein Sabbatjahr in Glasgow verbrachte. Zurück in Portland, Oregon rief sie das Beratungsbüro Storyline Design ins Leben, das seit 1994 von Jeff Creswell, Lehrer in Portland, Oregon und Eileen Vopelak, Beraterin in Santa Barbara, Kalifornien fortgeführt wird. Creswell (1997) hat zudem das erste Buch über Storyline in den USA publiziert.Seit einigen Jahren vertreibt Storyline Design ein Magazin, das Lehrkräften Anregungen und Kommunikationsmöglichkeiten bietet. Des Weiteren werden Storyline-Kurse für verschiedene Niveaustufen angeboten, die teilweise von Steve Bell oder Sallie Harkness durchgeführt und von der Portland State University per Zertifikat anerkannt werden. Zudem wurde in Bend, Oregon eine Storyline Magnet School errichtet, deren Curriculum sich schwerpunktmäßig am Storyline-Konzept orientiert.21Storyline wird hauptsächlich an der amerikanischen Westküste rezipiert, jedoch nicht nur im schulischen Kontext, sondern punktuell auch in Seminaren in der freien Wirtschaft (z.B. mit Banken) eingesetzt. Wendy und Ken Emo (University of Minnesota, Morris) untersuchen derzeit, wie und wo Storyline in den USA implementiert wird (vgl. Emo 2010).
Thailand: Als Folge eines Alumnikurses in Jordanhill erhielt Steve Bell 1998 eine Einladung an die Chulalongkorn Universität in Bangkok, wo zwei