Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch). Elena Schäfer
Transkripte zur vertieften Textarbeit herangezogen werden. Im Falle authentischer Beiträge eignet sich darüber hinaus die Arbeit mit Filmkritiken oder Sachtexten, die Hintergrundinformationen zum behandelten Thema enthalten (cf. Veneman 2012, 3). Auf diese Weise tritt auf der Basis des Hör-Seh-Verstehens die Förderung des Leseverstehens und anderer Fertigkeiten in den Vordergrund des Sprachlernprozesses.
5.1.2 Produktive Kompetenzen
Gemäß den in den frühen 1970er Jahren formulierten Prinzipien des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts (cf. Kap. 2.2) können die während der Rezeption gewonnenen audiovisuellen Eindrücke für eine Vielzahl an Sprech- und Schreibanlässen genutzt werden. Der Stimulus zur Kommunikation ist bereits in den Phasen vor und während dem Sehen gegeben, da sowohl sprachliches als auch thematisches Vorwissen und Wortschatz aktiviert werden.
Produktive Kompetenzen wie etwa Sprechen, Schreiben, Schauspielern oder Sprachmittlung finden in der Regel während oder nach der Filmarbeit Anwendung. Ein Grund hierfür ist, dass der Rückgriff auf zuvor Gesehenes Mutmaßungen über das weitere Geschehen erlaubt. Das bedeutet konkret, dass beispielsweise Handlungen antizipiert und Charaktere beschrieben werden können. Des Weiteren kann der Schluss des Lernvideos durch Schülerhand verändert oder bei offenem Ende selbst gestaltet werden. Gerade Lernvideos mit offenem Ende (cf. A+ Nouvelle édition (1) – Unité 7, p.65 ex.9, Track 30) erleichtern die Kommunikation im Unterricht, da sie den Lernenden Interpretationsräume eröffnen, „bei denen es kein richtig oder falsch gibt“ (Schrader 2007, 18). Die mitunter fragmentarisch dargestellten Merkmale von Gegenständen, Personen oder Ereignissen wirken auf den Betrachter reizvoll und werden zur Herausforderung, die fehlenden Fragmente zu ergänzen und zu diskutieren. Dieses natürliche Ergänzungsprinzip kann dann im Unterricht als Impuls zum freien Sprechen genutzt werden (cf. ibid. 18sq.). Etwaige offene Formate stellen bei Lernvideos bisher allerdings die Ausnahme dar.
Im Hinblick auf Sprech- und Schreibanlässe verfügen insbesondere Standbilder über großes Potential. Sie können beschrieben, gedeutet und versprachlicht werden und laden zur Interpretation und Assoziation von Geschichten ein (cf. Rössler 2007, 18). Standbilder sind entweder im Rahmen des Zusatzmaterials des Lernvideos vorhanden oder können durch die Pause-Taste des DVD-Players hervorgerufen bzw. durch eine einfache Tastenkombination (Mac: CMD + SHIFT + 3; Windows XP: ALT + DRUCK) als Screenshot erstellt und gespeichert werden. An dieser Stelle ist jedoch zu beachten, dass die Mehrheit aller Lernvideos einem Kopierschutz unterliegt, weshalb die Erzeugung eines Screenshots nur in wenigen Fällen gelingt.
Eine weitere Möglichkeit ist es, sowohl bei Standbildern als auch bei längeren Sequenzen Dialoge zu verfassen oder aber (bei ausgeblendeter Tonspur) einen Sprecherkommentar zum Film zu entwerfen. In diesem Kontext bietet es sich an, dass sich die Lernenden in die Rolle einer der gezeigten Figuren hineinversetzen und das Erlebte aus deren Perspektive berichten. Das aus einem dieser kreativen Ansätze entstandene Produkt kann dann schauspielerisch von den Schülern inszeniert und im Plenum vorgestellt werden. Ähnlich wie bei der Arbeit mit Spielfilmen ist es bei manchen Lernvideos zudem möglich, Handlungsalternativen zu überlegen oder das Filmgeschehen auf eine parallele Situation aus der eigenen Lebenswelt zu übertragen.
In manchen Fällen ist es denkbar, Lernvideos zur Sprachmittlung zu nutzen. Vor allem schwierige Textpassagen können unter Rückgriff auf die Muttersprache verständlich gemacht werden. In Ergänzung zu inhaltlichen Zusammenfassungen bietet es sich an, Lernende sowohl in der Mutter- als auch in der Fremdsprache Untertitel entwerfen zu lassen und diese mit dem Originalton zu vergleichen. Im Hinblick auf Sprachmittlung können ebenso Artikel und Informationen zu den Darstellern wie auch dem Thema des Lernvideos herangezogen und in die Zielsprache übersetzt werden (cf. Veneman 2012, 4sq.).
Schließlich dienen einige der Hör-Seh-Übungen auch dazu, lektionsspezifische grammatikalische Phänomene oder Vokabular einzuüben und zu vertiefen. Dies geschieht in der Regel im Rahmen der oben genannten Übungsformen, indem Hör-Seh-Aufträge in Form von Beobachtungs-, Lücken-, Kreativ- oder Transferaufgaben weiterverarbeitet und mit lektionsspezifischen Inhalten in Verbindung gebracht werden.
5.2 Transkulturelle Kompetenzen
Angesichts der das 21. Jahrhundert charakterisierenden Globalisierung, der weltweiten Mobilität und des stärker zusammenwachsenden Europas steht der fremdsprachliche Unterricht aktuell vor der Herausforderung, Schüler zusätzlich zu der Ausbildung rein sprachlicher Qualifikationen für den stetig intensiver werdenden Kontakt und Austausch mit anderen Kulturen zu sensibilisieren.
Durch die Entstehung dieses neuen Lernkontextes ist die Institution Schule unter Rückgriff auf den jeweils geltenden Lehrplan darum bemüht, Lernenden einen Einblick in andere Kulturkreise zu gewähren. Dies geschieht durch den Einsatz von Medien, Methoden und Inhalten und ermöglicht „die Vermittlung von Sprache und Landeskunde [als] […] Voraussetzung interkultureller und transnationaler Kommunikationsfähigkeit“ (Hervorhebung im Original) (HKM 2010b, 2).
Laut dem Modell nach Reimann (2011, 136sq.) setzt sich transkulturelle Kompetenz aus zwei Dimensionen zusammen, die er wie folgt definiert:
zum einen, im eher etymologischen Sinn, als eine […] Kompetenz, welche, in Vervollkommnung interkultureller Kompetenz, über die im Fremdverstehen begründete Toleranz derselben hinaus idealtypisch zu einer Überwindung kommunikativer Grenzen oder Barrieren zwischen zwei oder mehreren konkreten Sprach- und Kulturräumen führt […], wobei diese durchaus als different gedacht werden. Zum anderen ergibt sich die Notwendigkeit transkultureller Kompetenz aus der nicht mehr zu verleugnenden permanenten Verflechtung verschiedenster Kulturen in einer globalisierten Welt, welche zur Integration idealerweise weltweiter – mehr als nur homogen gedachter, einzelne Sprach- und Kulturräume betreffender – kommunikativer Bedürfnisse, Handlungen und Kompetenzen führt.
Visuelle Kompetenz ist in diesem Sinne ein wesentlicher Bestandteil transkulturellen Lernens: Sie ist kulturgebunden, denn Bilder (ent-)stehen in direktem Zusammenhang mit den Konventionen eines Landes. Folglich variiert auch deren Bedeutung und Interpretation gemäß dem ihnen zu Grunde liegenden kulturellen Kontext.
Bedingt durch die Diversität kultureller Darstellungskonventionen müssen Schüler lernen, Bilder über ihren eigenen kulturellen und sozialen Kontext hinaus zu verstehen und zu deuten. Neben Darstellungskonventionen geht es „darum, […] Mitteilungsabsichten und Perspektiven der eigenen und fremder visueller Kulturen zu erkennen, zu vergleichen und zu entschlüsseln“ (Lüning 2014, 7).
Das Erkennen und Deuten eigener kulturspezifischer Zeichen ist ein selbstverständlicher und meist unbewusster Teil unserer Alltagskommunikation. So wissen wir beispielsweise, dass wir bei der Suche nach einer Apotheke in Deutschland nach einem großen roten gotischen „A“ mit einem weißen Arzneikelch und Schlange Ausschau halten müssen (cf. Abb. 15). In Spanien und Frankreich besteht das Apothekenlogo hingegen aus einem grünen, meist blinkenden Kreuz (cf. Abb. 16).1
Abb. 15: Apothekenzeichen Deutschland (N.N., Deutsche Apotheke Logo, http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Deutsche_Apotheke_Logo.svg&filetimestamp=20091019203939, 14.6.2013)
Abb. 16: Apothekenzeichen Spanien/Frankreich (Arte 2013, http://www.arte.tv/sites/de/derblogger/2013/01/27/medikamente-ohne-grenzen/, 14.6.2013)
Das triviale Beispiel des international divergierenden Apothekenlogos macht deutlich, wie wichtig es ist, „die Nachbarkulturen wissend und hörsehend zu verstehen […], wenn wir den Anspruch interkultureller Kommunikationsfähigkeit auf hohem Niveau ernst nehmen“ (Meißner 2003, 67). Da dies ein langer Prozess ist, ist es umso bedeutender, im Rahmen der schulischen Hör-Seh-Verstehensschulung von Anfang an für kulturspezifische Symbole, Praktiken und Verhaltensmuster zu sensibilisieren. In den Lernvideos von A+ Nouvelle édition und Déc série jaune wird das hörsehende