Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch). Elena Schäfer

Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch) - Elena Schäfer


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des Apothekenlogos etwa um die traditionelle Begrüßung mit bises (cf. Abb. 17) oder aber um das in Frankreich allgegenwärtige und meistverkaufte Schreibpapier Réglure Seyès. Dieses ist aufgrund seiner besonderen Lineatur in allen Schulfächern einsetzbar und entsprechend beliebt (cf. Abb. 18).

      Abb. 17: Begrüßung mit bises (Mann-Grabowski/Gregor 2012) © Cornelsen Verlag GmbH, Berlin

      Abb. 18: Réglure Seyès – das wohl bekannteste Schreibpapier Frankreichs (Brenneisen et al. 2012b) © Ernst Klett Verlag GmbH

      Im Fall des Spanischen ist für deutsche Schüler besonders interessant zu entdecken, dass Klingel und Briefkasten nicht wie in Deutschland üblich mit dem Familien- oder Nachname beschriftet sind. Stattdessen sind die Wohnungen jeder Etage durchnummeriert und hinsichtlich ihrer Lage präzisiert. I steht folglich für Izquierda (dtsch. links) und D für Derecha (dtsch. rechts). Eine Wohnung im zweiten Stock links ist demnach als 2°I beschriftet (cf. Abb. 19).

      Abb. 19: Klingelschilder in Spanien (N.N. 2011. Video-DVD. Encuentros 1. Edición 3000) © Cornelsen Verlag GmbH, Berlin

      Das Rätsel um die Beschriftung von Klingelschildern in Spanien ist nur eine vieler Recherchemöglichkeiten. Denn abgesehen von dem Anfangsunterricht veranschaulichen auch Lernvideos höherer Lernjahre kulturspezifische Phänomene. Zwar werden diese – wie im Fall der Badekappenpflicht in Frankreich – nicht immer explizit thematisiert, stoßen jedoch in das Auge des Betrachters und laden zur Kommunikation ein (cf. Abb. 20).

      Abb. 20: Badekappenpflicht in Frankreich (Schenk 2006) © Cornelsen Verlag GmbH, Berlin

      Stimuliert durch die realitätsnahe Darstellung spezifischer (fremd-)kultureller Phänomene, laden Lernvideos zum entdeckenden wie auch zum situativ- und kontextbezogenen Lernen ein. Unter diesem Aspekt geben gerade die seit 2012 publizierten Lernvideos oftmals realistische Einblicke in Lehrwerksschauplätze und ermöglichen so eine hör-sehende Annäherung an das Zielsprachenland, die sowohl aktuelle als auch historische Wirklichkeiten widerspiegelt. Das Hör-Seh-Verstehen gewinnt somit an enormer Bedeutung für das transkulturelle Lernen (cf. Hu/Leupold 2008, 58).

      „Gerade im Bereich der Förderung der soziokulturellen Kompetenz [muss betont werden, dass] Filme den Lernenden weitgehend mehr Anregungen und Anschauungsmaterial [liefern] als nahezu jeder Lehrbuchtext oder jedes Lehrbuchillustrationsmaterial“ (Chudak 2010, 75). Trotzdem unterliegen Lernvideos und audiovisuellen Medien im Allgemeinen gewisse Grenzen, derer sich der Rezipient bewusst sein muss. Denn ungeachtet der Darstellung sprachlicher und visueller Aspekte des Zielsprachenlands bietet

      ein Medium immer nur ein Abbild der Realität […] und dies ist lückenhaft und selektiv. Das Medium bringt nur einen Ausschnitt, wählt eine Perspektive, löscht Dimensionen, verschweigt Kontexte, ändert Informationskanäle, erweckt den Eindruck der Vollständigkeit, bleibt aber unvollständig und bis zu einem gewissen Grad irreführend (Beile 1991, 263).

      Ungeachtet der Lückenhaftigkeit und des ausschnitthaften Charakters von Lernvideos muss betont werden, dass es Lernvideos wie keinem anderen Medium gelingt, realitätsnahe Einblicke in das Land, die Sprache und die Kultur des jeweiligen Ziellandes zu gewähren. Dies gilt neben der Fokussierung europäischer Länder wie Spanien und Frankreich insbesondere für die Vermittlung transkultureller Phänomene und Wirklichkeiten des hispano- und frankophonen Raums. Diese zu thematisieren und im Rahmen des Unterrichts zumindest audiovisuell erfahrbar zu machen, ist eine bemerkenswerte Stärke von Lernvideos. Sie leistet einen wesentlichen Beitrag zur Horizonterweiterung von Lernenden.

      5.3 Sprachlernkompetenzen und Sprachbewusstheit

      Sprachlernkompetenzen bezeichnen „fachliche und überfachliche Fähigkeiten, die zu Sprachlernbewusstheit […] führen“ (HKM 2011, 16). Dies impliziert die bewusste Entwicklung von Lernstrategien und Lernorganisation. Eine Möglichkeit, sich über Lernstrategien bewusst zu werden, ist es, die im Umgang mit Lernvideos gewonnenen Erfahrungen von Anfang an in einem Hör-Seh-Tagebuch zu verbalisieren: Lernende können den sprachlichen Inhalt mit dem Gesehenen verknüpfen und reflektieren, was sie gesehen haben. Durch die gemeinsame Thematisierung, Rekapitulation und Systematisierung im Klassenzimmer werden Hör-Seh-Strategien bestenfalls für alle Schüler erfahrbar. Klassische Beispiele hierfür sind Worterschließungsstrategien, Techniken zur Kompensation lexikalischer Lücken sowie Verfahren zum Sprachenvergleich und der Memorisierung von sprachlichem Input.

      Das Hör-Seh-Tagebuch kann auch für inhaltliche Erarbeitungen genutzt werden. So bietet es sich an, dass Lernende individuelle (Hör-Seh-)Erwartungen darstellen, die Entwicklung bestimmter Personen und deren Beziehung zueinander beschreiben oder bestimmte Bilder und filmästhetische Aspekte herausgreifen. Diese können in einem weiteren Schritt auf ihre Eigenschaften und Wirkung auf den Rezipienten analysiert werden (cf. Grünewald/ Lusar 2008, 231).

      Andernfalls stellen Sprachportfolios eine Alternative zu Lerntagebüchern dar, wobei der Fokus auf der regelmäßigen Dokumentation, Reflexion und Evaluation des individuellen Lernfortschritts ausgewählter Kompetenzbereiche liegt. Die aus Sprachenportfolios und Lerntagebüchern gewonnenen Erkenntnisse und Methoden führen zu einem selbstgesteuerten, bewussten Sprachlernverhalten und können sowohl für das Erlernen weiterer Fremdsprachen als auch überfachlich genutzt werden. Die Berücksichtigung des Hör-Seh-Verstehens in Portfolios ist bisher jedoch äußerst rar, weswegen sich eine eigenständige didaktische Aufbereitung im Sinne der zuvor beschriebenen Hör-Seh-Tagebücher empfiehlt.

      Entgegen dem verhältnismäßig jungen Einsatz von Portfolio und Lerntagebuch erweist sich die Sprachmittlung als eine traditionelle Methode zur Bewusstmachung sprachlicher Strukturen und Elemente. Demnach kann im Fall der Lernvideos die Übersetzung der dazugehörigen Transkripte zu einem erhöhten Sprachbewusstsein führen (cf. Kap. 5.1.2). Dieses Verständnis lässt sich auf den Umgang mit der eigenen Muttersprache als auch auf den mit anderen Fremdsprachen übertragen.

      Wie das Kompetenzmodell der Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (cf. Kap. 4.2) unterstreicht, handelt es sich sowohl bei Sprachlernkompetenz als auch bei Sprachbewusstheit um eigenständige Kompetenzen, die die Schulung anderer Kompetenzbereiche unterstützen (cf. KMK 2012, 13). In Ergänzung zur Sprachlernkompetenz wird Sprachbewusstheit als „Sensibilität für und Nachdenken über Sprache und sprachlich vermittelte Kommunikation“ definiert, die Schülern ermöglichen soll,

      die Ausdrucksmittel und Varianten einer Sprache bewusst zu nutzen; dies schließt eine Sensibilität für Stil und Register sowie für kulturell bestimmte Formen des Sprachgebrauchs, z.B. Formen der Höflichkeit, ein. Die Reflexion über Sprache richtet sich auch auf die Rolle und Verwendung von Sprachen in der Welt, z.B. im Kontext kultureller und politischer Einflüsse (KMK 2012, 21).

      Eine Heranführung an etwaige Kompetenzziele erweist sich insbesondere im Hinblick auf ein integriertes Hör-Seh-Verstehens als äußerst gewinnbringend. So erfolgt durch den Einsatz von Lernvideo bereits im ersten Lernjahr u.a. eine hör-sehende Annäherungen an adressatenbezogene Begrüßungsfloskeln (e.g. Salut, Bonjour, Au revoir madame/monsieur) und diaphasische Ausdrucksvarianten des mündlichen Sprachgebrauchs, wohingegen mit steigendem Lernjahr eine Sensibilisierung für diatopisch und diastratisch geprägte Varietäten des Sprachgebrauchs stattfindet (cf. Schäfer 2014a, 89sqq.) (cf. Kap. 5.1.1). Angesichts des Ziels, „Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Beziehungen zwischen Sprachen [zu] erkennen und [zu] reflektieren“ (KMK 2012, 21), bietet es sich im Rahmen einiger Lernvideos (e.g. E3000, Bachillerato, Rutas para tí, PdV nueva edición) zudem an, bei der Thematisierung gesellschaftlich-kollektiver Mehrsprachigkeit Vergleiche zwischen der Zielsprache und den Regionalsprachen des Zielsprachenlandes herzustellen (cf. Schäfer in Vorbereitung).1 Im Sinne eines sprach- und kulturvernetzenden Lernens lohnt es sich


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