Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch). Elena Schäfer

Lehrwerksintegrierte Lernvideos als innovatives Unterrichtsmedium im fremdsprachlichen Anfangsunterricht (Französisch/Spanisch) - Elena Schäfer


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mehrsprachiges Wissen interkomprehensive Strategien erarbeiten, auf deren Grundlage sprachliche Synergieeffekte sichtbar werden. Letztere stehen im Zeichen der Sprachlernkompetenz und ermöglichen abgesehen von Sprachbewusstheit die Entwicklung mehrsprachlicher und transkultureller Fertigkeiten.

      5.4 Medienkompetenz durch Lernvideos

      Gemäß dem hessischen Kerncurriculum handelt es sich bei dem schulischen Erwerb der Medienkompetenz um eine überfachliche Kompetenz, durch die Lernende einen

      Zugang zu unterschiedlichen Medien – darunter auch zu Neuen Medien – [finden] und […] eigenverantwortlich das Recht wahr[nehmen], selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten zu bestimmen (informationelle Selbstbestimmung). Sie nutzen Medien kritisch-reflektiert, gestalterisch und technisch sachgerecht. Sie präsentieren ihre Lern- und Arbeitsergebnisse mediengestützt (HKM 2011, 10).

      In diesem Sinne bietet es sich an, Schüler im Rahmen der Medienerziehung nicht nur mit Methoden der Filmanalyse vertraut zu machen, sondern auch eigene Produktionen erstellen zu lassen. Die Videos können in Kleingruppen mit Hilfe von Smartphones oder Digicams gedreht und präsentiert werden. Bei ihrer inhaltlichen Erarbeitung ist es sinnvoll, an zuvor behandelte Aufgaben anzuknüpfen und diese filmisch zu inszenieren (cf. Kap. 5.1.2). Zusätzlich kann der Fokus auch auf Elemente der Filmsprache (Kameraführung, Montage, Effekte, Musik etc.) gelegt werden. Dies setzt natürlich voraus, dass letztere im Vorfeld im Klassenverband behandelt wurden und Lernende ein Verständnis davon haben, wie Inhalte in Szene gesetzt werden können.

      Prinzipiell setzt der Erwerb von Medienkompetenz eine offene aber auch kritische und reflektierte Haltung voraus. Dies liegt darin begründet, dass zielsprachliche Situationen und Phänomene zwar ausgesprochen realitätsnah dargestellt werden und damit sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der Darstellungsebene einen vergleichsweise hohen Grad an Authentizität erlangen. Letztendlich vermag es das Medium jedoch nicht, ein wirklichkeitsgetreues Abbild der Realität widerzugeben. Daher ist es u.a. Ziel des Fremdsprachenunterrichts, Schüler für die Komplexität und zu Grunde liegende Einflussmechanismen des Mediums Film zu sensibilisieren. Jene Bewusstmachung steht in engem Zusammenhang mit dem Erwerb rezeptiver Kompetenzen und der kritischen Wahrnehmung transkultureller Inhalte (cf. Kap. 5.1.1; cf. Kap. 5.2).

      Insgesamt ermöglicht der Einsatz von Lernvideos neue methodische Arbeitsformen wie Stationenlernen oder Projektarbeit, die sich mit anderen neuen Medien wie etwa PC und Internet verknüpfen lassen und zu einem modernen, lernerzentrierten Unterricht beitragen (cf. Sass 2007, 13).

      5.5 Differenzierter Kompetenzerwerb

      Bedingt durch den soziokulturellen Wandel unserer Gesellschaft, die Auflösung des dreigliedrigen Schulsystems und die verkürzte Schulzeit von G9 zu G8 steht der Fremdsprachenunterricht mehr denn je vor den Herausforderungen eines differenzierten Kompetenzerwerbs. Im Vergleich zu anderen Schulfächern ist die Heterogenität von Schülern im Fremdsprachenunterricht – abgesehen vom körperlichen und kognitiven Leistungsvermögen des Einzelnen – nicht zuletzt auf außerschulische Faktoren zurückzuführen. Letztere umfassen den Zugang zu audiovisuellen Medien, Aufenthalte im Ausland oder Mehrsprachigkeit innerhalb der Familie und haben einen hohen Einfluss auf das individuell vorherrschende Sprachniveau der Schüler.

      Die Bildungspolitik versucht, dem Anspruch eines differenzierten Kompetenzerwerbs Rechnung zu tragen, indem sie das Prinzip der individuellen Förderung als Grundsatz zur Verwirklichung von Unterricht gesetzlich verankert. Demnach heißt es im hessischen Schulgesetz:

      Schule ist so zu gestalten, dass die gemeinsame Erziehung und das gemeinsame Lernen aller Schülerinnen und Schüler in einem möglichst hohen Maße verwirklicht wird und jede Schülerin und jeder Schüler unter Berücksichtigung der individuellen Ausgangslage in der körperlichen, sozialen und emotionalen sowie kognitiven Entwicklung angemessen gefördert wird (HKM 2005, § 3 Abs. 6).

      Der bildungspolitische Umgang mit Heterogenität macht sich gegenwärtig auf zwei Ebenen bemerkbar. Hierzu zählen Formen äußerer (Schulprofil, Schulform, Jahrgangsklasse) und innerer Differenzierung (schulorganisatorisch, didaktisch). Im Hinblick auf einen differenzierten Kompetenzerwerb mit und durch Lernvideos konzentrieren sich die folgenden Ausführungen ausschließlich auf die innere Ebene der didaktischen Differenzierung.

      Didaktische Differenzierungsmaßnahmen orientieren sich laut Paradies und Linser (2001, 28) an den Variablen Lernstil, Lerntempo, Lernbereitschaft und Lerninteresse. Nun richten sich Lehrwerke aber primär an Lernende als eine homogene Gruppe und vermögen es nur in Einzelfällen, den genannten Variablen gerecht zu werden. Folglich verlagert sich die Individualisierung fremdsprachlicher Lehr- und Lernprozesse zunehmend in die Hand des Lehrers. Diesem muss es gelingen, Aufgaben mit unterschiedlichen Scaffoldingangeboten zu erstellen, die die Lerner weder über- noch unterfordern und in ihren individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten unterstützen. Differenzierte Aufgaben sollten idealerweise so gestellt werden, dass sie auf dem individuellen Niveau und gemäß dem zu Grunde liegenden Lerntyp des Schülers bearbeitet werden können.

      Im Sinne eines differenzierten Kompetenzerwerbs wurde ein dreigliedriges System entwickelt, das beim Einsatz von Lernvideos herangezogen werden kann (cf. Abb. 21). Dieses System geht davon aus, dass alle Schüler über unterschiedliche sprachliche und mediale Vorerfahrungen verfügen. Infolgedessen ist es ratsam, im Rahmen des Unterrichts zunächst eine gemeinsame Basis zu schaffen, auf die im weiteren Lernprozess stets zurückgegriffen werden kann. Die Rede ist von selbstorganisiertem Lernen mit Lernvideos. Wie bereits erwähnt, kann die Bewusstmachung von Hör-Seh-Strategien zu einem erhöhten inhaltlichen und sprachlichen Verständnis führen. Etwaige Lernstrategien gilt es zu benennen und selbstständig anzuwenden (Schritt 1).

      Abb. 21: Differenzierter Kompetenzerwerb durch Lernvideos

      Daran anknüpfend folgt die lehrergeleitete Aufgabendifferenzierung, die einen möglichst individuellen Kompetenzerwerb gewährleisten soll (Schritt 2). Dieser kann sowohl durch differenzierte Hör-Seh-Aufträge (vom Global- zum Detailverstehen), ganzheitliche Zugänge (weg vom Wort-für-Wort-Verstehen hin zur Teilverstehenstoleranz) als auch durch Übungen mit verschiedenen Schwierigkeitsstufen (e.g. richtig/falsch-Aufgaben, Lückentexte, Verknüpfung verschiedener Kompetenzbereiche) gestaltet werden. Zudem bietet es sich an, weiterführende Aufgaben unter das Zeichen der Selbstdifferenzierung zu stellen. Das bedeutet, dass verschiedene inhaltliche und methodische Lösungswege zur Realisierung der Aufgabe gestattet sind (cf. ibid. 29). Für leistungsschwächere Schüler können zusätzliche Förderstrategien zum Tragen kommen. Diese umfassen neben der Verwendung von Untertiteln und themenspezifischen Vokabellisten vorentlastende Übungen, die für phonetische Besonderheiten und die chaîne parlée sensibilisieren. Des Weiteren ist es sinnvoll, Lernvideos zur individuellen Bearbeitung bereitzustellen (e.g. beim Stationenlernen), was eine flexible Zeiteinteilung bei der Bearbeitung von Lernvideos begünstigt. Hierbei besteht die Möglichkeit, bei Bedarf die Sprechgeschwindigkeit der Darsteller mit Hilfe bestimmter Programme zu reduzieren.

      Obgleich einige der dargestellten Differenzierungsmöglichkeiten eine intensive Planung voraussetzen, machen die Ausführungen deutlich, inwiefern selbst kleine konzeptionelle Änderungen zum individuellen Lernerfolg beitragen können.

Theoretische Grundlagen und hermeneutische Lehrwerkanalyse

      6 Lernvideos: lehrwerksunabhängig – lehrwerksbegleitend – lehrwerksintegriert

      Die Erfindung des Videorekorders hat das Lernen mit Videos bereits um das Jahr 1970 begünstigt. Heutzutage – mehr als vier Jahrzehnte später – hat sich das Lernen mit Videos nun vollends als fester Bestandteil der Fremdsprachenausbildung etabliert. Betrachtet man die Entwicklungen im Bereich der Fremdsprachenausbildung, so reicht das Angebot mittlerweile von außerschulischen zu schulischen, von lehrwerksunabhängigen zu lehrwerksbegleitenden und -integrierten über didaktische und authentische Lernvideos bis hin zu online abrufbaren Videolernportalen (cf. Abb. 22).


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