Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen. Группа авторов

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      Ein weiterer Vorteil von Fremdwörtern besteht darin, dass die Fachausdrücke oft international verstanden werden. Wenn ein Krankheitsbild in der Kardiologie auf Deutsch Sinustachykardie und auf Portugiesisch Taquicardia sinusal heißt, erleichtert das die Kommunikation zwischen Ärzten, die unterschiedliche Sprachen sprechen.

      Neben Fremd- und Lehnwörtern lässt sich der Fachwortschatz auch durch Metaphernbildung erweitern. Das heißt, ein Wort der Gemeinsprache wird – aufgrund optischer oder sonstiger Charakteristika – in einer anderen Bedeutung in der Fachsprache verwendet. Beispielsweise bezeichnet Frosch in der Fachsprache des Bergbaus eine bestimmte Grubenlampe, im Vermessungswesen eine Unterlage, die bei der Höhenmessung verwendet wird, und in der Fachsprache der Musik das Spannelement beim Bogen von Streichinstrumenten. Ähnlich verhält es sich mit Herd, der in der Medizin eine lokale Veränderung mit Fernwirkung bezeichnet, und in der Metallurgie eine Platte, mit der Erze und nicht verwertbare Gesteine voneinander getrennt werden können.

      Der größte Teil des Fachwortschatzes entsteht allerdings nicht durch Entlehnung, Lehnübersetzung, metaphorische Verwendung oder Terminologisierung, sondern durch Wortbildungsprozesse, das heißt, durch Kombination grammatikalischer und lexikalischer Morpheme zu einem neuen Wort.

      Die Neubildung von Wörtern mittels verschiedener Wortbildungsverfahren ist maßgeblich durch das Streben nach Sprachökonomie motiviert, um eine schnelle und präzise Kommunikation unter Experten über fachliche Inhalte, beispielsweise über bestimmte Gegenstände, Prozesse, Theorien oder Sachverhalte zu ermöglichen. Solche sprachökonomischen Ausdrücke sind für die Kommunikationsteilnehmer meist leichter zu produzieren und zu verstehen als längere komplexere Strukturen. Beispielsweise kann durch eine Adjektiv-Substantivverbindung wie konjunkturbedingte Arbeitslosigkeit ein Sachverhalt relativ kurz benannt werden, den man andernfalls mit einer Nebensatzkonstruktion ausdrücken müsste.

      Wortbildung

      Viele Fachbegriffe sind morphologisch komplex. Typisch für den Fachwortschatz sind vor allem Komposita, Derivationen, Konversionen und Abkürzungen beziehungsweise Kurzwörter. Die Fachsprache bedient sich der gleichen Wortbildungsmuster wie die Alltagssprache, aber der Prozentsatz morphologischer komplexer Wörter ist in fachsprachlichen Kontexten im Allgemeinen höher als in alltagssprachlichen Situationen.

      Ein sehr beliebtes Wortbildungsmittel in Fachsprachen ist die Komposition. Komposita haben im Allgemeinen durch die determinierende Funktion der ersten Kompositumskomponente eine relativ genaue Bedeutung, beispielsweise handelt es sich bei Forstnerbohrer, Kanonenbohrer und Zentrierbohrer um spezielle Bohrerarten.

      Häufig treten Substantivkomposita auf, die oft auch aus mehreren Gliedern bestehen, zum Beispiel Energieeinsparverordnung oder Bundesausbildungsförderungsgesetz. Daneben gibt es aber auch Zusammensetzungen aus Konstituenten anderer Wortarten, wie zum Beispiel in den technischen Fachsprachen Verb-Verb-Komposita (presspolieren, sprühtrocknen), Verb-Substantivkomposita (Kühlmittel, Strahlmittel), Adjektiv-Substantiv-Komposita (Trockeneis, Tiefbau) und andere.

      Andere Fachbegriffe werden durch Derivation gebildet. Dabei werden sowohl native Affixe verwendet, zum Beispiel {-er} in Bohrer oder Träger oder {-bar} in spaltbar oder kondensierbar, als auch nicht-native Affixe, beispielsweise in der chemischen Nomenklatur {-it} als Suffix für sauerstoffarme Salze, zum Beispiel Sulfit, {-id} als Suffix für sauerstofffreie Salze, zum Beispiel Sulfid, und {-at} als Suffix für sauerstoffreiche Salze, zum Beispiel Sulfat). In der medizinischen Terminologie bezeichnet{-itis} eine Entzündung, wie in Bronchitis, eine Entzündung der Atemwege, Meningitis, eine Hirnhautentzündung, oder Sinusitis, einer Entzündung der Nasennebenhöhlen.

      Fachsprachliche Verben werden häufig mit Präfixen gebildet und erfahren dadurch eine Bedeutungsänderung, zum Beispiel abhärten, aushärten, enthärten, erhärten und verhärten oder abmessen, anmessen, aufmessen, ausmessen, durchmessen, vermessen und zumessen. So lassen sich die Vorgänge bedeutungsmäßig differenzieren und verdeutlichen.

      Ein weiteres oft verwendetes Wortbildungsmittel ist die Konversion, das heißt, der Wechsel eines Wortes in eine andere Wortart. In fachsprachlichen Texten kommen vor allem Substantivierungen von Verben vor (das Entstehen, das Trennen).

      Die morphologisch komplexen und oft auch mehrteiligen Fachbegriffe treten in der Fachkommunikation nicht immer als Vollformen auf, sondern oft aus Ökonomiegründen als Abkürzungen beziehungsweise Kurzwörter, beispielweise in der juristischen Fachsprache (RVG = Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, BRAGO = Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung) oder in der Fachsprache der Medizin (AIDS = acquired immunodeficiency syndrome, BSR = Bizeps-Sehnen-Reflex). Aus kognitionslinguistischer Perspektive sind Abkürzungen aufgrund ihrer Kürze zwar einerseits schneller zu verarbeiten, andererseits sind sie ohne Kontext häufig mehrdeutig: BA beispielsweise steht als Abkürzung für Bachelor of Arts, British Airways, Butylamine, Bundesagentur für Arbeit und weitere Vollformen.

      2.1.4 Wortschatz im Fachsprachenunterricht

      Wie in den obigen Abschnitten skizziert wurde, unterscheidet sich der fachsprachliche Wortschatz stark vom Wortschatz der Alltagssprache. Dies kann dazu führen, dass Deutschlerner sobald sie fachbezogenes Deutsch brauchen, weil sie in Deutschland studieren oder arbeiten, Schwierigkeiten haben, der Fachkommunikation zu folgen. Der Bedarf an speziellen Fachsprachenkursen, in denen Lernern des Deutschen als Fremdsprache die Lexik, Grammatik und Pragmatik der jeweiligen Fachkommunikation vermittelt wird, ist relativ groß und in den letzten Jahren auch kontinuierlich gestiegen. Angesichts der Vielfalt der unterschiedlichen Fachsprachen gibt es aber nur wenige Lehrmaterialien für die einzelnen Fachsprachen, vor allem in den Bereichen Medizin und Pflege, Hotel- und Gaststättengewerbe und Ingenieurswissenschaften.

      Der Mangel an Lehrwerken für bestimmte Fachsprachen sowie die Tatsache, dass die Dozenten in Fachsprachenkursen ja meist keine Experten in der Fachrichtung sind, deren Fachsprache sie vermitteln, stellt daher relativ hohe Anforderungen an die Unterrichtsplanung und -praxis. Die Planung eines Fachsprachenkurses beginnt daher im Idealfall zunächst mit einer Bedarfsanalyse, um das Lernangebot so gut wie möglich auf den tatsächlichen Bedarf der Lerner zuzuschneiden. In Bedarfsanalysen werden die needs der Lerner, das heißt ihre sprachlichen Bedürfnisse, mit ihren aktuellen sprachlichen Kompetenzen verglichen, um einerseits die lacks der Lerner zu bestimmen, das sind die Komponenten, die noch fehlen, um den sprachlichen Anforderungen gewachsen zu sein, und andererseits auch auf die wants einzugehen, das heißt die Komponenten, die den Lernern besonders wichtig sind (siehe auch Hutchinson & Water 1987 für eine detaillierte Diskussion der Kategorien needs, lacks und wants).

      Da die Deutschlerner in Fachsprachenkursen ja bereits Grundkenntnisse in der deutschen Alltagssprache besitzen, sollte bei der Auswahl des Wortschatzes im Fachsprachenunterricht vor allem die sprachlichen Elemente unterrichtet werden, die für die Kommunikation im Fachbereich notwendig sind, das heißt, besonders häufige beziehungsweise relevante Fachbegriffe. Dabei sollten Grundbegriffe vor spezifischen Fachbegriffen eingeführt werden, also zum Beispiel zunächst das Verb fräsen, und danach erst die unterschiedlichen Fräsverfahren, wie planfräsen, rundfräsen, schraubfräsen etc., damit bei der Erklärung der spezifischen Fachbegriffe auf die Grundbegriffe zurückgegriffen werden kann (siehe auch Buhlmann & Fearns 2000: 44ff). Ähnliches gilt für fachspezifische Kollokationen wie beispielsweise eine Gleichung aufstellen, eine Gleichung auflösen, eine Gleichung erfüllen. Die Bedeutung der Kollokationen entschließt sich oft erst aus der gemeinsprachlichen Bedeutung der einzelnen Komponenten. Im Unterricht muss deshalb zunächst sichergestellt werden, dass die Lerner über einen entsprechenden Alltagswortschatz verfügen, um die Kollokationen in ihrer übertragenen fachlichen Bedeutung verstehen zu können (vergleiche Tajmel 2011).

      In manchen Disziplinen gibt es viele Internationalismen, beispielsweise in der Fachsprache der Musik (piano, forte, crescendo etc.) oder in der medizinischen Terminologie –


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