Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen. Группа авторов

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Auch dieses dient der sprachlichen Präzision der Aussage und gleichzeitig der Ausdrucksökonomie, da durch Wahl attributiver Partizipien (Die zurückgeleitete erhitzte Flüssigkeit statt Die Flüssigkeit, die zurückgeleitet und erhitzt wurde; Aufgrund steigender Kosten statt Weil die Kosten gestiegen sind) der gleiche Sachverhalt kürzer ausgedrückt werden kann, als durch die entsprechenden Nebensätze.

      Als Tempus wird in Fachtexten vor allem das Präsens gebraucht, da die Aussagen meist allgemein gültig und zeitunabhängig sind, andere Tempora kommen seltener vor (zum Beispiel Roelcke 2010: 83). Buhlmann und Fearns (2000: 18f) weisen jedoch darauf hin, dass in bestimmten Textteilen fachlicher Texte auch andere Zeitformen wie Präteritum und Perfekt auftreten können. Im Präteritum werden dann meist nicht allgemeingültige Ergebnisse ausgedrückt, es wird beispielsweise bei der Beschreibung eines Versuchaufbaus verwendet (Zusätzlich wurde an dieser Stelle noch der Anodenstrom abgelesen), während das Perfekt zur Bezeichnung von wissenschaftlich abgesicherten Ergebnissen verwendet wird (Zusammenfassend hat sich ergeben, dass …).

      Es gibt auch Textsorten, die sehr wenig Verben enthalten (siehe auch Buhlmann & Fearns 2000: 19f), beispielsweise Textsegmente in Enzyklopädien, wie diese Beschreibung einer Hunderasse zeigt:

      Foxhound [-haund; aus gleichbed. engl. Fuchshund] der, -s/-s, von frz. Jagdhunden abstammende engl. Hunderasse, Verwendung zunächst zur Parforcejagd auf den Hirsch; energisch, freundlich, verträglich und anhänglich; etwa 58 cm hoch; drei- oder zweifarbig: weiß-schwarz-lohfarben, weiß-orange." (Brockhaus 2006: 541)

      Zusammengefasst sieht man auf der Ebene der Morphologie ein reduziertes Formeninventar in fachsprachlichen Texten verglichen mit anderen Text- und Kommunikationsformen; vor allem das Verbparadigma wird wesentlich weniger ausgeschöpft als in der Gemeinsprache.

      Bestimmte Strukturen, die in Fachtexten wesentlich häufiger als in anderen Texten vorkommen und zum typisch fachsprachlichen Stil beitragen, gibt es nicht nur im Bereich der Flexionsmorphologie, sondern auch im Bereich der Syntax, mit der wir uns als Nächstes beschäftigen:

      Die Satzlänge in Fachtexten ist im Allgemeinen deutlich länger als in anderen Textsorten (vergleiche Hoffmann 1998: 417). Am häufigsten findet man Aussagesätze, Fragesätze treten vor allem als rhetorische Fragen auf, zum Beispiel Wann ist Integration erfolgreich?, und Aufforderungssätze in Gebrauchsanleitungen, beispielsweise Öffnen Sie zunächst die Konfigurationsoberfläche (Hoffmann 1998: 418).

      Das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebensätzen hängt stark von Textsorte und Disziplin ab. In den naturwissenschaftlich-technischen Fachsprachen gibt es oft relativ wenig Nebensätze: Nach Buhlmann und Fearns (2000: 49) enthalten in Lehrbüchern für den Maschinenbau nur ca. 20–25 % der Sätze einen Nebensatz. In den Geisteswissenschaften scheint der Prozentsatz jedoch höher zu liegen; in einer Analyse linguistischer wissenschaftlicher Aufsätze ermittelte Plag (2011), dass 46 %, also knapp die Hälfte der Sätze, in seinem Korpus Nebensätze enthielten.

      Die für Fachtexte typischen Nebensatzsorten sind neben Relativsätzen unter anderem Konditionalsätze, Kausalsätze und Finalsätze. Konditionalsätze kommen relativ häufig in verkürzter Form vor, also ohne Konjunktion: Ist die Lösung gesättigt, setzt sich der Zucker auf dem Boden ab statt Wenn die Lösung gesättigt ist. Wie bereits oben erwähnt, werden statt Relativsätzen auch oft Attribute verwendet, da durch eine Partizipialkonstruktion der gleiche Sachverhalt noch kürzer und damit ökonomischer ausgedrückt werden kann als mit einem Nebensatz. Das bewusste Ausschöpfen der Kürzungsmöglichkeiten eines Satzes wird als syntaktische Kondensationsyntaktische Kondensation oder syntaktische Kompressionsyntaktische Kompression bezeichnet (unter anderem von Hahn 1983; Möhn & Pelka 1984: 20) und trägt damit zur Ausdrucksökonomie bei.

      Wie schon in Lerneinheit 2.1 angesprochen, werden Verben in Fachtexten oft substantiviert beziehungsweise durch Funktionsverbgefüge ersetzt (aufführenzur Aufführung bringen, abgelehnt werdenauf Ablehnung stoßen). Diese Tendenz führt zum typischen Nominalstil deutscher Fachtexte: Verben kommen relativ selten vor und enthalten auch insgesamt wenig semantische Information, da die Bedeutung eines Satzes hauptsächlich durch Substantive beziehungsweise komplexe Nominalgruppen ausgedrückt wird, zum Beispiel: Die für nicht-muttersprachliche Schüler schwer nachvollziehbare Aufgabenstellung stieß bei der Überprüfung der Aufgaben durch die zuständige Kommission auf Ablehnung).

      Auch diese syntaktischen Charakteristika fachsprachlicher Texte gehen mit Präzision, Explizitheit und anderen Funktionen der Fachkommunikation einher: So fasst Fluck zusammen:

      Die Verwendung und der Ausbau dieser syntaktischen Mittel in fachsprachlichen Texten sind funktional bedingt: Sie entsprechen der geforderten Ausdrucksökonomie und dem Bestreben nach klarer und eindeutiger Fixierung von Sachverhalten und Denkbeziehungen. (1996: 56)

      2.2.4 Bedeutung der grammatikalischen Phänomene für den DaF-Unterricht

      Die vorgestellten Charakteristika deutscher Fachtexte wirken sich natürlich auch auf den Deutsch als Fremdsprache-Unterricht in Fachsprachenkursen aus: Der fachsprachliche Wortschatz ist deutlich umfangreicher als der allgemeinsprachliche Wortschatz, das heißt, der Erwerb eines ausreichenden Fachwortschatzes ist für Deutschlerner keine leichte Aufgabe.

      Im Bereich der fachsprachlichen Grammatik zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Fachtexte weisen ein reduziertes Inventar grammatischer Strukturen auf (siehe zum Beispiel Hoffmann 1998: 416) und als Folge davon kann sich der Fachsprachenunterricht beispielsweise auf die Formen konzentrieren, die vorwiegend in Fachtexten vorkommen, beispielsweise bei Verben auf die Formen der 3. Person Singular und Plural. Es muss also nicht das ganze Konjugationsparadigma unterrichtet beziehungsweise beherrscht werden, da das Spektrum nicht vollständig ausgeschöpft wird. Welche Zeitformen behandelt werden, hängt allerdings stark von den einzelnen Disziplinen ab – so sind in der Fachsprache der Geschichtswissenschaften beispielsweise Präteritum und Futur häufig vorkommende Tempora, da Vor- und Nachzeitigkeit beschrieben werden können muss, in naturwissenschaftlich-technischen Fachsprachen, in denen zeitunabhängige allgemeingültige Phänomene beschrieben werden, dominiert das Präsens.

      Uneingeleitete Konditionalsätze der Form Besteht ein hinreichender Verdacht auf Umweltkontamination … müssen sicherlich explizit im Fachsprachenunterricht behandelt werden, da diese Konstruktion in der Alltagssprache praktisch nicht vorkommt. Bei der Auswahl der Textsorten ist zu überlegen, dass es Textsorten gibt, die Deutsch als Fremdsprache-Lerner nur verstehen müssen (zum Beispiel Beipackzettel von Medikamenten), und solche, die sie auch produzieren können sollten (beispielsweise die Beschreibung eines Versuchsaufbaus). Diese Unterschiede sollten bei der Planung und Gestaltung des Unterrichts berücksichtigt werden.

      Empfehlenswert ist auch, sich nicht ausschließlich auf die fachsprachliche Ausdrucksweise zu konzentrieren und nur die fachsprachlichen Formen zu üben – beispielsweise die Produktion und das Verständnis komplexer Nominalphrasen. Darüber hinaus sollten auch die Unterschiede zwischen fachsprachlichem und allgemeinsprachlichem Stil thematisiert werden, damit nicht nur die Formen beherrscht werden, die fachsprachenspezifisch sind (zum Beispiel Nominalstil), sondern auch diejenigen Formen erkannt werden können, die in der Fachkommunikation zu vermeiden sind (zum Beispiel die Verbformen der 1. Person Singular).

      2.2.5 Zusammenfassung

       Es besteht ein starker Zusammenhang zwischen Fachsprache und konzeptioneller Schriftlichkeit, grammatikalische Auffälligkeiten lassen sich daher vor allem in Fachtexten und anderen konzeptionell schriftlichen Kommunikationsformen finden.

       Die grammatikalischen Charakteristika von Fachtexten sind weniger auffallend als die lexikalischen Eigenschaften, da es sich nur um quantitative Unterschiede zur Gemeinsprache handelt: Verben erscheinen zum Beispiel vorwiegend in der 3. Person Indikativ, sehr selten in der 1. oder 2. Person (ich-Tabu). Diese Reduktion erleichtert das Unterrichten in Fachsprachenkursen, da man sich auf die in der Fachkommunikation verwendeten Formen konzentrieren kann und andere Formen (zum Beispiel Verbformen


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