Eros und Logos. Группа авторов
zu pfül und unterküssen/ So lag die lust der welt ohn alle kleider bloß/ Indem die volle brust die trauben nachbar nennte/
In kunstvoller Bildlichkeit umschreibt der Dichter den von Venus erwählten locus amoenus: Das von Claudian beschriebene „schattenspendende Weinlaub“ ist mit pars pro toto „ein reden-blat“, das „dunkel-grüne nacht“ gibt (V. 4), dargestellt; metonymisch ist die durch das Blätterdach fallende Sonne abgebildet. Dagegen haben die polysyndetischen Partikel „weder schlaff noch ruh/ noch kühler schatten fehlet“ (V. 3) eine mimetische Funktion. Weil sie mit den Verssenkungen zusammenfallen, rhythmisieren sie den Alexandriner monoton und stellen dadurch das zur Ruhe kommende Gemüt der Venus dar. Die in den ersten sechs Versen hergestellte idyllische Atmosphäre steht der sich sprichwörtlich ins Blumenbeet werfenden Venus entgegen: „Die nelcke schien ein feur/ die ros’ ein stern der erden/ Die veilg ein blau saphir/ die lilg ein spiegelglaß.“ (V. 9–10). Das paradoxe Bild einer auch in der Dunkelheit der Höhle überlebenden Blumenpracht spiegelt metaphorisch die nie verwelkende Schönheit der Venus, während in den Preziosen-Metaphern der evozierte locus amoenus weiter ausgeschmückt wird. Darauffolgend wird die nackte Schönheit hyperbolisch abstrahiert: „So lag die Lust der welt ohn alle kleider bloß“ (V. 13), bevor die nackte Göttin dann tatsächlich beschrieben wird. Deutlich überbietet der anonyme Dichter den erotischen Gehalt der Vorlage, denn während die Venus bei Claudian noch ein „Gewand“ trägt und die Brust „durch das Laub schimmert“ (V. 6), ist die Venus in der Übersetzung unbekleidet und unbedeckt. In petrarkistischen Preziosen-Metaphern wird die völlige Nacktheit der Venus gemäß dem Zeitgeschmack beschrieben. Dabei dient vor allem die pittoreske Beschreibung der leicht geöffneten Vulva dazu, das voyeuristische Moment des Gedichts maximal auszureizen (V. 17–18). Dies wird zusätzlich verstärkt, indem die sexuelle Handlung an der betrachteten Göttin über den personifizierten Fluss, „der etwas zitternd floß/ und küsse nach und nach Dem lieben ufer gab“ (V. 22–23), antizipiert wird.
Die gewagte übersetzerische Aneignung überbietet Claudians lateinische Vorlage, indem darin die erotische Darstellung formal ästhetisiert und imaginativ ausweitet, so dass die nackte Venus zum imaginierten Objekt der Begierde wird. Trotz der metaphorischen Sprache ist die Mittelbarkeit der Erotik in der Rezeption also deutlich gesenkt, und damit wird die erotische Konnotation für die Leserschaft zu einem voyeuristischen Erlebnis.
4. Johann von Besser: Die Ruhestatt der Liebe / oder die schooß der geliebten (1695)
Das berüchtigte, 240 Alexandriner umfassende Gedicht Die Ruhestatt der Liebe / oder die schooß der geliebten1 von Johann von Besser beschreibt, wie Claudians Epithalamium eingangs eine nackte, schlafende Frau beobachtet. Allerdings substituiert Besser die Venus mit der Schäferdame Chloris, die nicht von dem Hochzeitstrubel, sondern von ihrem Verehrer Celadon durch eine nicht einvernehmliche sexuelle Handlung geweckt wird. Daraufhin muss sich Celadon für sein Fehlverhalten rechtfertigen, schafft es durch seine apologetische Rhetorik jedoch, Chloris wieder für sich zu gewinnen. Das Gedicht endet mit dem einvernehmlich vollzogenen Beischlaf. Während der Götterapparat also getilgt und die Handlungsführung auf die beiden Liebenden verschoben ist, lässt sich die intertextuelle Beziehung der beiden Gedichte durch die Eingangsszene bei Besser nachweisen, in der er unmissverständlich die Eingangsverse von Claudians Epithalamium zitiert:
1 | Bey diesen brennenden und schwülen sommertagen Ließ Chloris sich einmahl in ihren garten tragen/ Und suchte vor dem brand der sonnen eine klufft/ Von kühler witterung und schattenreicher lufft. |
5 | Sie setzte sich erhitzt bey einem baume nieder/ Und streckte bald darauff die perlen-volle glieder In das noch frische gras/ geruhiger zu seyn/ Und schlieff auch/ wie sie lag/ halb von der seiten ein. Ihr alabaster-leib war nur mit flor bekleidet/ |
10 | Und weilen man den zwang nicht bey der hitze leidet/ Ward ihre blosse brust im grünen klee gespürt/ Die zur gemächligkeit sie eben auffgeschnürt. Der sanffte westen-wind/ bereit sie abzukühlen/ Ließ seinen othem gleich auff diese wellen spielen/ |
15 | Und bließ mit stillem hauch bey ihrer süssen ruh Ihr aus der floren hand die weichsten blumen zu. Es wiegte gleichsam sie sein angenehmes weben; Doch als er sich bemüht den leichten rock zu heben/ Riß endlich unversehns von der gestreckten schooß |
20 | Der vorgeschürzte flor mit seinem gürtel los. (V. 1–20) |
Das Bild der sich auf das Gras legenden Göttin2 gibt Besser nahezu wörtlich wieder (V. 6–7), wobei er „sidereos“ nicht mit „glänzend/strahlend“ übersetzt, sondern preziös-metaphorisch mit „perlen-voll“ (V. 6). Ferner bieten die Verse 10–11 eine ziemlich getreue Übersetzung von Claudians Versen 6–7: „ora decet neclecta sopor; fastidit amictum aestus et exuto translucent pectore frondes“. Offensichtlich übernimmt Besser also nicht nur das Motiv der schlafenden, nackten Venus und projiziert es auf „Chloris“ (V. 2), sondern schließt auch textuell wörtlich an die lateinische Vorlage an. Damit lässt sich Bessers Ruhestatt der Liebe eindeutig als Parodie von Claudians Epithalamium bestimmen.3
In alexandrinischen Reimpaaren mit wechselndem Versgeschlecht amplifiziert Besser im epischen Ausmaß das erotische Moment und steigert es ins pornographische. Dabei fokussiert die Beschreibung wie in der anonymen Übersetzung das weibliche Geschlechtsteil. Geschickt wird der Leser als Komplize in Mitwissenschaft gezogen, indem das lyrische Ich sich und den Leser dreifach mit „uns“ apostrophiert (V. 23–26), bevor die Betrachtung in 26 Versen bildlich beschrieben und dem Leser dadurch tatsächlich eine Art Mitsicht geboten wird. Die akkumulatio von petrarkistischen Preziosen-Metaphern („castell von marmor“ „in einem liljenthal“ „eingang von rubin“ „schatten-werck von myrthen“ „von helffenbein […] hüffte“ (V. 29–37)) spitzt Besser kunstvoll zu, indem er zwei abschließende Metaphern anaphorisch mit der antithetischen Pointe verklammert:
Kein apffel kan so frisch sich an dem stengel halten/
Kein purpur-pfirsig ist so sanfft und zart gespalten/
Kein kleiner raum der welt hat so viel überfluß/
Als in der Chloris schooß der weisse nabel-schluß. (V. 41–44)
Dabei ist dieses hyperbolische Zwischenfazit durchaus als selbstironischer Kommentar auf die eigene Programmatik zu deuten. Denn Besser stellt mit der weiblichen Scham ohnehin ein pikantes Thema vor, weshalb die übermäßige Länge der Illustration übertrieben, fast unangemessen, wenn nicht gar pornographisch erscheint. Gerade dies ist jedoch Teil des galanten Programms, das Besser wie folgt zusammenfasst: „Das liebste/ das man kennt/ und doch sich scheut zu nennen/ Weil auch das blosse wort uns schon vermag zu brennen“ (V. 25–26). Paralyptisch täuscht das lyrische Ich Hemmungen gegenüber der selbst vorgebrachten Thematik vor, um dann in epischer Breite das weibliche Geschlechtsteil zu beschreiben. Die ‚insistierende Nennung‘ ist hierbei jedoch Teil der arguten Technik, mit der die Beschreibung der weiblichen Scham künstlich überformt wird und an Schärfe verliert. Insofern ist Bessers Ruhestatt der Liebe als Probe aufs Exempel für die galante Poetologie zu verstehen4, die Besser freilich auf