Übersetzungstheorien. Radegundis Stolze

Übersetzungstheorien - Radegundis Stolze


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Sortierung der VerfahrenVerfahren von „Texttransformationen“ im Blick auf die Zeichenstrukturen, als da wären Übersetzungen, Bearbeitungen, Interlinearversionen, Paraphrasen, Nachdichtungen und andere Arten der interlingualen Textumformung. Die Intention von SCHREIBERS Studie liegt in einheitlichen Kriterien für die Zuordnung der Beschreibung unterschiedlicher Phänomene der Texttransformation, die bislang unter heterogenen Bezeichnungen geführt werden.

      Dieser Ertrag kann bei einem deskriptiven Textvergleich angewendet werden, ist jedoch beim praktischen Übersetzen als Prozess nicht fruchtbar zu machen. Der Zirkel zwischen „TreueTreue und FreiheiHermeneutikt“Freiheit des Übersetzens bezieht sich auf Textelemente im Sinne von wörtlich oder auch paraphrasiert als angeblichem Garant für „Informationskonstanz“ der MitteilungMitteilungsgeschehen. Als eine „freie Übersetzung“ gilt dann eine inhaltlich verändernde Aussage durch Ausdrucksverschiebung (Shift), und SCHREIBER diskutiert Invarianzforderungen und Typen der Bearbeitung als Abweichungen hiervon. Er unterscheidet zwischen „Umfeldübersetzung“ (einbürgernde Übersetzung) und „Textübersetzung“ (verfremdende Übersetzung). Dies erinnert an HOUSES „overt“ und „covert translation“ (s. Kap. 4.5). Bei der Umfeldübersetzung diskutiert er den Primat der Intention im Gegensatz zum Primat der Wirkung.

      Historisch wurde das philologisch genaue Übersetzen als Dienst am AutorAutor oft als Fron gesehen. Jörn ALBRECHTAlbrecht (1998:67) versteht im Unterschied dazu „treu“ in einem viel allgemeineren SinnSinn als „wörtlich“, nämlich im Sinn von „dem AusgangstextOriginal verpflichtet“, was durchaus im Widerspruch zur WörtlichkeitWörtlichkeit stehen könne. Eine „freie ÜbersetzungTranslation“ bedeutet dann das „Abweichen vom Prinzip der syntagmatischen und paradigmatischen Wörtlichkeit aus rein sprachlichen Gründen“. Dies entspräche der „philologischen Übersetzung“ nach KASSÜHLKE. (Es gibt darüber hinaus ganz andere Arten von „Freiheiten“, die sich ÜbersetzerTranslator herausnehmen.) Für sich kann ALBRECHT (1998:62) jene alte Formel – man solle übersetzen: so treu wie möglich und so frei wie nötig – verteidigen, sie sei „weit besser als der Ruf, den sie unter Übersetzungswissenschaftlern genießt. Sie trifft genau, was sie treffen soll, aber sie ist dunkel.“

      6.4 Die normativen Äquivalenzforderungen (KollerKoller)

      Stärker textbezogen geht Werner KOLLERKoller in seinem Buch Einführung in die ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft (1979, 41992, 82011) an das Problem heran. Wichtig ist für ihn die Klärung der „übersetzungskonstituierenden Beziehung zwischen ZieltextZieltext und Ausgangstext“ (1992:16). Er meint:

      Eine Übersetzung ist das Resultat einer sprachlich-textuellen Operation, die von einem AS-Text zu einem ZS-Text führt, wobei zwischen ZS-Text und AS-Text eine Übersetzungs- (oder ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung-)relation hergestellt wird. (…) Eine zentrale Aufgabe der ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft als empirische Wissenschaft besteht darin, die Lösungen, die die ÜbersetzerÜbersetzer in ihren Übersetzungen anbieten, zu analysieren, zu beschreiben, zu systematisieren und zu problematisieren (1992:16/17f).

      Diese Aufgabe führt KollerKoller anhand sehr reichhaltiger Beispieldiskussion durch, wobei er ausführt:

      ÜbersetzenÜbersetzen ist ein sprachlich-textueller Prozeß, bei dem AS-Ausdrücken (Lexemen, Syntagmen, Sätzen) ZS-Ausdrücke zugeordnet werden. Die linguistische ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft beschreibt die potentiellen Zuordnungsvarianten (Äquivalente) und gibt die Faktoren und Kriterien an, die die Wahl von aktuellen Entsprechungen bestimmen. Folgende Teilaufgaben lassen sich unterscheiden:

      „1. Erarbeitung der theoretischen Grundlagen der Beschreibung von Äquivalenzbeziehungen, allgemein wie auch bezogen auf bestimmte sprachliche Einheiten.

      2. Von Übersetzungstexten ausgehender Sprachvergleich auf der syntaktischen, semantischen und stilistischen Ebene mit dem Ziel der Herausarbeitung von potentiellen Übersetzungsäquivalenten.

      3. Sprachenpaarbezogene Beschreibung von speziellen Übersetzungsschwierigkeiten (z.B. Metaphern, kulturspezifische Elemente, Sprachschichten, Sprachspiel etc.).

      4. Beschreibung von ÜbersetzungsverfahrenÜbersetzungsverfahren im syntaktischen, lexikalischen und stilistischen Bereich für Typen von Übersetzungsfällen“ (KOLLERKoller 1992:125f).

      Die RedeRedes. parole von „Zuordnungsvarianten“ schließt sich übersetzungstheoretisch wieder an das kommunikationswissenschaftliche Übersetzungsmodell mit den potentiellen Entsprechungen der linguistischen ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft (s. Kap. 4.3) an. KOLLERKoller versteht unter „ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“ etwas anderes als NIDANida. Doch wird gleichfalls in der „Initialphase des Übersetzungsprozesses die AS-Text-Analyse, die zur Feststellung einer eindeutigen Textbedeutung führt“ gefordert (KOLLER 1992:147). Hinzu soll jedoch noch die „stilistische und die pragmatische Analyse treten“, die nach dem Stellenwert entsprechender sprachlicher Mittel im AS-Text fragt.

      Weil ÜbersetzenÜbersetzen eine TextREproduktion ist, setzt sich KOLLERKoller klar von TextbearbeitungenDifferenzierungBearbeitung, wie Verbesserung, Umformulierung, Zusammenfassung, adressatenspezifischer AdaptationAdaptation usw. ab und diskutiert das Recht des Übersetzers zu Eingriffen in den Text (1992:195): „Als Übersetzung im eigentlichen SinnSinn bezeichnen wir nur, was bestimmten Äquivalenzforderungen normativer Art genügt“ (1979:79; 1992:200). Nur dann sind potentielle Äquivalente objektivierbar. „Dies bedeutet u.a., daß die Bedingungen herausgearbeitet werden, die die Auswahl unter potentiellen Äquivalenten auf Wort-, Syntagma-, Satz- und Textebene bestimmen“ (1992:205). KOLLER präzisiert:

      Mit dem BegriffBegriff der ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung wird postuliert, daß zwischen einem Text (bzw. Textelementen) in einer SpracheSprache L2 (ZS-Text) und einem Text (bzw. Textelementen) in einer Sprache L1 (AS-Text) eine Übersetzungsbeziehung besteht. Der Begriff ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung sagt dabei noch nichts über die Art der Beziehung aus: diese muß zusätzlich definiert werden. (…) Die Äquivalenzforderung läßt sich jeweils in die Formel fassen: die Qualität(en) X des AS-Textes (Qualitäten inhaltlicher, stilistischer, funktioneller, ästhetischer etc. Art) muß (müssen) in der Übersetzung gewahrt werden, wobei sprachlich-stilistische, textuelle und pragmatische Bedingungen auf der Seite der Empfänger zu berücksichtigen sind (1992:215).

       Die Äquivalenzforderung richtet sich nach Bezugsrahmen

      „Es gibt m.E. fünf Bezugsrahmen, die bei der Festlegung der Art der Übersetzungsäquivalenz eine Rolle spielen:

      (1.) der außersprachliche Sachverhalt, der in einem Text vermittelt wird; den Äquivalenzbegriff, der sich am außersprachlichen Sachverhalt orientiert, nenne ich denotative ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung;

      (2.) die im Text durch die Art der VerbalisierungVerbalisierung (insbesondere: durch spezifische Auswahl unter synonymischen oder quasi-synonymischen Ausdrucksmöglichkeiten) vermittelten Konnotationen bezüglich Stilschicht, soziolektale und geographische DimensionDimension, Frequenz etc.: den Äquivalenzbegriff, der sich an diesen Kategorien orientiert, nenne ich konnotative Äquivalenz;

      (3.) die Text- und Sprachnormen (Gebrauchsnormen), die für bestimmte Texte gelten: den Äquivalenzbegriff, der sich auf solche textgattungsspezifische Merkmale bezieht, nenne ich textnormative ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung;

      (4.) der EmpfängerEmpfänger (LeserLesers. Empfänger), an den sich die Übersetzung richtet und der den Text auf der Basis seiner Verstehensvoraussetzungen rezipieren können soll, bzw. auf den die Übersetzung „eingestellt“ wird, damit sie ihre kommunikative Funktion erfüllen kann; die empfängerbezogene ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung nenne ich pragmatische ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung;

      (5.) Bestimmte ästhetische, formale und individualstilistische


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