Stil und Text. Michael Hoffmann

Stil und Text - Michael Hoffmann


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dem UNTERWEISENUNTERWEISEN. Mit der Zutatenbeschreibung werden Rezipienten im Hinblick darauf unterwiesen, was für die Vorbereitung des Kochens beschafft und getan werden muss, mit der Zubereitungsbeschreibung im Hinblick darauf, was in welcher Reihenfolge getan werden muss, damit der Kochvorgang gelingt.

      DISKUSSION

      In der Literatur wird auch von Stilhandlungen gesprochen. Können GestaltungsakteGestaltungsakt problemlos als stilistische TexthandlungenTexthandlung aufgefasst werden?

      In einem handlungstypologischen Rahmen ist diese Frage zu bejahen, in einem textstilistischen Bezugsfeld eher zu verneinen.

      Zum handlungstypologischen Rahmen: Texthandlungstypologisch kann man beispielsweise zwischen Basis-, Situierungs- und Ästhetisierungs-Handlungen unterscheiden (vgl. Hoffmann 2012a: 233f.). Basis-Handlungen wie BESCHREIBENBESCHREIBEN oder AUFFORDERNAUFFORDERN sind in situativer wie ästhetischer Hinsicht völlig unbestimmt – entsprechend vielfältig sind ihre stilistischen Facetten. Situierungs-Handlungen hingegen haben den kommunikativen Zweck, Basis-Handlungen der jeweiligen KommunikationssituationKommunikationssituation anzupassen. Darunter können Anpassungen an den KommunikationsbereichKommunikationsbereich fallen. Beispiele für diesen Handlungstyp sind THEORETISIEREN in der Wissenschaft, PORTRÄTIEREN im Journalismus und ADMINISTRIEREN im Behördenwesen. Textproduzentenseitige Aktivitäten schließlich, die den kommunikativen Zweck haben, die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf die Machart des Textes zu lenken (siehe 2.6.1), kann man handlungstypologisch als Ästhetisierungs-Handlungen bestimmen, z.B. AUFFÄLLIG-MACHEN, ORIGINALISIEREN, SPANNUNG-ERZEUGEN.

      Zum textstilistischen Bezugsfeld: In diesem Bezugsfeld ist der Handlungsbegriff unnötig, ja störend. Wenn man Stil als die Art und Weise der Handlungsdurchführung bestimmt (vgl. Sandig 2006: 9), kann Stil wohl nicht selbst eine Handlung sein. Auch die Konstruktion von Gleichzeitig- und Zusatzhandlungen (vgl. Sandig 1986: 59f.) hilft aus diesem terminologischen Dilemma nicht heraus. Es ist zweckmäßiger, sich an der Sprechakttheorie zu orientieren, die Sprechakte als ein Ensemble von Teilakten beschreibt, und ‚GestaltungsaktGestaltungsakt’ als einen Teilakt von TexthandlungenTexthandlung zu bestimmen.

      2.4.2.2 TextthemaTextthema: Stil als das Wie der Versprachlichung und Vertextung des Themas

      Wie wir am Beispiel von Kontaktanzeigen sehen, kann ein und dasselbe Thema (‚Partnersuche‘) ganz unterschiedlich versprachlicht werden: Frau sucht Mann (Text 3), Ich suche Dich! und Prinzessin sucht Frosch (Text 4) oder einfach nur Mann, wobei die Prädikation sucht Frau rezeptiv zu ergänzen (zu inferieren) ist (Text 9). Wir erfahren aus den Beispieltexten außerdem, dass Teilthemen des Themas ‚Partnersuche‘, insbesondere die Teilthemen ‚Persönlichkeitsmerkmale der suchenden Person‘ und ‚Persönlichkeitsmerkmale der gesuchten Person‘, in unterschiedlicher DetailliertheitDetailliertheit versprachlicht werden können. In einem der Texte (Text 9) werden 13 Wertadjektive aneinandergereiht, um Vorzüge der eigenen Person aufzulisten, was deutliche Parallelen zu Werbetexten erkennen lässt, während die partnerbeschreibenden Merkmale gänzlich fehlen. Des Weiteren können wir registrieren, dass das Thema ‚Partnersuche‘ nicht zwangsläufig texteröffnend genannt sein muss. Die Textanfänge sind literarisch gestaltet, zitieren aus dem Refrain eines Songtextes, wie in Text 3 (Schwere See, mein Herz?), oder bestehen aus einem Regionalkennzeichenkürzel, wie in Text 9 (DD). Anders hingegen Text 4: Er beginnt mit dem elliptischen ThemasatzThemasatz Suche Dich! Mit Themasätzen, aber auch ThemawörternThemawort (vgl. van Dijk 1980: 50) wird das Thema eines Textes explizit formuliert bzw. bezeichnet. Das Thema ‚Partnersuche‘ fügt sich natürlich nicht nur in den Gestaltungsrahmen ‚Kontaktanzeige‘ ein. ‚Partnersuche‘ kann zum Thema werden auch in Ratgebertexten, in psychologischen und poetischenPoetizität/poetisch Texten, nicht zuletzt in allen erdenklichen Formen privater Kommunikation.

      Schlussfolgernd können wir festhalten: Stil ist auf der Vertextungsebene TextthemaTextthema die Art und Weise, wie das Thema eines Textes versprachlicht und vertextet worden ist. Zu den Vertextungsarten gehört, wie das Thema eines Textes entfaltet worden ist. Themenentfaltungshandlungen repräsentieren zwar einerseits einen Texthandlungstyp und sind – wie fast alle TexthandlungenTexthandlung – stilistisch variabel durchführbar, was sich in verschiedenen Stilen des BESCHREIBENsBESCHREIBEN (vgl. 2.4.2.1), BERICHTENsBERICHTEN, ARGUMENTIERENsARGUMENTIEREN usw. manifestiert, andererseits kann ein und dasselbe Thema bspw. beschreibend oder berichtend entfaltet werden. Das aber erfordert nicht irgendeinen, sondern einen bestimmten Stil, denn die jeweilige Art der ThemenentfaltungThemenentfaltung muss auch stilistisch kenntlich gemacht werden. Für jede Grundform thematischer Entfaltung gibt es daher eine Stilform mit Indikator-Funktion, was in Stilkennzeichnungen wie ‚berichtender Stil‘ oder ‚beschreibender Stil‘ seinen Ausdruck findet. So gesehen ist die Entscheidung für eine Art der thematischen Entfaltung immer auch eine stilistische Entscheidung.

      Bevor Beispiele für die Versprachlichung und Vertextung des Themas analysiert werden, sollte noch geklärt sein, was der Begriff TextthemaTextthema eigentlich erfasst. Die textlinguistische Diskussion hierzu beiseite lassend (vgl. u.a. Adamzik 2004: 118ff.), wollen wir ‚Textthema‘ als objektsemantisches Zentrum eines Textes begreifen, d.h. als Kerninformation darüber, auf welches Objekt (Gegenstand, Zustand, Lebewesen, Ereignis, Begriff usw.) alle weiteren Informationen (als Teilthemen) bezogen sind.

      Wenden wir uns nun einigen thematisierungsstilistischen Unterschieden zu, die bei einem Vergleich von Texten mit Übereinstimmung im Thema am besten hervortreten.

      a) Arten der Entfaltung des Themas – Stil als Indikator

       Brandstiftung in Berlin-Wilmersdorf

      Auto des BZ-Journalisten Gunnar Schupelius angezündet

      Von Tanja Buntrock

       Das Auto, das in der Nacht zu Montag in Berlin-Wilmersdorf angezündet worden war, gehört dem Kolumnisten der BZ , Gunnar Schupelius. Nun ermittelt der Staatsschutz, ob das Fahrzeug des Journalisten gezielt angegriffen worden war.

      Nach der Brandstiftung in Wilmersdorf, wo – wie berichtet – in der Nacht zu Montag in der Ahrweilerstraße ein Auto angezündet und fünf weitere beschädigt wurden, ermittelt nun der Staatsschutz: Denn der in Brand gesetzte Mini Cooper gehört dem B.Z.-Journalisten Gunnar Schupelius. In seiner Kolumne „Mein Ärger – der gerechte Zorn von Gunnar Schupelius“ schimpft der Autor etwa über Graffiti am U-Bahnhof oder erörtert, warum „die Grünen nicht regieren können“, und sucht mit seinen konservativen Thesen die Kernleserschaft der Boulevardzeitung anzusprechen.

      Ob der Brandanschlag gezielt Gunnar Schupelius’ Auto galt oder dieses zufällig angezündet worden war, sei noch unklar, hieß es bei der Polizei. „Ob eine politische Motivation die Zielrichtung war oder es andere Hintergründe gibt, müssen die Ermittlungen ergeben“, sagte ein Sprecher. Ein Selbstbezichtigungsschreiben läge derzeit nicht vor. Gunnar Schupelius wollte sich nicht zu dem Vorfall äußern.

       Beispieltext 11: Medienbericht

      tagesspiegel.de (19.03.2014: 9:20 Uhr).

      Brandstiftung, gemeingefährliches, mit hohen Strafen bedrohtes Gefährdungsdelikt. Wegen schwerer B. wird nach § 306 a StGB mit Freiheitsentzug nicht unter einem Jahr bestraft, wer in Brand setzt: 1) ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude, 2) ein Gebäude, ein Schiff oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient, 3) eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, und zwar zu einer Zeit, während Menschen sich darin aufzuhalten pflegen. Wenn durch die B. wenigstens leichtfertig der Tod eines Menschen verursacht wird, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren (§ 306 c StGB). Eine besonders schwere Brandstiftung (§ 306 b StGB) liegt vor, wenn eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht wird (Freiheitsstrafe nicht unter 2 Jahren). Freiheitsstrafe


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