Stil und Text. Michael Hoffmann
Inhaltsverzeichnis (i.d.R. nach dem Dezimalsystem in Abschnitte und Unterabschnitte gegliedert) – Erörterung – Literatur- und Quellenverzeichnis – Fuß- oder Endnoten (Anmerkungen)
Tab. 7: Zusammenhänge zwischen Textart und TextarchitektonikTextarchitektonik
Textbausteine können sich unterscheiden durch die Art
ihrer Platzierung (siehe z.B. Abstract, Briefkopf, Präambel, Prolog);
ihrer geometrischen Form (siehe z.B. Felder, Panels, Spalten, Sprech- und Denkblasen);
ihrer Verknüpfung (siehe z.B. Akt/Szene, Tabelle/Spalte, verlinkte Module)
ihrer proportionalen Verhältnisse (siehe z.B. Erörterung als Haupttext und Fuß- bzw. Endnoten als Nebentexte in wissenschaftlichen Aufsätzen).
Textbausteine können rein textthematisch bestimmt sein, wie man am Beispiel der TextsorteTextsorte Veranstaltungsflyer sehen kann. Fast jeder Baustein repräsentiert in diesem Rahmen ein anderes Teilthema. Die Einbettung in den Gestaltungsrahmen einer Textart bringt aber auch Zusammenhänge mit der pragmatischenPragmatik/pragmatisch oder poetischenPoetizität/poetisch Ausrichtung der Bausteine zum Vorschein (siehe z.B. die Bausteine von Werbeanzeigen und Dramentexten). Was die pragmatische Ausrichtung betrifft, so kann jeder Baustein zum Träger einer anderen TexthandlungTexthandlung werden. Als Beispiele jeweils ein Exemplar der miteinander verwandten Textsorten Rezension (Text 17) und Literaturkritik (Text 18).
Katrin Beckers. 2012. Kommunikation und Kommunizierbarkeit von Wissen. Prinzipien und Strategien kooperativer Wissenskonstruktion. Berlin: Erich Schmidt Verlag. 408 Seiten. 59,80 €. ISBN 978-3-503-13711-4
Im Fokus der Monographie, der eine Dissertation von 2010 an der RWTH Aachen zugrunde liegt, stehen „die wesentlichen Relationen und Interdependenzen, die zwischen Wissen, Kommunikation und Wissenstransfer“ (S. 10) bestehen. Einbezogen in die theoretisch weit gespannte Studie, die sich als ein Beitrag zur Transferwissenschaft im Sinne Sigurd Wichters und Gerd Antos‘ versteht, sind sowohl die mündliche Alltagskommunikation als auch die Text-Leser-Interaktion im Bereich des schriftlich vermittelten Wissenstransfers. Der Autorin sind dabei laut Einleitung makro- und mikroanalytische Perspektiven gleichermaßen wichtig, ebenso wie die Differenzierung von „wissenskonstitutiven, wissensvermittelnden, wissensrepräsentierenden und wissensproduzierenden Funktionen von Sprache und Kommunikation“ (S. 10).
Beispieltext 17 : Rezension (Auszug)
Zeitschrift für Angewandte Linguistik, H. 61 (2014), 153.
Seltsame Idee, die Trauer über den Tod des Vaters mit der Zähmung eines Habichts zu bekämpfen. Doch wenn der Vater Falkner war … So hat Helen Macdonald nicht nur den Habicht Mabel abgerichtet, sondern auch ein Buch darüber geschrieben, das manchmal allzu gefühlsstark ist, aber so ziemlich das Beeindruckendste, das man über Falknerei, die Leidenschaft zum Birdwatching, vor allem über unseren Umgang mit der Natur lesen kann. Eine Art Leidenschaftsroman, gegen den „Fifty shades of grey“ eine graue Maus ist, die der Habicht glatt wegputzt!
H WIE HABICHT Helen Macdonald, allegria, 20 Euro
Beispieltext 18 : Literaturkritik
Das Magazin, Nr. 11/2015, 105.
Rezensionen haben als wissenschaftliche TextsorteTextsorte keine Überschrift, sondern eine dem Haupttext vorangestellte Titelansetzung. Mit diesem Textbaustein wird die TexthandlungTexthandlung MITTEILENMITTEILEN von bibliographischen Angaben vollzogen. Mitgeteilt werden: Name des Autors, Erscheinungsjahr, Titel des Buches, Verlagsort, Umfang und Preis usw. Bei Literaturkritiken als journalistischer Textsorte (mitunter auch als Rezension bezeichnet) finden wir die Titelansetzung in verkürzter Version am Textende. Ein weiterer Unterschied: Kritiken können mit einer Überschrift in Form einer Schlagzeile versehen sein, die eine wesentliche Information des Haupttextes vorwegnimmt. Es geht aber auch ohne diesen Baustein, wie der Beispieltext beweist.
Der Haupttext von Rezension und Literaturkritik wird zum Träger der eigentlichen TexthandlungTexthandlung, die im BEURTEILENBEURTEILEN des wissenschaftlichen oder poetischenPoetizität/poetisch Werts einer Publikation besteht. Ein textarchitektonisches Merkmal ist der ungleiche Umfang der Bausteine. Das BEURTEILEN beansprucht fast die gesamte Textfläche.
Erwähnenswert sind ferner textarchitektonische Gestaltungsweisen, die besonders markant in Erscheinung treten, z.B. das Basilika-LayoutBasilika-Layout und der Cluster-Text.
a) Basilika-LayoutBasilika-Layout
Beispieltext 19 : Hypertext (Startseite)
https://finanzamt-marburg-biedenkopf.hessen.de (17.01.2017, 13:30 Uhr).
Die GestalteinheitenGestalteinheit bestehen hier aus einer breiten Mittelspalte, die von zwei schmalen Spalten flankiert wird. Das LayoutLayout trägt eine metaphorische Bezeichnung, inspiriert von der Basilikaform vieler Kirchen. Die Gestaltungsweise ist aber auch Ergebnis einer Anpassung an das horizontale Bildschirmrechteck, das an die Stelle des vertikalen Rechtecks von Printerzeugnissen getreten ist (vgl. Große 2001: 112f.). Wir finden dieses Layout u.a. im Online-Journalismus und auf den Service-Portalen von Behörden.
b) ClustertextClustertext
Beispieltext 20 : Medienbericht
Berliner Zeitung, 02.–04.10.2015, 5.
ClustertexteClustertext werden sowohl im Print- als auch im Online-Journalismus produziert. Kennzeichnend für das Clusterprinzip ist die SegmentierungSegmentieren eines journalistischen Langtextes in mehrere kurze Texte. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten (vgl. Bucher 1996: 44ff.):
die thematische SegmentierungSegmentieren (die Clustereinheiten werden zum Träger von Teil- bzw. Subthemen);
die funktionale, d.h. pragmatischePragmatik/pragmatisch SegmentierungSegmentieren (die Clustereinheiten werden zum Träger verschiedener TexthandlungenTexthandlung);
die perspektivische SegmentierungSegmentieren (die Clustereinheiten werden zum Träger verschiedener Sichtweisen auf ein und dasselbe Thema).
Auf den Beispieltext trifft die thematische SegmentierungSegmentieren zu: die Segmentierung des Themas ‚Ergebnisse einer Studie zur Inklusion behinderter Kinder‘ in mehrere Teilthemen. An die Stelle eines journalistischen Langtextes sind elf Clustereinheiten getreten:
Ein Einleitungsblock: Genannt werden der Titel der Studie („Jedes Kind ist anders“), der Auftraggeber (Konrad-Adenauer-Stiftung), der Untersuchungsgegenstand (Einstellungen von Eltern behinderter Kinder) u.a.m.
Sechs Frage-Antwort-Komplexe: Die Ergebnisse der Studie werden in einer interviewähnlichen Frage-Antwort-Struktur präsentiert. Solche Strukturen sind Gestaltungsprodukte des DialogisierensDialogisieren (vgl. Sandig 2006: 212).
Drei Diagramme: Sie veranschaulichen Ergebnisse der Studie. Das Teilthema ‚Exklusionsquoten‘ wird in der Form eines Säulendiagramms präsentiert, das Teilthema ‚Vorteile gemeinsamen Lernens‘ in der Form eines Balkendiagramms und das Teilthema ‚Förderschwerpunkte‘ in der Form eines Tortendiagramms.
Ein Textkasten mit angedeuteterAndeuten Umrandung: Er enthält ein Zitat aus der Studie, zusätzlich typographischTypographie/typographisch hervorgehoben mittels größerer und kursivierter Schrift.
Der