Sittes Welt. Группа авторов
Einäugige“, 1983, Öl auf Hartfaser, 69 × 56 cm, Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg
Eine besondere Gestaltungsweise der Selbstdarstellungen Sittes sind die Kombinationen mit Liebespaaren. Wiederholt stellte er sich mehr oder weniger voyeuristisch zusammen mit sich liebenden Paaren dar. Den Ursprung hat dieser Typus im Selbstbildnis mit Rückenakt
Das eigentliche Selbstporträtschaffen Sittes setzte mit der politischen Wende 1989/90 ein. Die für den 70-jährigen Ruheständler existenziell sich darstellenden „Wendejahre“ bewirkten eine nun erstmals intensive künstlerische Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich. Sein jahrzehntelanger mit ihm befreundeter wissenschaftlicher Wegbegleiter Wolfgang Hütt formulierte es wie folgt: „Um so [sic!] schwerer traf ihn die vollständige Auflösung des sozialistisch genannt gewesenen Weltlagers. Seine Selbstbildnisse bezeugen das für ihn Schmerzhafte an diesem Prozeß, das Empfinden eines um gehegte Erwartungen Betrogenen. Wenig Aufschlüsse vermitteln sie über mögliche, seit dem Umbruch gewonnene Einsichten, über das Erkennen einer Schuld, die durch das Verdrängen eigener Kritikfähigkeit entstand, durch das Teilhaben an der zuletzt nur auf brüchigem Boden noch stehenden Macht. Wie selbstbewußt und zukunftssicher hatte Sitte bis zu den achtziger Jahren des Jahrhunderts hin das eigene Konterfei erforscht und gemalt!“11
Das Gros seiner Selbstbildnisse entsteht in den 1990er Jahren. Nahezu notorisch befragte Sitte sein Spiegelbild – Ausdruck der extremen Verunsicherung, die die von zahlreichen, heftigen Angriffen gegen seine Person gekennzeichneten Jahre prägte. Zum bisherigen Typus des skeptisch fragend schauenden Künstlers kommen nun verstärkt die Darstellungen mit Todesallusionen wie beim Selbstbildnis mit Totenkopf von 1990
Im Folgejahr, 1993, entstanden die Gedanken eines ehemaligen Formalisten S. 82. Dieses Selbstbildnis ist für die 1990er Jahre ebenso essenziell wie existenziell. Sitte spielt hier sowohl in der Darstellung selbst als auch im Werktitel mit seiner eigenen künstlerischen Vergangenheit. In der linken Bildhälfte zeigt er sein Porträt in der bekannten Haltung, verschattet liegt sein Gesicht, nur angedeutet, skizziert ist das Dekorum, einzig der Kopf selbst ist detaillierter ausgearbeitet. Durch eine hellgraue Vertikale getrennt, erscheint in der rechten Bildhälfte eine Komposition, die entfernt an Sittes Malereien auf Henning-Kartons der frühen 1950er Jahre erinnert.12 Für Arbeiten in diesem der Moderne verpflichteten Stil wurde er jahrelang als Formalist diffamiert – nun, 40 Jahre später, wurden diese Arbeiten mehr und mehr zu den einzig noch akzeptierten Werken des Künstlers: Ironie der Geschichte! Was mögen die Gedanken des ehemaligen Formalisten sein, wie er sein eindrucksvolles Selbstbildnis nennt?
In den folgenden zehn Jahren entstehen noch einige Arbeiten, denen allen etwas Verzweifeltes, Hilfloses anhaftet. Stets tritt dem Betrachter ein in sich gekehrter, skeptischer Mann gegenüber, der sich eher zurückzieht als offensiv seinem Gegenüber begegnet. Wiederholt stellt er sich mit Pinseln vor der Staffelei dar
Eines seiner letzten Selbstbildnisse zeigt den Maler im Jahr 2002 S. 85: gealtert, in sich zusammengefallen, das Gesicht tief verschattet, links im Hintergrund erneut ein Schatten aus der Vergangenheit oder der Gegenwart. Auch diese Arbeit wirkt mehr wie eine Zeichnung in Öl denn ein ausgearbeitetes Gemälde. Resigniert blickt der Künstler am Ende seines Schaffens auf sich, den Betrachter und seine Vergangenheit. Die Darstellung hat etwas Opferndes gleich einer Ecce-Homo-Pose. Nach den Erfahrungen der 1990er Jahre, die um 2000 in den Nürnberger Eklat mündeten, zieht sich der Maler in sich zurück; nach einer Operation wenig