Der Histamin-Irrtum. Sascha Kauffmann
Eierstöcke: Ausschüttung von Östrogen
• Gebärmutter: Kontraktion und Einnistung der Eizelle
H2-Rezeptoren:
• Magenschleimhaut: Sekretion von saurem Magensaft
• Herz: Steigerung des Herzschlags und der Pumpkraft
• Skelettmuskeln: Erhöhung der Muskelanspannung
• Immunsystem: Verstärkung der Abwehr
H3-Rezeptoren:
• Zentrales Nervensystem: erhöhte Wachsamkeit und Konzentration
• Peripheres Nervensystem: Hemmung der Ausschüttung von Serotonin, GABA (Gamma-Aminobuttersäure) und Acetylcholin
• Zentrales Nervensystem: Regulation von Hunger- und Durstgefühl
H4-Rezeptoren:
• Immunsystem: Steigerung der zellulären Immunabwehr
• Hautzellen: erhöhte Entzündungsbereitschaft
Aus der Erforschung der Histamin-Rezeptoren erhoffen sich Wissenschaftler neue therapeutische Ansätze zur Behandlung von Erkrankungen, wie Depressionen, Morbus Parkinson, Alzheimer, Psoriasis und Neurodermitis.
Kein Hormon im Körper hat so umfassende Möglichkeiten der Einflussnahme auf verschiedene Zellfunktionen. Histamin kann auf jedes Organsystem eine Wirkung ausüben. Bereits ganz zu Beginn unseres Lebens kommt eine im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtige Funktion von Histamin zum Tragen: Wenn die befruchtete Eizelle sich in die Gebärmutter einnisten möchte, kann sie dies nur in Anwesenheit von Histamin tun.
Dreierlei Histamin
Unser Organismus muss sich ständig mit Histamin aus drei verschiedenen Quellen auseinandersetzen:
1. mit Mastzellen-Histamin, das in den Mastzellen (und ähnlichen Zellen) produziert wird
2. mit Gehirn-Histamin, das in speziellen Nervenzellen und Mastzellen im Hypothalamus hergestellt wird
3. mit Nahrungs-Histamin, das wir zwangsläufig mit der Nahrung zuführen, da Histamin in der gesamten belebten Natur vorkommt
Es ist natürlich chemisch betrachtet immer der gleiche Stoff, aber um Histamin-Erkrankungen zu verstehen, müssen wir diese getrennt betrachten.
Mastzellen-Histamin
Die Mastzellen sind die wichtigsten Histamin-Produzenten. Sie gehören mit zu den ältesten Immunzellen. Bereits Lebewesen vor ca. 500 Millionen Jahren hatten Mastzellen. Man findet sie, anders als andere Immunzellen, nur selten im Blut; sie sitzen überwiegend im Gewebe in der Nähe von Blutgefäßen und Nerven, vor allem in:
• Haut
• Schleimhaut
• Lunge und Bronchien
• Gehirn
• Magen-Darm-Trakt
• Eierstöcken
• Gebärmutter
Sie sind die Zellen deines Immunsystems, die am schnellsten auf eine Bedrohung reagieren. Du kannst dir Mastzellen als kleine Wachposten mit einem großen Waffenarsenal vorstellen. Auf bestimmte Kommandos feuern sie und geben ihre Botenstoffe, auch Mediatoren genannt, ins Blut ab. Diese sind u. a.:
• Histamin
• Heparin
• Tryptase
• Serotonin
• ECP
• Leukotriene
• Chromogranin A
Insgesamt gehen Forscher von mehreren Hundert Botenstoffen aus. Histamin hat unter allen jedoch eine herausragende Stellung. Es ist nicht nur die häufigste, sondern auch die biologisch stärkste Substanz in den Mastzellen. Da eine Histaminfreisetzung starke Auswirkungen haben kann, darf diese nicht ohne triftigen Grund erfolgen. Daher hat die Natur dafür gesorgt, dass es extra gesichert ist. Es sitzt in kleinen Bläschen abgekapselt und durch das Spurenelement Zink gekettet an Heparin in der Mastzelle.
Gehirn-Histamin
Das Histamin im Gehirn ist ein Neurotransmitter und wird von spezialisierten Nervenzellen und Mastzellen im Hypothalamus gebildet. Wissenschaftler vermuten zudem, dass Histamin auch aus dem Blutkreislauf über die (intakte) Bluthirnschranke ins Gehirn übertreten kann.
Aus der Forschung wissen wir, dass Histamin für folgende Funktionen im Gehirn mitverantwortlich ist:
• Schlaf-Wach-Rhythmus
• Lernfähigkeit und Gedächtnis
• Belohnung
• Nahrungsaufnahme (Hunger/Durst)
• Angst und Erregung
• Thermoregulation
• Konzentration
Histamin ist einer der wichtigsten Neurotransmitter im zentralen Nervensystem, kann aber über lange Nervenfasern (Axone) seinen Einfluss auch im peripheren Nervensystem entfalten. Du kennst sicherlich andere Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin, Acetylcholin oder GABA. Histamin steht in enger Kommunikation mit diesen und hat so großen Einfluss auf deine Emotionen, deine Konzentration und deinen Antrieb. Diesem Aspekt von Histamin wird in der Medizin, vor allem in der Neurologie und Psychiatrie, noch viel zu wenig Beachtung geschenkt. Dr. William Walsh, ein Schüler von Dr. Carl Pfeiffer, forscht in Chicago zum Einfluss von Histamin auf die Entstehung und den Verlauf von Depressionen, Angststörungen, Zwängen und schweren Psychosen. Wir durften ihn in Chicago persönlich kennenlernen und waren von seinen fundierten wissenschaftlichen Studien sehr beeindruckt. Seine Erkenntnisse prägen unsere Praxisarbeit.
Nahrungs-Histamin
Da Histamin überall in der Natur vorkommt, finden wir es auch praktisch in jedem Lebensmittel. Auch wenn einige Obst- und Gemüsesorten, etwa Tomaten, Spinat, Avocados, Erdbeeren und Zitrusfrüchte von Natur aus einen relativ hohen Histamingehalt haben, führen vor allem Verarbeitungsprozesse wie Gärung, Konservierung und Reifung dazu, dass sich der Histaminanteil erhöht. Typische Histamin-Bomben sind zum Beispiel diese:
• Essig
• lange gelagerte Nüsse
• Dosenfisch und Dosenfleisch
• Salami und andere verarbeitete Wurstwaren
• lange gereifter Käse, zum Beispiel Roquefort, Parmesan
• Ketchup
• Alkohol, besonders Rotwein, Sekt und Champagner
• Fertigsaucen
• Convenience Food
• Fast Food
Der Anteil an Histamin schwankt allerdings sehr stark, da es ein Naturstoff ist. Auch aus diesem Grund machen Nahrungsmittellisten wenig Sinn. Die durchschnittliche Ernährung hat infolge der zunehmenden Industrialisierung der Lebensmittelbranche heute einen sehr hohen Anteil an Histamin. In der Nahrung unserer Vorfahren kamen die Mengen, wie wir sie heute täglich verzehren, nicht vor. Es gab kein Dosenfutter, Ketchup, Convenience und Fast Food. Für die Wintermonate wurde Gemüse eingelegt, ansonsten aß man frisch, regional und vor allem unverarbeitet. Als im 19. Jahrhundert die ersten Fischkonserven auf den Markt kamen, gab es bald auch die ersten Berichte über entsprechende