PLATON - Gesammelte Werke. Platon

PLATON - Gesammelte Werke - Platon


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von uns empfangen. Denn was sie geben weiß Jeder; indem wir ja gar nichts Gutes haben, was sie nicht gegeben hätten. Was sie aber von uns empfangen, (15) welchen Nutzen bringt ihnen das? Oder gewinnen wir soviel bei diesem Handel, daß wir alles Gute von ihnen empfangen, sie aber von uns nichts?

      Euthyphron: Aber meinst du denn, Sokrates, daß die Götter Vorteil haben von dem was sie von uns empfangen?

      Sokrates: Aber was wären denn sonst, o Euthyphron, unsere Geschenke an die Götter?

      Euthyphron: Wofür anders hältst du sie als für Ehrenbezeugungen und Ehrengaben, und was ich eben sagte Angenehmes?

      Sokrates: Angenehm also, o Euthyphron, ist die Frömmigkeit den Göttern, aber nicht nützlich oder lieb?

      Euthyphron: Lieb glaube ich nun meines Teils ganz vorzüglich.

      Sokrates: So ist also wiederum, wie es scheint, das Fromme das den Göttern liebe?

      Euthyphron: Ganz vorzüglich.

      Sokrates: Und dies erklärend wunderst du dich noch, wenn sich zeigt, deine Erklärungen wollen nicht bestehen, sondern wandeln? und willst mich noch beschuldigen, ich der Daidalos, mache sie wandeln, da du doch selbst, weit künstlicher noch als Daidalos, sie gar im Kreise herumgehn machst? Oder merkst du nicht, daß die Rede rund herum gegangen sich nun wieder am alten Orte befindet? Denn du erinnerst dich doch, daß sich uns im vorigen das Fromme und das Gottgefällige nicht als einerlei gezeigt hatte, sondern als verschieden von einander? Oder entsinnst du dich dessen nicht einmal?

      Euthyphron: O ja.

      Sokrates: Nun aber merkst du nicht, daß du behauptest, was den Göttern lieb ist, sei fromm? wird denn dies etwa nicht das Gottgefällige? oder doch?

      Euthyphron: Ganz dasselbe.

      Sokrates: Also haben wir entweder vorher etwas fälschlich zugegeben; oder wenn damals gut, so behaupten wir jetzt nicht richtig.

      Euthyphron: So scheint es.

      Sokrates: Von Anfang an also müssen wir noch einmal erwägen, was denn das fromme ist. Denn ich werde, ehe ich es erfahre, nicht gutwillig abziehn. Aber behandle mich nicht so geringschätzig, sondern nimm deinen Verstand recht zusammen, und sage mir endlich das richtige. Denn wissen mußt du es, wenn irgend ein Mensch, und man muß dich, wie den Proteus, nicht loslassen bis du es sagst. Denn kenntest du nicht ganz bestimmt das fromme und das ruchlose: so hättest du auf keine Weise unternommen um eines Tagelöhners willen einen betagten Vater des Totschlages zu verklagen; sondern sowohl vor den Göttern hättest du dich gefürchtet so etwas zu wagen, falls es doch vielleicht nicht recht getan wäre, als auch die Menschen, hättest du gescheut. Daher weiß ich gewiß, daß du ganz genau zu erkennen meinst, was fromm ist und was nicht. Sage daher, bester Euthyphron, und verbirg nicht was du davon hältst.

      Euthyphron: Ein anderes Mal denn, o Sokrates; denn itzt eile ich wohin, und es ist Zeit daß ich gehe.

      Sokrates: Was tust du doch, Freund! Du gehst und wirfst mich von der großen Hoffnung herab, die ich hatte, teils der Anklage des Melitos, von dir über das fromme und ruchlose belehrt, glücklich zu entkommen, wenn ich ihm beweisen könnte, daß ich nun schon vom Euthyphron weise gemacht wäre in göttlichen Dingen, und nicht mehr aus Unwissenheit auf meine eigene Weise grübelte oder Neuerungen suchte, teils aber auch mein übriges Leben würdiger zu verleben.

      Apologie des Sokrates

       Inhaltsverzeichnis

      Einleitung

      Schon in der allgemeinen Einleitung zu dieser Darstellung der Werke des Platon ist es gesagt worden, daß keinesweges allen Schriften, welche in diese Anhänge verwiesen werden, schon dadurch ihr Ursprung vom Platon solle abgesprochen oder bezweifelt sein. So steht auch diese wegen des einwohnenden Geistes und des dargestellten Bildes ruhiger sittlicher Größe und Schönheit zu allen Zeiten geliebte und bewunderte Schrift zunächst nur deshalb hier, weil sie an ihrem besonderen Zweck sich begnügend keine wissenschaftlichen Ansprüche macht. Auch der »Euthyphron« hat freilich eine unläugbare verteidigende Beziehung auf die gegen den Sokrates vorgebrachte Anklage : allein auf der andern Seite gab seine Verbindung mit den im »Protagoras« angeregten Begriffen ihm ein offenbares Recht, sich an diesen anzuschließen. Die »Verteidigung« hingegen kann als eine reine Gelegenheitsschrift in der Reihe der philosophischen Hervorbringungen ihres Urhebers keine Stelle finden. Allein es gibt sogar allerdings eine Bedeutung, in welcher man, es erschrecke Niemand, wohl sagen dürfte, sie wäre keine Schrift des Platon. Nämlich sie ist wohl schwerlich ein Werk seiner Gedanken, etwas von ihm ersonnenes und gedichtetes. Denn leihen wir dem Platon die Absicht den Sokrates zu verteidigen: so müssen wir dabei zuvörderst die Zeiten unterscheiden, entweder während seines Rechtshandels, oder gleichviel wie früh und wie spät nach seiner Hinrichtung. Im letzten Falle nun konnte es Platon nur auf eine Verteidigung der Grundsätze und Gesinnungen seines Freundes und Lehrers anlegen. Diese aber ließ sich von ihm, der so gern mehrere Zwecke in ein Werk verband, sehr wohl mit seinen wissenschaftlichen Absichten vereinigen; und so finden wir auch nicht nur einzele Andeutungen dieser Art in seinen späteren Schriften zerstreut; sondern wir werden auch bald ein bedeutendes, in seine wissenschaftlichen Bemühungen doch auch innig genug verflochtenes Werk kennen lernen, bei dem es ein deutlich hervorstechender Nebenzweck ist, auch des Sokrates Betragen als Athener und seine Bürgertugend ins Licht zu setzen. Dergleichen nun läßt sich erklären: aber zu einer Schrift, welche den Sokrates bloß seinen wirklichen Anklägern gegenüberstellt, konnte Platon späterhin schwerlich Veranlassung finden. Also vielmehr während seines Rechtshandels müßte er diese Rede gebildet haben. Aber wozu? Offenbar doch konnte er seinem Lehrer keinen schlechteren Dienst erweisen, als wenn er, ehe dieser selbst sich vor Gericht verteidigte, eine Verteidigung in dessen eignen Namen bekannt gemacht hätte, recht um den Anklägern zwar auf dasjenige zu helfen, dem sie entgegenarbeiten oder die Aufmerksamkeit davon ablenken müßten, den Beklagten aber in die schwierige Lage zu setzen, daß er entweder vieles wiederholen oder anderes weniger kräftige sagen mußte. Daher denn je vortrefflicher und dem Charakter des Sokrates angemessener die Verteidigung gewesen wäre, desto nachteiliger sie ihm würde geworden sein. Doch es wird wohl Niemand auf diese Voraussetzung einiges Gewicht legen. Nach erfolgter Entscheidung endlich konnte Platon eine zwiefache Absicht haben, entweder nur den Hergang der Sache sogleich allgemeiner bekannt zu machen und ihr ein Denkmal für die künftige Zeit zu stiften, oder auch die verschiedenen Parteien, und die Art des Verfahrens in das gehörige Licht zu setzen. Untersucht man nun, welches Mittel wohl zu dem letzteren Endzweck das einzige vernünftige gewesen wäre: so wird es jeder nur finden in einer nicht dem Sokrates sondern einem andern Verteidiger untergelegten Rede. Denn dieser konnte dann Vieles von demjenigen vorbringen, was Sokrates seines Charakters wegen übergehn mußte, und konnte durch das Werk selbst zeigen, daß wenn nur die Sache des Beklagten ein solcher geführt hätte, der nicht zu verschmähen brauchte, was viele auch Edle nicht verschmähten, sie ganz anders würde gegangen sein. Wäre nun gar eine freilich sehr unwahrscheinliche Anekdote gegründet, die uns Diogenes aus einem unbedeutenden Schriftsteller aufbewahrt hat: so hätte wohl dem Platon nichts näher gelegen, als dasjenige bekannt zu machen, was er selbst, wäre er nicht verhindert worden, würde gesagt haben. Hier hätte er dann Gelegenheit gehabt, jene höheren Vorschriften und Hülfsmittel des Redens, deren Kraft er selbst zuerst aufgedeckt hatte, durch die Tat zu zeigen; und gewiß mit großer Wahrheit und Kunst hätte er sie anwenden gekonnt auf die Klagepunkte von den neuen Göttern und vom Verderb der Jugend. Und eben so hätte er im Namen jedes Andern weit besser den Anklägern des Sokrates das Gleiche und mehr zurückgegeben, und von dessen Verdiensten in einem andern Tone gesprochen. Dahingegen bei einer dem Sokrates selbst untergelegten, von derjenigen aber die er wirklich gehalten verschiedenen Rede, er keine andere Absicht haben konnte, als zu zeigen, was Sokrates freiwillig verabsäumt oder


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