PLATON - Gesammelte Werke. Platon
Aus der Alleinherrschaft schneiden wir das Königtum und die Tyrannei, und wiederum aus der Herrschaft der Wenigen links die Aristokratie und dann die Oligarchie, und endlich die Herrschaft der Vielen setzten wir damals zwar nur einfach als Demokratie, jetzt aber müssen wir auch diese als zweifach setzen.
Der jüngere Sokrates: Wie aber und wonach wollen wir diese teilen?
Fremder: Gar nicht anders als die übrigen; denn wenn sie auch keinen zwiefachen Namen hat, so findet doch das nach Gesetzen herrschen und gesetzlos bei ihr eben so gut statt als bei den übrigen.
Der jüngere Sokrates: Das freilich.
Fremder: Damals nun als wir den vollkommnen Staat suchten, war uns dieser Schnitt zu gar nichts nutz, wie wir auch vorher gezeigt haben. Nachdem wir nun aber jenen ganz herausgenommen und die andern als notwendig gesetzt haben, so teilt nun doch das gesetzmäßige und gesetzwidrige jede von diesen in zwei Hälften.
Der jüngere Sokrates: Das erhellt wohl, nun die Erklärung davon gegeben ist.
Fremder: Die Alleinherrschaft nun, in gute Vorschriften die wir Gesetze nennen eingespannt, ist die beste unter allen Sechsen, gesetzlos aber beschwerlich, und die allerlästigste darin zu leben.
Der jüngere Sokrates: Das mag wohl sein.
(303) Fremder: Die Herrschaft der Wenigen nun wollen wir, wie denn Wenige das Mittel ist zwischen Eins und Vielen, so auch selbst für die mittlere nach beiden Seiten hin halten. Die Herrschaft der Menge aber für ganz schwach und weder im Guten noch im Bösen etwas großes vermögend im Vergleich mit den übrigen, weil nämlich die Gewalten in ihr unter Viele ins Kleine zerteilt sind. Darum, sind alle diese Staaten gesetzmäßig, so ist sie unter allen der schlechteste; sind sie aber insgesamt gesetzlos, dann ist diese die beste. Und sind alle zügellos, so trägt es den Preis davon in der Demokratie zu leben; sind sie aber wohlgeordnet, dann muß man am wenigsten in dieser leben; sondern in der ersten ist es dann bei weitem am besten und vorzüglichsten, mit Ausnahme der siebenten. Denn die muß man, wie einen Gott unter Menschen, aus allen anderen Staatsverfassungen aussondern.
Der jüngere Sokrates: So scheint es allerdings zu werden und zu folgen, und wir müssen tun wie du sagst.
Fremder: Also müssen wir auch Alle welche sich mit diesen Staatsverfassungen zu tun machen aussondern, daß sie nicht Staatsmänner sind sondern Parteimänner, und nur große Gaukelbilder regieren, selbst auch solche seiend und die als die größten Nachahmer und Tausendkünstler auch die größten Sophisten unter den Sophisten werden.
Der jüngere Sokrates: Ganz richtig scheint sich jetzt dieses Wort gegen die sogenannten Staatsmänner gedreht worden zu sein.
Fremder: Gut. Dies ist uns also, wie ich auch vorher sagte, ein Kranz von Kentauren und Satyrn zu schauen den wir von der Staatskunst absondern müßten, und nun endlich glücklich abgesondert haben.
Der jüngere Sokrates: So scheint es.
Fremder: Es ist uns aber noch etwas anderes schwierigeres als dieses übrig, weil es sowohl der königlichen Gattung näher verwandt als auch schwerer festzuhalten ist. Und es gemahnt mich als ginge es uns wie denen die das Gold reinigen.
Der jüngere Sokrates: Wie das?
Fremder: Erde und Steine und vieles andere sondern auch jene Arbeiter zuerst aus. Nach diesem aber bleibt ihnen noch in der Mischung das dem Golde verwandte auch kostbare nur im Feuer abzusondernde Erz und Silber, bisweilen auch Stahl, welches durch wiederholte Schmelzungen und Läuterungen mit Mühe abgesondert uns endlich das reine Gold an und für sich sehen läßt.
Der jüngere Sokrates: So sagt man ja daß es geschehe.
Fremder: Auf dieselbe Weise nun scheint auch jetzt das übrige zwar, was fremdartig und nicht befreundet ist schon von der Wissenschaft des Staates abgesondert, das kostbare und verwandte aber noch zurück zu sein. Dazu gehört nun die Kriegskunst und die Rechtswissenschaft, und jene mit der (304) königlichen Kunst in Verbindung stehende Rednergabe, welche durch überzeugende Empfehlung des Gerechten die Verhandlungen im Staate leiten hilft; welche man nun, so leicht es eben gehen will, ausscheiden muß, und dann erst jenen von uns gesuchten bloß und allein für sich aufzeigen kann.
Der jüngere Sokrates: Offenbar muß man irgendwie versuchen dies zu bewirken.
Fremder: Soviel als Versuch hinreicht soll er wohl ans Licht kommen. Und zwar durch die Tonkunst muß man versuchen ihn darzustellen. Sage mir also.
Der jüngere Sokrates: Was denn?
Fremder: Es gibt doch ein Erlernen der Tonkunst und überhaupt aller mit einer Geschicklichkeit der Hände verbundenen Künste?
Der jüngere Sokrates: Das gibt es.
Fremder: Und wie? ob wir nun irgend eine von allen diesen erlernen sollen oder auch nicht, sollen wir sagen daß auch dies eine Erkenntnis sei in Bezug auf eben diese Dinge, oder wie?
Der jüngere Sokrates: So, daß es eine sei, wollen wir sagen.
Fremder: Und daß sie eine andere sei als jene Künste selbst werden wir doch zugeben?
Der jüngere Sokrates: Ja.
Fremder: Und sollte wohl keine von ihnen über die andere herrschen? oder etwa jene verschiedenen über diese letztere? oder sollen wir sagen, daß diese Aufsicht führend die übrigen insgesamt beherrschen solle?
Der jüngere Sokrates: Diese letztere, ob man etwas lernen soll oder nicht, über jene.
Fremder: Über die welche gelernt wird und lehrt behauptest du daß sie uns herrschen müsse?
Der jüngere Sokrates: Gar sehr.
Fremder: Und so auch wohl die ob man überreden soll oder nicht, über die welche zu überreden versteht?
Der jüngere Sokrates: Wie anders?
Fremder: Wohl. Wem sollen wir nun zuschreiben daß er mit Erkenntnis der Menge und des Volkes dieses zu überreden verstehe vermittelst sinnlicher Darstellung, nicht aber ordentlicher Belehrung?
Der jüngere Sokrates: Offenbar müssen wir auch dies der Redekunst zuschreiben.
Fremder: Zu wissen aber, ob man etwas bei diesem oder jenem durch Überredung oder durch Gewalt durchsetzen solle, oder vielleicht ganz und gar damit inne halten, welcher Wissenschaft sollen wir dies wiederum beilegen?
Der jüngere Sokrates: Offenbar der, welche über die sprechende und überredende herrscht.
Fremder: Und das wäre doch wohl keine andere, denke ich, als die des Staatsmannes?
Der jüngere Sokrates: Ganz richtig.
Fremder: Auch dies rednerische scheint sich also schnell abgesondert zu haben von dem staatskünstlerischen als eine andere Art, jener jedoch dienend?
Der jüngere Sokrates: Ja.
Fremder: Was sollen wir nun aber von dieser Geschicklichkeit denken?
Der jüngere Sokrates: Von welcher?
Fremder: Der, wie wir mit allen Krieg führen sollen mit denen wir beschlossen haben Krieg zu führen? Sollen wir diese für eine kunstlose oder für eine künstlerische erklären?
Der jüngere Sokrates: Und wie könnten wir wohl die für kunstlos halten, welche die Feldherrnkunst