Gesammelte Werke. Sinclair Lewis

Gesammelte Werke - Sinclair Lewis


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schonen und taten den zarten Ohren Frank Shallards weh.

      Frank war immer als außerordentlich liebenswürdiger Junge bekannt gewesen, aber heute abend war er sauer wie Alaun.

      Elmer war es, der ihnen Geschichten vom alten Kansas erzählte, das er vom Lesen so gut kannte. Elmer war es, der sie veranlaßte, im Stubenofen Mais zu rösten, als sie ihre erste Scheu davor überwunden hatten, vor Gottesmännern Menschen zu sein. Während dieser Lustbarkeit, als sogar der züchtigste Diakon kicherte und Mr. Bains vermahnte, »He, wen stoßen Sie da, Barney?« gelang es Elmer, der Öffentlichkeit zu entrinnen und seine Verabredung mit Lulu zu treffen.

      Noch fröhlicher als vorher und von dem gebutterten Röstmais etwas glänzend, trieb er sie zum Harmonium, auf dem Lulu in unschuldiger Freude und ohne allzu große Kenntnisse herumarbeitete. Aus Respekt gegen das geistliche Gewand mußten sie das Singen mit »Selige Zuversicht« beginnen, aber bald hatte er sie so weit, daß sie sich an »Mit Nelly auf dem Heimweg« und »Neger-Joe« erfreuten.

      Die ganze Zeit bebte er vor Wonne in der Erwartung des zärtlichen Abenteuers, das ihm blühte.

      Sein Entzücken wurde nur um so größer, als er bemerkte, daß der junge Nachbarsfarmer Floyd-Naylor – ein Verwandter der Bains-Familie, ein großer, aber linkischer junger Mann – Lulu ebenfalls anhimmelte, sehnsüchtig, aber schüchtern.

      Sie schlossen mit »Beulah-Land«, Lulu spielte, und seine Stimme klang sehr beruhigend, sehr rührend und zärtlich:

      O Beulah-Land, mein Beulah-Land,

       (Du süßer Liebling!)

       Wenn ich auf deinem höchsten Berge steh',

       (Wenn ich ein bißchen traurig ausseh', ob sie mich dann wohl streicheln würde?)

      Schau' ich weit hinaus über die See,

       (Oh, ich will gut sein – nicht zu weit gehn.)

       Wo Häuser sind für mich bereitet,

       (Ihre Gelenke, während sie spielt – küssen möcht' ich sie!)

      Und seh' die Küste, die sich strahlend breitet,

       (Ich werd's auch tun, verdammt noch einmal! Heute abend!)

       Mein Himmel, mein Heimatstrand für immerdar.

       (Ob sie wohl im Schlafrock runterkommt?)

      »Ich möcht' doch zu gern wissen,« sagte die Frau des einen Diakons, eine empfindsame, lebhafte Dame, »an was Sie während dem Singen gedacht haben, Bruder Gantry?«

      »Ja – ich hab' dran denken müssen, wie glücklich wir alle sein werden, wenn wir einmal gereinigt und friedvoll im Beulah-Land sind.«

      »Je, ich hab' doch gewußt, daß es was mit Religion war – Sie haben so – so glücklich und begeistert gesungen. Na! Wir müssen gehen. Es war ein so reizender Abend, Schwester Bains. Wir wissen wirklich nicht, wie wir Ihnen und Bruder Bains danken sollen, ja, und Bruder Gantry auch, für die wunderschöne Unterhaltung. Ach, und Bruder Shallard, natürlich. Komm, Charley.«

      Charley war, ebenso wie die anderen Diakone, hinter Bruder Bains in die Küche verschwunden. Es gab ein hohles Geräusch, wie wenn man einen Krug öffnet, während die Damen und die Geistlichen laut redeten und duldsam aussahen. Die Männer tauchten in der Tür auf, sich den Mund mit dem haarigen Tatzenrücken wischend.

      8

      Nach dem rührenden Abschied schlug Elmer dem gähnenden Hausherrn vor: »Wenn's Ihnen und Schwester Bains nicht unangenehm ist, möcht' ich noch paar Minuten hier unten am Feuer bleiben und meine Notizen für die morgige Predigt fertig machen. So werd' ich auch Bruder Shallard nicht im Schlafen stören.«

      »Schön, schön – eaaaah – 'tschuldigen Sie – ich bin so schläfrig. Das Haus gehört Ihnen, mein Junge – Bruder. G'Nacht.«

      »Gute Nacht! Gute Nacht, Bruder Bains. Gute Nacht, Schwester Bains. Gute Nacht, Schwester Lulu … 'Nacht, Frank.«

      Das Zimmer war viel geräuschvoller, als er allein darin geblieben war. Es knackte und lärmte. Er ging auf und ab, sich nervös auf die linke Handfläche schlagend, blieb aufgeregt stehen, um zu lauschen … Die Zeit schleppte … Sie würde nicht kommen.

      Ein Rascheln wie von schleichenden Mäusen auf der Treppe, zögernde Fußspitzen im Vorzimmer.

      Sein ganzer Oberleib dehnte sich vor Sehnsucht. Er schleuderte die Arme zurück, die Fäuste an den Seiten hinunter, das Kinn hoch, wie die Statue von Nathan Hale. Aber als sie schüchtern hereinkam, war er ganz der freundliche starke Pastor, einen Ellbogen auf der Ecke des Harmoniums, mit zwei Fingern an seiner massiven Uhrkette spielend, mit einer wohlwollenden und ein wenig belustigten Miene.

      Sie war nicht im Schlafrock; sie hatte das selbe blaue Kleid an wie vorher. Aber sie hatte ihr Haar aufgemacht, dessen helle Seidigkeit um ihren Hals schimmerte. Sie sah ihn flehend an.

      Sofort änderte er seine Pose und stürzte mit einem kleinen jungenhaften Schrei auf sie zu.

      »Ach, Lu! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie mich Frank gekränkt hat!«

      »Was? Was?«

      Ganz selbstverständlich, mit einer höchst natürlichen Vertraulichkeit, legte er seinen Arm um ihre Schulter, und seine Fingerspitzen erfreuten sich an ihrem Haar.

      »Es ist schrecklich! Frank sollte mich kennen, aber was meinen Sie, daß er gesagt hat? Ach, er hat sich nicht getraut, richtig damit 'rauszukommen und 's zu sagen – mir nicht – aber er hat Andeutungen gemacht und Winke und so rumgeredet, daß Sie und ich uns in der Kirche schlecht benommen hätten, wie wir miteinander geredet haben. Und Sie wissen doch noch, wovon wir geredet haben – von meiner Mutter! Und wie schön und hübsch sie früher war, und wie ähnlich Sie ihr sehen! Finden Sie das nicht gemein von ihm?«

      »Oh, und ob! Ich find's ganz einfach fürchterlich. Er hat mir von Anfang an nicht gefallen!«

      In ihrem Mitleid hatte sie gar nicht daran gedacht, aus seinem Arm zu schlüpfen.

      »Kommen Sie, setzen Sie sich neben mir auf das Sofa, Liebe.«

      »Ach, ich darf nicht« – während sie sich mit ihm auf das Sofa zu bewegte – »ich muß sofort wieder hinauf. Cousine Adeline, die ist so argwöhnisch.«

      »Wir werden beide hinaufgehen, jetzt gleich. Aber das hat mich so aufgeregt! Das hätten Sie nicht gedacht, daß so ein großer Bär wie ich ein so sentimentaler Schafskopf sein kann, was?«

      Er zog sie näher an sich. Sie schmiegte sich an ihn, widerstandslos, und seufzte:

      »Oh, das kann ich verstehen, Elmer, und ich glaub', es ist niedlich, ich mein', es ist hübsch, wenn ein Mann so groß und stark sein und doch schöne Gefühle haben kann. Aber, wirklich, ich muß gehen.«

      »Muß gehen, Lieber.«

      »Nein.«

      »Ja. Ich laß Sie nicht weg, bevor Sie's sagen.«

      »Ich muß gehen, Lieber!«

      Sie war aufgesprungen, aber er hielt ihre Hand fest, küßte ihre Fingerspitzen und sah mit kläglicher Zärtlichkeit zu ihr auf.

      »Armer Junge! Hab' ich alles gutgemacht?«

      Sie hatte ihre Hand weggezogen, sie hatte ihn rasch auf die Schläfe geküßt und war entflohen. Ganz verdreht lief er hin und her, bald voll stolzen Triumphs, bald voll trauriger Sehnsucht.

      9

      Während der Rückkehr auf der Draisine nach Babylon und ins Seminar hatten Elmer und Frank einander wenig zu sagen.

      »Seien Sie doch nicht so ein Brummbär. Wirklich, ich hab' gar keinen Unsinn mit der kleinen Lulu machen wollen«, knurrte Elmer keuchend, während er am Handgriff pumpte, grotesk aussehend in Mütze und Halstuch.

      »Schön.


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