Gesammelte Werke. Sinclair Lewis

Gesammelte Werke - Sinclair Lewis


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oder was es war; und jetzt sieht's so aus, als ob du 'ne Art Unterhaltsgeld haben willst. Ich armer Trottel hab' die ganze Zeit gemeint, ich bin recht freigebig, und du –«

      »Bitte, hör' auf, dich zu bemitleiden! Es ist ein wunderschönes Gefühl – das Gefühl, daß einem Unrecht getan wird. Ich gebe alles zu, was du sagst. Gewiß. Du hast mir sowohl freizügig wie liebenswürdig Geld gegeben. Ganz so, als wenn ich deine Mätresse wäre.«

      »Carrie!«

      »Ja, es ist mir ganz ernst damit! Was für dich ein großartiges Schauspiel von Edelmut war, war für mich Erniedrigung. Du hast mir Geld geschenkt. Hast es deiner Mätresse geschenkt, wenn sie gefällig war, und dann hast du –«

      »Carrie!«

      »Unterbrich mich nicht! – dann hast du gemeint, du hast dich aller Verpflichtungen entledigt. Also, von jetzt an werde ich dein Geld als Geschenk zurückweisen. Entweder bin ich deine Teilhaberin, die die Haushaltabteilung unseres Geschäfts unter sich hat, mit einem regelmäßigen Budget dafür. Oder ich bin nichts. Wenn ich eine Mätresse sein soll, werde ich mir meine Liebhaber selber aussuchen. Oh, es ist mir widerwärtig – es ist mir widerwärtig – dieses lächelnde Hoffen auf Geld – und dann kann ich's nicht einmal auf Schmuck ausgeben, worauf eine Mätresse das Recht hätte, sondern ich muß Kochtöpfe und Socken für dich kaufen. Ja, wirklich! Du bist generös! Du gibst mir einen Dollar, ganz freiwillig – die einzige Bedingung dabei ist, daß ich davon eine Krawatte für dich kaufe. Und du gibst ihn mir, wann und wie es dir paßt. Wie sollte ich da nicht unökonomisch sein?«

      »Na ja, natürlich, wenn man's so ansieht –«

      »Ich kann nicht überall einkaufen, ich kann keine großen Vorräte anschaffen, ich muß meistens bei den Läden bleiben, wo ich ein Konto habe, ich kann keine Pläne machen, weil ich nicht weiß, mit wieviel Geld ich rechnen kann. Das habe ich deinen reizenden Sentimentalitäten mit dem generösen Geldhergeben zu verdanken. Du machst mich –«

      »Langsam! Langsam! Du weißt, daß du übertreibst. Die ganze Mätressengeschichte ist dir erst in dieser Minute eingefallen. Selbstverständlich hast du nie ›lächelnd auf Geld gehofft‹. Aber trotzdem hast du vielleicht recht. Du sollst den Haushalt wie ein Geschäft führen. Morgen werd' ich mir die ganze Sache ausrechnen, und dann wirst du eine regelmäßige Summe oder Beteiligung haben, mit deinem eigenen Bankkonto.«

      »Oh, das ist aber wirklich anständig von dir!« Sie drehte sich zu ihm um, wollte zärtlich sein. Aber seine Augen waren zusammengekniffen und unfreundlich im flackernden Lichtschein des Streichholzes, mit dem er seine ausgegangene, übelriechende Zigarre wieder anzündete. Er ließ sich wieder ins Kissen fallen.

      Nach einer Weile krächzte er:

      »Nein. Es ist gar nicht besonders anständig. Es ist nichts weiter wie gerecht. Und Gott weiß, daß ich gerecht sein will. Aber ich erwarte auch von anderen, daß sie gerecht sind. Und du bist so erhaben und großmächtig mit den Leuten. Nimm mal Sam Clark; die beste Menschenseele, die's gibt. Ehrlich und treu; ein verdammt guter Kerl –«

      »Ja, und ein guter Entenschütze, vergiß das nicht!«

      »Schön, und ein guter Entenschütze ist er auch! Sam kommt am Abend rüber und setzt sich her, und weiß Gott, bloß weil er kalt raucht und die Zigarre im Mund rumschiebt und vielleicht ein paarmal ausspuckt, siehst du ihn an, als ob er ein Schwein wäre. Und willst du wissen, warum sich Sam seine Zigarre nicht anzündet, wenn er hier ist? Er hat lausig Angst, daß du beleidigt bist, wenn er raucht. Statt daß er seine Beine auf 'nen anderen Stuhl legt und sich die Weste aufknöpft und mir 'ne gute Geschichte erzählt oder mich vielleicht mit irgendwas aufzieht, sitzt er ganz vorn auf seinem Sessel und versucht Konversation über Politik zu machen und flucht nicht einmal. Und Sam fühlt sich nie richtig wohl, wenn er nicht ein bißchen fluchen kann!«

      »Mit anderen Worten, er fühlt sich nicht wohl, wenn er sich nicht benehmen kann wie ein Bauer in einer Dreckkate!«

      »Jetzt hab' ich aber genug davon!«

      Wütend drehte er ihr den Rücken zu. Dann brummte er weiter:

      »Aber du brauchst dich gar nicht aufzuregen; mit der Zeit wird's dir schon gelingen, mich mit allen Freunden und allen Patienten, die ich hab', auseinanderzubringen.«

      Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Sie sagte kühl: »Vielen Dank, daß du mir deine wahre Meinung über mich sagst. Wenn du so denkst, wenn ich so ein Hindernis für dich bin, kann ich keine Minute länger unter diesem Dach bleiben. Und ich bin auch sehr wohl imstande, mir selbst mein Brot zu verdienen. Ich will sofort gehen, und du kannst eine Scheidung haben, ganz wie du willst! Du brauchst nichts anderes, als eine nette, süße Kuh von Frau, der es Freude macht, wenn deine lieben Freunde vom Wetter reden und auf den Fußboden spucken!«

      »Papperlapapp! Sei keine dumme Gans! Das –«

      »Du wirst sehr bald merken, ob ich eine dumme Gans bin oder nicht!«

      »– ist kein Theaterstück; es ist eine ernste Bemühung, sich über fundamentale Dinge zu einigen. Wir sind beide verrückt gewesen und haben eine ganze Menge Dinge gesagt, die wir gar nicht gemeint haben. Ich würd' es auch sehr schön finden, wenn wir zwei erhabene Dichter wären und nur über Rosen und Mondschein reden könnten, aber wir sind ganz gewöhnliche Menschen. Gut. Hören wir auf, uns Gemeinheiten an den Kopf zu werfen. Geben wir zu, daß wir beide Dummheiten machen. Sieh mal: du weißt, daß du dir überlegen vorkommst bei den Leuten. Du bist nicht so schlecht, wie ich sage – aber du bist auch nicht so gut wie du sagst. Lange nicht! Warum bist du denn so überlegen? Warum kannst du die Leute nicht nehmen wie sie sind?«

      Von ihren Vorbereitungen zum Verlassen des Puppenhauses war noch nichts zu sehen. Sie überlegte:

      »Vielleicht liegt es an meiner Kindheit.«

      Sie machte eine Pause. Als sie weitersprach, hatte ihre Stimme einen künstlichen Ton, ihre Worte hörten sich an wie sentimentale Betrachtungen aus einem Buch. »Mein Vater war der zärtlichste Mensch der Welt, aber gewöhnlichen Leuten gegenüber ist er sich überlegen vorgekommen. Ja, er war es auch! Und das Minnesota-Tal – ich pflegte dort immer viele Stunden auf den Felsen über Mankato, zu sitzen, das Kinn in der Hand, und blickte ins Tal hinunter, wollte Gedichte schreiben. Die schimmernden Dächer unter mir, der Fluß, und hinter dem anderen Ufer die ebenen Felder und Wiesen im Nebel und der Kranz der Basaltklippen drüben – Das alles hielt meine Gedanken fest. In diesem Tal lebte ich. Aber die Prärie – meine Gedanken verfliegen in dem großen Raum. Meinst du, es könnte vielleicht das sein?«

      »Hm, na ja, vielleicht, aber – das ist alles recht schön und gut – Aber pass' mal auf: ich will genug Geld sparen, damit wir beide einmal unabhängig sind und ich nicht arbeiten muß, wenn ich keine Lust dazu hab' – und wenn wir reisen und dein Tormina sehen wollen, oder was es ist, ja, dann werden wir's eben tun können, wenn wir genug Geld in der Tasche haben – Du machst dir nie Gedanken drüber, was werden soll, wenn einer von uns krank wird und wir nicht ein schönes Stück Geld gespart haben!«

      »Das bilde ich mir auch gar nicht ein.«

      »Na eben, deshalb muß ich's für dich tun. Und wenn du nur einen Augenblick lang glaubst, daß ich mein ganzes Leben in diesem Nest verbringen will und mir keine Gelegenheit zum Reisen und zum Anschauen von allem möglichen und so wünsche, dann verstehst du mich eben nicht. Nur, ich bin praktisch dabei. Zuerst muß ich das Geld verdienen – ich leg' alles in gutem, sicheren Landbesitz an. Begreifst du jetzt, wie's ist?«

      »Ja.«

      »Willst du probieren, ob du mich für ein bißchen mehr halten kannst als einen ganz gemeinen Dollarjäger?«

      »Ach, mein Lieber, ich bin sehr ungerecht gewesen! Es ist wirklich schwer, mit mir auszukommen. Und die Dillons werde ich nicht mehr besuchen! Und wenn Doktor Dillon für Westlake und McGanum arbeitet, ist er mir abscheulich!«

      Vierzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis


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