Kapitalmarkt Compliance. Karl Richter
§ 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG aus.[92] Allerdings kommen in diesen Fällen Mitteilungspflichten nach § 38 WpHG in Betracht.[93]
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In den Anwendungsbereich von § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG fallen damit beispielsweise:
– | vorbehaltslose Angebote zur Übereignung von Aktien, deren Annahme unmittelbar zum dinglichen Erwerb führt;[94] |
– | dingliche Vorerwerbsrechte, die vom Begünstigten mit unmittelbarer Übereignungswirkung ausgeübt werden können, sobald der Vorerwerbsfall eingetreten ist;[95] |
– | Übereignungsangebote unter aufschiebender oder auflösender Bedingung i.S.v. § 158 BGB, deren Eintritt im Belieben des Erwerbsberechtigten steht, wenn sie ohne weiteres zum Übergang von Aktieneigentum führen.[96] |
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Demgegenüber erfasst § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG nicht:
– | rein schuldrechtlich ausgestaltete Kaufoptionen;[97] |
– | Verkaufsoptionen und Andienungsrechte;[98] |
– | Übereignungsangebote unter aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen i.S.v. § 158 BGB, deren Eintritt nicht im Belieben des Erwerbsberechtigten steht (z.B. Vorbehalt der kartellrechtlichen Freigabe oder Zustimmung der Gesellschaft bei Vinkulierung);[99] |
– | börsengängige Call- und Put-Optionen, die im Ausübungsfall lediglich Lieferansprüche entstehen lassen.[100] |
f) Anvertrauen und Stimmrechtsvollmacht
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Gem. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpHG werden Stimmrechte aus Aktien demjenigen zugerechnet, dem sie anvertraut sind oder der die Stimmrechte hieraus als Bevollmächtigter ausüben kann, sofern er die Stimmrechte aus diesen Aktien nach eigenem Ermessen ausüben kann, wenn keine besonderen Weisungen des Aktionärs vorliegen.
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Der Begriff des „Anvertrautseins“ überschneidet sich mit dem der Bevollmächtigung, ist aber enger. Auch bei anvertrauten Aktien ist Voraussetzung für eine Zurechnung, dass der Meldepflichtige (kraft Vollmacht) befugt ist, die Stimmrechte für den Aktionär auszuüben.[101] Zusätzlich setzt das Merkmal „Anvertrautsein“ eine Verpflichtung zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen des Aktionärs im Hinblick auf die Aktien voraus.[102] Dies setzt ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten voraus, das auf eine gewisse Dauer angelegt sein muss, da eine Beauftragung für den Einzelfall keinen vermögensbetreuenden Charakter hat.[103] Eine Zurechnung erfolgt jedoch nur dann, wenn der Meldepflichtige in den dadurch gezogenen Grenzen noch einen Ermessensspielraum bei der Ausübung der Stimmrechte hat. Ob er sein Ermessen auch tatsächlich ausübt, ist für die Zurechnung hingegen ohne Belang.[104]
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Erfasst sind zum einen vertragliche Rechtsverhältnisse. Zu nennen ist etwa die Vermögensverwaltung.[105] Neben vertraglichen Rechtsverhältnissen kommen auch gesetzliche Pflichten zur Vermögensverwaltung in Betracht. Zu nennen ist hier insbesondere das elterliche Sorgerecht,[106] Pflegschaft und Betreuung[107] sowie Testamentsvollstreckung.[108] Unter Bevollmächtigung ist die wirksame[109] rechtsgeschäftliche Erteilung von Vertretungsmacht zur Stimmrechtsausübung zu verstehen. Es genügt auch eine punktuelle, beispielsweise auf eine einzelne Hauptversammlung oder auch nur einen Tagesordnungspunkt bezogene Vollmacht.[110] Auch die Legitimationsübertragung, bei welcher der Legitimationsaktionär aufgrund dinglicher Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung entsprechend § 185 BGB die fremden Stimmrechte im eigenen Namen ausüben kann, fällt unter den Begriff der Bevollmächtigung im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpHG.[111] Entsprechend dem Grundsatz der mehrfachen Mitteilungspflicht findet im Falle der Bevollmächtigung keine Absorption der Stimmrechte beim Vollmachtgeber statt.[112]
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Voraussetzung der Zurechnung im Falle der Bevollmächtigung ist ein gewisser Ermessenspielraum des Bevollmächtigten bei der Ausübung der Stimmrechte. Selbst das regelmäßige Erteilen von Weisungen durch den Vollmachtgeber führt nicht dazu, dass beim Bevollmächtigten die Zurechnung entfällt. Lediglich dann, wenn der Bevollmächtigte beim Ausbleiben von Weisungen nicht handeln darf, ist der Zurechnungstatbestand nicht erfüllt.[113]
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Erteilt der Bevollmächtigte wirksam Untervollmacht, so sind auch dem Unterbevollmächtigten die Stimmrechte nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpHG zuzurechnen, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen, insbesondere also ein gewisses Ermessen bei der Stimmrechtsausübung gegeben ist. Das Erteilen einer Untervollmacht führt nach Auffassung der BaFin nicht dazu, dass die Zurechnung auf den Erstbevollmächtigten entfällt.[114]
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In der Praxis kommen im Zusammenhang mit Stimmrechtsvollmachten einige Besonderheiten vor. Zu nennen sind zunächst Kapitalanlage- und Verwaltungsgesellschaften. Für diese wird § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpHG vor allem bei der Vollmachtstreuhand sowie bei Asset- und Fonds-Management-Gesellschaften relevant.[115] Depotstimmrechte, also Vollmachtstimmrechte der Kreditinstitute i.S.v. § 135 AktG werden von § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpHG nicht erfasst, da die Kreditinstitute bei Ausübung der Stimmrechte nach § 135 Abs. 5 AktG kein eigenes Ermessen haben.[116] Gleiches gilt für Aktionärsvereinigungen und die sonstigen in § 135 Abs. 8 AktG genannten Personen.[117]
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Besonderheiten gelten auch für Stimmrechtsvollmachten, die nur für eine konkrete Hauptversammlung oder enger noch nur für einen bestimmten Beschlussgegenstand einer Hauptversammlung erteilt werden. Diese sind grundsätzlich gem. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpHG unter den dortigen Voraussetzungen des Ermessens des Bevollmächtigten zuzurechnen und mitzuteilen. Während „Dauer-Vollmachten“ sowohl bei der Bevollmächtigung im Falle der Schwellenberührung als auch nach Erlöschen der Vollmacht im Falle der Schwellenberührung mitgeteilt werden müssen, schränkt § 34 Abs. 3 WpHG das Erfordernis der zweiten Mitteilung ein: Bei Bevollmächtigung nur für eine Hauptversammlung oder einen Beschlussgegenstand muss nur eine Mitteilung gemacht werden, und zwar bei Vollmachtserteilung. In dieser Mitteilung müssen jedoch die von § 34 Abs. 3 S. 2 WpHG geforderten zusätzlichen Angaben enthalten sein. Der Meldepflichtige muss also zusätzlich angeben, wann die Hauptversammlung stattfindet und wie hoch sein Stimmrechtsanteil nach Erlöschen der Vollmacht oder des Ausübungsermessens sein wird.[118] Verändert sich der Stimmrechtsanteil nach der Mitteilung, sodass sich nach Erlöschen der Vollmacht oder des Ausübungsermessens der Stimmrechtsanteil von der Angabe in der Mitteilung unterscheidet, ist dies in einer zweiten Mitteilung zu erklären. Von den Erleichterungen nach § 34 Abs. 3 WpHG kann dann kein Gebrauch mehr gemacht werden.[119]
g) Zeitweilige Übertragung von Stimmrechten
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§ 34 Abs. 1 Nr. 7 WpHG enthält eine Zurechnungsvorschrift für die separate Übertragung von Stimmrechten ohne die damit verbundenen Aktien. Diese separate Übertragung nur der Stimmrechte ist aufgrund des aktienrechtlichen Abspaltungsverbots nach deutschem Recht nicht möglich. Da eine solche Übertragung jedoch nach ausländischem Recht teilweise zulässig ist, wurde auch im deutschen WpHG eine Regelung geschaffen, die sicherstellt, dass in diesen Fällen eine Zurechnung der Stimmrechte erfolgt und damit die Anforderungen der Transparenzrichtlinie