Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
href="#ulink_2c0254e4-6ee8-53ad-9472-8ca7ddcd7873">§ 370 Abs. 1 Nr. 2 ist (s. dazu Rn. 105 ff.). Zur Strafbarkeit von Hintermännern hat der BGH entschieden, dass die für das Merkmal des Verbringers gem. Art. 38 ZK und 40 ZK und für die Gestellungspflicht nach Art. 40 ZK entscheidende Herrschaft über die Ware bei der Einfuhr nicht nur der Fahrer und seine Begleiter im Fahrzeug haben, sofern letztere Verantwortung für die Verbringung der Waren übernommen haben, sondern „kraft ihrer Weisungsbefugnis auch diejenigen Organisatoren des Transports, die beherrschenden Einfluss auf den Fahrzeugführer haben, indem sie die Entscheidung zur Durchführung des Transports treffen und die Einzelheiten der Fahrt (z.B. Fahrtroute, Ort und Zeit der Einfuhr) bestimmen“.[655]
b) Umsatzsteuern und harmonisierte Verbrauchsteuern von EU-Mitgliedstaaten, § 370 Abs. 6 S. 2
255
§ 370 Abs. 6 S. 2 regelt die Anwendbarkeit des § 370 Abs. 1–5 für Taten, die sich auf Umsatzsteuern oder auf die in Art. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 genannten harmonisierten Verbrauchsteuern beziehen, die von einem anderen Mitgliedstaat der EU verwaltet werden.
256
Bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 am 14.12.2010 galt nach § 370 Abs. 6 S. 3 als Voraussetzung der Verfolgbarkeit die Gegenseitigkeit der Strafverfolgung, die jedoch nicht sicher gestellt wurde, da die nach § 370 Abs. 6 S. 4 zur Feststellung vorgesehene Rechtsverordnung nie erlassen wurde. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht handelte es sich bei der Verbürgung der Gegenseitigkeit um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit.[656] Dann käme es für die seit Aufhebung des § 370 Abs. 6 S. 3 und 4 begangenen Taten, also ab dem 14.12.2010, auf die Gegenseitigkeit nicht mehr an. Für früher begangene Taten stünde das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG und § 2 StGB der Verfolgung nach der neuen Rechtslage entgegen (zu Einzelheiten zum Rückwirkungsverbot s. Vorbem. zu § 369 Rn. 57). Nach anderer Ansicht war die Verbürgung der Gegenseitigkeit eine Prozessvoraussetzung, mit der Folge, dass nur dann ein Verfolgungshindernis besteht, wenn sie zum Zeitpunkt der Entscheidung fehlt.[657] Nach dieser Auffassung könnten Altfälle, die noch unter der alten Rechtslage begangen wurden wegen des Wegfalls des Gegenseitigkeits-Erfordernisses heute verfolgt werden, sofern man nicht aufgrund der früheren Regelung Vertrauensschutz zubilligt.[658]
c) Auslandstaten, § 370 Abs. 7
257
§ 370 Abs. 7 erweitert die Strafbarkeit des § 370 unabhängig vom Recht des Tatorts auf Straftaten, die außerhalb des Geltungsbereichs der AO begangen werden. Damit ist unerheblich, wo der Täter oder Teilnehmer gehandelt hat und wo der Erfolg eingetreten ist. Der Anwendungsbereich ist allerdings beschränkt, da eine Inlandstat i.S.d. § 3 StGB nach § 9 Abs. 1 StGB auch dann vorliegt, wenn der Täter im Ausland gehandelt hat, sofern er irgendeine tatbestandsmäßige Handlung oder Unterlassung im Inland begangen hat oder der Erfolg im Inland eingetreten ist oder eintreten sollte. Zur Vermeidung einer unzulässigen Doppelverfolgung oder Doppelbestrafung (Art. 6 EUV i.V.m. Art. 50 der Charta der Grundrechte der EU) sieht das Gesetzt Möglichkeiten vor, von der Verfolgung abzusehen (§ 153c StPO) oder die bereits verhängte Strafe anzurechnen (§ 51 Abs. 3 StGB).
V. Subjektiver Tatbestand / Vorsatz
258
Die Steuerhinterziehung kann, da § 370 keine Strafbarkeit der fahrlässigen Begehung anordnet, nur vorsätzlich begangen werden (15 StGB). Die fahrlässige Steuerverkürzung wird in den Fällen des § 382 sowie in der Form der Leichtfertigkeit nach § 378 und – im Falle der Verbrauchsteuergefährdung – nach § 381 als Ordnungswidrigkeit geahndet (siehe dazu die Kommentierung zu §§ 378, 381 und 382).
1. Begriff des Vorsatzes
259
Als Vorsatz gilt das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung.[659] Dazu muss der Täter die nach Gegenstand, Zeit und Ort bestimmte Handlung in allen wesentlichen Beziehungen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten der Ausführung in seine Vorstellung und in seinen Willen aufgenommen haben (s. dazu auch § 369 Rn. 67 ff.).[660]
260
Mögliche Formen des Vorsatzes sind das absichtliche Handeln oder Unterlassen (direkter Vorsatz ersten Grades), das wissentliche Handeln und Unterlassen (direkter Vorsatz zweiten Grades) und das billigende In-Kauf-Nehmen der Tatbestandsverwirklichung (bedingter Vorsatz bzw. dolus eventualis). Handelt der Täter nur bedingt vorsätzlich, so wirkt sich das im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Gunsten aus (§ 46 Abs. 2 StGB).
2. Abgrenzung bedingter Vorsatz zu bewusster Fahrlässigkeit
261
Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung von bedingtem Vorsatz zu der sog. bewussten Fahrlässigkeit sowie auch der lediglich als Ordnungswidrigkeit verfolgbaren Leichtfertigkeit i.S.d. § 378.[661] Nach der Rspr. handelt der Täter bedingt vorsätzlich, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges „als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles Willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein; bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten“.[662] Für den bedingten Vorsatz ist nicht erforderlich, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde oder der Höhe nach sicher kennt.[663] Es genügt vielmehr, dass er den Steueranspruch für möglich hält und die Finanzbehörde dennoch über die Besteuerungsgrundlagen in Unkenntnis lässt. Das gilt auch in Fällen, in denen die steuerliche Behandlung eines Sachverhaltes streitig ist und höchstrichterliche Rspr. dazu noch nicht ergangen ist. Es genügt dann für den Vorsatz, dass der Täter eine andere rechtliche Beurteilung und damit die Unrichtigkeit seiner Erklärung bzw. unterlassenen Erklärung in Betracht zieht und für diesen Fall billigend in Kauf nimmt [664] (s. dazu auch Rn. 62).
262
Fraglich ist, ob Hinterziehungsvorsatz anzunehmen ist, wenn der Täter über steuererhebliche Tatsachen täuscht, um eine rechtswidrige Steuerfestsetzung – etwa wegen einer falschen Rechtsauffassung oder eines Nichtanwendungserlasses der Finanzverwaltung