Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
für die unterschiedlichen Waren über einen bestimmten Zeitraum ermittelt, der – sofern es zu keinen relevanten Veränderungen im Betrieb gekommen ist – auf andere Zeiträume übertragen werden kann, um schätzungsweise zu ermitteln, wie hoch der Ertrag sein müsste. Das Ergebnis einer auf diese Weise ordentlich durchgeführten Verprobung ist sowohl steuerlich als auch strafrechtlich grundsätzlich geeignet, die Vermutung der sachlichen Richtigkeit der Buchführung zu erschüttern, selbst wenn keine formellen Fehler vorliegen.[590] Das ordentlich ermittelte Ergebnis kann außerdem sowohl im Steuer- als auch im Strafverfahren zur Berechnung der Höhe der verkürzten Steuer verwendet werden. Mögliche Angriffspunkte gegen die Nachkalkulation können bspw. eine ungenaue Aufgliederung des Wareneinkaufs, saisonale Besonderheiten, die unterbliebene Berücksichtigung von Rabattaktionen, außergewöhnlichen Verlusten usw. sein.
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(d) Vermögenszuwachsrechnung: Bei der Vermögenszuwachsrechnung (auch Gesamtvermögensvergleich genannt), wird die Entwicklung des Vermögens insgesamt betrachtet, indem das Gesamtvermögen an zwei Stichtagen ermittelt und gegenüber gestellt wird. Werden dabei nicht erklärbare Vermögensmehrungen festgestellt, kann dies ein Indiz für verschwiegene steuerpflichtige Vermögensmehrungen sein. Grundsätzlich könnte der Zuwachs aber ebenso gut aus nicht steuerbaren oder nicht steuerpflichtigen Vorgängen stammen. Die finanzgerichtliche Rspr. hält diese Schätzungsmethode bei ordentlicher Durchführung für so zuverlässig, dass aufgrund des Schätzungsergebnisses das Buchführungsergebnis widerlegt und in Höhe der errechneten Fehlbeträge nicht verbuchte Betriebseinnahmen bzw. ein Saldo nicht verbuchter Betriebseinnahmen/Betriebsausgaben nachgewiesen werden können.[591]
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Strafrechtlich kann ein nicht erklärbarer Vermögenszuwachs als Indiz für eine Steuerverkürzung gewertet werden. Eine Verurteilung kann er wegen des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes jedoch allein nicht tragen, da das Vermögen auch aus nicht steuerbaren oder nicht steuerpflichtigen Quellen stammen kann. Bedenklich ist in dieser Hinsicht eine Entscheidung des BGH[592] in der das Gericht die Unterstellung des Tatsachengerichts beanstandet, das Endvermögen eines wegen Steuerhinterziehung Angeklagten habe sich über Jahre hinweg ausschließlich durch nichtsteuerbare Verschiebungen in der Vermögenssphäre gebildet, ohne dass Einkünfte aus Kapitalvermögen entstanden wären. Gänzlich unwahrscheinliche Verläufe, für die keine tatsächlichen Anhaltspunkte sprechen, dürfe das Gericht auch zugunsten des Angeklagten nicht zugrunde legen. Wolle das Gericht eine solche unwahrscheinliche Entwicklung zugunsten eines Angeklagten annehmen, so bedürfe dies der Begründung und der Darlegung der tragenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen. Liegen solche Anhaltspunkte nicht vor, sei bei der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen nach § 162 auch im Strafverfahren von einer durchschnittlichen, an Wahrscheinlichkeitskriterien ausgerichteten Berechnung auszugehen.[593] Zuzustimmen ist diesen Ausführungen für die Schätzung der Höhe nach. Die Entscheidung ist aber insoweit abzulehnen, als der BGH damit letztlich eine Schätzung angeblich hinterzogener Beträge dem Grunde nach gefordert hat, da kein konkreter Hinweis darauf vorlag, wie es zu der Vermögensmehrung gekommen war und somit auch nicht, dass steuerpflichtige Erträge hinterzogen worden waren. Stattdessen beruft sich das Gericht allein auf eine allgemeine „wirtschaftliche Erfahrung“.[594]
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(e) Geldverkehrsrechnung: Die Geldverkehrsrechnung ist eine Abwandlung der Vermögenszuwachsrechnung, bei der die Zu- und Abflüsse analysiert werden (anstelle des Vergleichs des Vermögensbestandes zu unterschiedlichen Zeitpunkten). Sie gilt, sofern die hohen Anforderungen der Rspr. an diese Schätzungsmethode[595] beachtet werden, steuerlich als so zuverlässig, dass sie das (formell ordnungsgemäße) Buchführungsergebnis im steuerlichen Verfahren widerlegen und in Höhe der errechneten Fehlbeträge nicht verbuchte Betriebseinnahmen bzw. einen Saldo nicht verbuchter Betriebseinnahmen/Betriebsausgaben nachweisen kann.[596] Der 1. Senat des BGH hat auf die erhöhten Anforderungen an die Schätzung (auch) im Hinblick auf die Geldverkehrsrechnung hingewiesen. Im Urteil muss nachvollziehbar dargelegt werden, warum sich das Gericht für diese verhältnismäßig grobe Schätzungsmethode entschieden hat, insbesondere, dass keine konkretere und damit genauere Schätzungsmethode zur Verfügung stand. Zudem muss ausgeschlossen werden können, dass die durch die Geldverkehrsrechnung ermittelten Bargeldüberschüsse aus einer Bargeldreserve stammen könnten.[597]
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(f) Chi-Quadrat-Test: Der sogenannte Chi²-Test ist eine stochastische Methode zur Überprüfung der Buchführung des Steuerpflichtigen, z.B. bei den Betriebseinnahmen. Die Methode analysiert die Verteilung bestimmter Ziffern und basiert auf der Erkenntnis, dass jeder Mensch unbewusst Sympathien für oder Antipathien gegen bestimmte Zahlen hat. Bei größeren Zahlenkolonnen besteht die Wahrscheinlichkeit, dass jede der Ziffern 0-9 mit einer Häufigkeit von 10 % vorkommt. Bucht ein Unternehmer nicht die tatsächlichen Zahlen, sondern manipulierte Zahlen, führen psychologische Faktoren oft zu einer abweichenden Häufigkeit, die der Chi2-Test ermittelt. Der Test kann jedenfalls dann keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern, wenn eine abweichende Verteilung z.B. auf der Preisgestaltung des untersuchten Unternehmens beruht.[598] Der Test allein ist – selbst wenn er eine Manipulationswahrscheinlichkeit von 100 % ergibt – nicht geeignet, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist.[599]
(3) Verwertung von angekauften Daten-CDs
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In der jüngeren Vergangenheit ist ein heftiger Streit um die Frage ausgebrochen, ob die Finanzbehörden sog. Steuer-CDs mit Angaben zu Kunden ausländischer Banken ankaufen und daraufhin auswerten dürfen, ob sich darauf Daten zu im Inland steuerpflichtigen Personen finden, die keine entsprechenden Kapitalerträge erklärt haben (s. dazu auch § 385 Rn. 35 ff. und § 397 Rn. 46 ff.). Das BVerfG hat in einem Fall liechtensteinischer Finanzinstitute kein Verwertungsverbot angenommen. Ein solches sei zwar zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig außer Acht gelassen worden sind, geboten. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten sei aber nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist.[600] Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, seien – selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte – grundsätzlich verwertbar.[601] In dem zu entscheidenden Fall hat das BVerfG die Annahme, der Bundesnachrichtendienst sei gezielt eingesetzt worden, um Zufallsfunde für nicht nachrichtendienstliche Zecke zu erlangen, als durch nichts belegt erachtet.[602]
4. Kausalität und objektive Zurechnung
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Der Taterfolg des § 370 Abs. 1 muss durch eine der Tathandlungen („dadurch“) herbeigeführt werden. Nach der im allgemeinen Strafrecht entwickelten „Conditio-sine-qua-non“-Formel ist eine Handlung für den Erfolg kausal, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.[603] Für Unterlassungstaten wird die Formel ebenfalls angewendet, mit dem Unterschied, dass die Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Verschweigt der Täter bspw. einen Teil seiner Einkünfte und wird entspr. seiner Erklärung veranlagt, so wäre die zu niedrige Festsetzung ohne die falsche Angabe nicht erfolgt. Nicht abzustellen ist darauf, dass bei gänzlich unterlassener Erklärung gar keine Festsetzung erfolgt und damit ebenfalls bzw. in noch größerem Umfang Steuern verkürzt worden wären.
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Weitere Voraussetzung über die reine (Mit-)Verursachung hinaus ist, dass der Täter ein rechtlich missbilligtes Risiko für den