Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
370 Abs. 4 S. 3 handelt, da nach wie vor allein die in der Steuererklärung aufgeführten und tatsächlich geleisteten Zahlungen der steuerlichen Beurteilung unterliegen.[626] Der Austausch des Betriebsausgabengrundes und die durch Nennung des wirtschaftlichen Empfängers erfolgte Ergänzung mache aus dem ursprünglich angegebenen keinen anderen Geschäftsvorfall. Auch in dem bloßen Nichtbenennen des Empfängers einer tatsächlich geleisteten Zahlung sei kein steuerunehrliches Verhalten zu sehen. Es führe steuerlich zu einer Aberkennung der Betriebsausgaben, begründe aber keine Steuerhinterziehung. Strafbar mache sich der Steuerpflichtige allerdings, wenn er einen fingierten Empfänger benennt, um die Versagung des Betriebsausgabenabzugs zu verhindern.[627] Das FG Niedersachsen will von einer Falschbezeichnung des Empfängers den Austausch des Lebenssachverhaltes auf den sich die geltend gemachten Betriebsausgaben beziehen, abgrenzen.[628] Um einen solchen Austausch des Lebenssachverhaltes handele es sich, wenn der zunächst angegebene Gläubiger eines Darlehens tatsächlich in deutlich geringerem Umfang Zinsansprüche gegen die Steuerpflichtige hatte, während die geltend gemachten Zinsen über den angegebenen Gläubiger tatsächlich einem anderen, erst später benannten Gläubiger zugeflossen waren.[629]
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Die Kasuistik zum unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang ist unübersichtlich.
aa) Kompensationsverbot bei Steuern auf Einkommen und Ertrag
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Nach höchstrichterlicher Rspr. ist es gem. § 370 Abs. 4 S. 3
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– | zulässig, Betriebsausgaben (Lohn-, Anschaffungskosten und Provisionsaufwendungen) von den Betriebseinnahmen aus „schwarz“ erbrachten Leistungen steuermindernd abzusetzen.[630] Voraussetzung ist allerdings, dass die Ausgaben den unversteuert verkauften Waren oder erbrachten Leistungen zugeordnet werden können[631] und die Berücksichtigung nicht im Ermessen der Finanzbehörde liegt, wie im Fall des fehlenden Empfängernachweises gem. § 160.[632] Voraussetzung für einen solchen Ermessensspielraum ist nach § 160, dass die Finanzbehörde tatsächlich verlangt hat, dass die Empfänger benannt werden (s. zu den weiteren Voraussetzungen des § 160 Rn. 87 ff.); |
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– | unzulässig, im Besteuerungsverfahren vorgetäuschte Betriebsausgaben, die mit Scheinrechnungen über fingierte Geschäfte begründet worden sind, im Strafverfahren durch betrieblich veranlasste andere, im Besteuerungsverfahren aber nicht geltend gemachte Aufwendungen zu ersetzen;[633] |
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– | unzulässig, für „schwarz“ verkaufte Gegenstände aus dem Privatvermögen, die zuvor nicht als Einlage in die Buchführung aufgenommen worden sind, den Teilwert gewinnmindernd zu berücksichtigen;[634] |
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– | zulässig, einen bereits festgestellten Verlustvortrag in Ansatz zu bringen, da dieser dem Täter schon aufgrund seiner Angaben zustand;[635] |
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– | unzulässig, Verlustvorträge aus anderen Veranlagungszeiträumen nach § 10d EStG zu berücksichtigen, da die früheren Betriebsverluste mit den Gewinnen der Veranlagungszeiträume in keinem Zusammenhang stehen;[636] |
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– | zulässig, Betriebssteuern, die sich aus verschwiegenen Betriebseinnahmen ergeben, gewinnmindernd zu berücksichtigen.[637] |
bb) Kompensationsverbot bei Umsatzsteuer und Einfuhrumsatzsteuer
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Nach höchstrichterlicher Rspr. ist es gem. § 370 Abs. 4 S. 3
– | zulässig, tatsächlich entstandene aber nicht geltend gemachte Vorsteuer von verkürzter USt abzuziehen, wenn ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz besteht.[638] Der BGH führt dazu aus: Soweit eine nicht erklärte steuerpflichtige Ausgangsleistung eine tatsächlich durchgeführte Lieferung war und die hierbei verwendeten Wirtschaftsgüter unter den Voraussetzungen des § 15 UStG erworben wurden, hat eine Verrechnung von Vorsteuer und Umsatzsteuer stattzufinden. Maßgeblich ist allerdings, dass auch die übrigen Voraussetzungen aus § 15 UStG – insbesondere die Vorlage einer Rechnung – im maßgeblichen Besteuerungszeitraum gegeben sind.[639] Dazu, ob auch Gemeinkosten insoweit abziehbar sind, als sie dem konkreten verschwiegenen Umsatz zuzuordnen sind, hat der BGH sich bislang nicht geäußert. Es ist aber zu erwarten, dass er für diese Kosten – entsprechend der Rspr. des EuGH[640] – einen unmittelbaren Zusammenhang verneinen wird, so dass sie nicht berücksichtigungsfähig wären. |
– | zulässig, den mit dem umsatzsteuerbaren innergemeinschaftlichen Erwerb korrespondierenden Vorsteuerabzug nach spanischem Recht geltend zu machen, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang sind;[641] |
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– | unzulässig, von der durch inhaltlich unrichtige Zollanmeldungen hinterzogenen Einfuhrumsatzsteuer den dem Unternehmer nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG zustehenden Vorsteuerabzug abzuziehen.[642] Zur Begründung heißt es, dass die Umsatzbesteuerung bei der Einfuhr der Waren und der Vorsteuerabzug nach deren Weiterveräußerung auf unterschiedlichen wirtschaftlichen Sachverhalten beruhen, die zeitlich auseinanderfallen und in unterschiedliche Steueranmeldungen Eingang finden. Aus diesem Grund habe der Vorsteueranspruch nicht nur im Rahmen des Kompensationsverbots sondern auch bei Bestimmung des tatbestandlichen Schuldumfangs außer Betracht zu bleiben;[643] |
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– | zulässig, wenn Körperschaftssteuer dadurch hinterzogen worden ist, dass der Steuerpflichtige fingierte Belege mit offenem Umsatzsteuerausweis in die Buchführung einbrachte, im Zusammenhang mit der Feststellung der Körperschaftssteuer und Gewerbesteuerverkürzung bei der Gewinnermittlung (Bilanzierung) auch die verkürzte USt gewinnmindernd zu berücksichtigen.[644] |
b) Kompensationsverbot in Unterlassungsfällen
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Problematisch und in der Lit. umstritten[645] ist insb. die Anwendung des Kompensationsverbots auf Unterlassungsfälle. In früherer Rspr. bejahte der BGH eine Umsatzsteuerhinterziehung selbst für den Fall, dass der Steuerpflichtige keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hat, in der er einerseits