Wirtschaftspsychologie für Dummies. Ulrich Walbrühl
Wirtschaftspsychologie ist eine neue, alte Wissenschaft. Alt, weil Hugo Münsterberg schon vor über hundert Jahren im Jahr 1912 das Lehrbuch »Psychologie und das Wirtschaftsleben« herausgegeben hat. Und neu, weil es im deutschsprachigen Raum erst seit wenigen Jahren Studiengänge zu diesem Fach gibt. Dabei verstehe ich die Wirtschaftspsychologie so, wie sie Münsterberg schon verstanden hat: nicht als »Psychologie plus Betriebswirtschaftslehre«, sondern als »Psychologie im Wirtschaftsleben«. Sie werden also nichts über Bilanzen, Rechnungswesen und finanzielles Controlling in diesem Buch finden, sondern ausschließlich Dinge, die mit den Menschen im Umfeld von Unternehmen zu tun haben: als Kunden und Konsumenten, als Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmer. Bei der Entdeckung dieses spannenden Feldes wünsche ich Ihnen viel Spaß.
Teil I
Der Handwerkskoffer des Wirtschaftspsychologen
IN DIESEM TEIL …
Jeder Klempner oder Elektriker bringt seinen Handwerkskoffer mit, wenn er zu einem Kunden gerufen wird. Vorher weiß er noch nicht, welches Instrument er brauchen wird. Aber wenn er das Rohr nicht frei bekommt oder die Lampe auch nachher nicht leuchtet, kann es daran liegen, dass er ein bestimmtes Werkzeug nicht dabeihatte.
Im ersten Kapitel geht es zunächst um den Zusammenhang und die Wechselwirkungen zwischen der Wirtschaft und dem Menschen. In den folgenden Kapiteln erläutere ich dann die wichtigsten Werkzeuge eines Wirtschaftspsychologen und wie Sie diese sinnvoll in die Praxis umsetzen.
Im zweiten Kapitel werden Soft Skills des Wirtschaftspsychologen dargestellt; das sind grundlegende Fertigkeiten und Techniken, die im Studium erworben und vertieft werden und die bei der Erbringung psychologischer Dienstleistungen benötigt werden. Im dritten Kapitel sind Forschungsmethoden und Statistik an der Reihe. Diese werden benötigt, um die Ergebnisse von Studien zu verstehen und richtig zu interpretieren. Im vierten Kapitel erfahren Sie Grundlegendes über die psychologische Testentwicklung und Diagnostik. Sie werden verstehen, wie psychologische Testverfahren aufgebaut sind und funktionieren.
Mit Abschluss des ersten Teils haben Sie dann genügend Hintergrundwissen gesammelt, um sich ganz den psychologischen Inhalten dieses Buches widmen zu können. Aber es ist auch in Ordnung, wenn Sie sich gleich auf die Psychologie stürzen und die ersten Kapitel als Nachschlagewerk nutzen, auf die Sie zurückgreifen, um etwas besser zu verstehen. Wie Sie das halten möchten, liegt ganz bei Ihnen.
Kapitel 1
Der Mensch im Unternehmen
IN DIESEM KAPITEL
Mensch und Unternehmen in Wechselwirkung
Wirtschaftspsychologen und ihre Konkurrenz
Menschenbilder, die die Wirtschaftspsychologie beeinflusst haben
In der Wirtschaftspsychologie sind die Aspekte der Psychologie gebündelt, die für die Wirtschaft interessant sind. Dies kann man von zwei Seiten betrachten:
Inwiefern braucht die Wirtschaft den Menschen?
Inwiefern benötigt der Mensch die Wirtschaft?
Die Wirtschaft und der Mensch
Unternehmen können nicht ohne Menschen funktionieren. Niemand hat es bisher geschafft, ein Unternehmen zu konzipieren, das einzig und allein aus seinen Maschinen, Gebäuden und Computerprogrammen besteht. Sicher, es gibt inzwischen vollautomatische Produktionsstraßen, die kaum mehr von Menschen betreten werden. Aber an den Schnittstellen – sei es im Unternehmen zwischen Produktion und Marketing oder nach außen hin vom Vertrieb zum Kunden oder vom Einkauf zum Lieferanten – sitzen immer noch Menschen. Unternehmen sind ohne Menschen nicht vorstellbar. Dabei nehmen Menschen verschiedene Rollen ein und erfüllen unterschiedliche Zwecke für das Unternehmen:
Unternehmer
Führungskraft
Mitarbeiter
Kooperationspartner
Freelancer
Lieferant
Kunde
Lassen Sie uns einige der wichtigsten Rollen einmal betrachten.
Der Mensch als Unternehmer
Ein Unternehmen würde nicht existieren, wenn es nicht von Menschen gegründet, aufgebaut und geleitet würde. Was bewegt einen Unternehmer? Was bringt ihn dazu, sein Leben seiner Firma zu verschreiben, 80 Stunden pro Woche zu arbeiten und auf Urlaub zu verzichten, bis es richtig rund läuft? Und wie kann er andere dazu bringen mitzuziehen?
Der Mensch als Führungskraft
Führungskraft ist jede Person mit Budget- und/oder Personalverantwortung, das bedeutet, wer zur Umsetzung der eigenen Aufgaben Unterstützung benötigt und daher über Mitarbeiter verfügt. Entscheidungen jeder Führungsebene leisten einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg und Fortbestand des Unternehmens. Die besondere Herausforderung für Führungskräfte liegt darin, sich auf die Bedürfnisse der unterstellten Mitarbeiter einzustellen und dabei gleichzeitig die Unternehmensziele nicht aus den Augen zu verlieren. Mehr zur Personalpsychologie und zum Thema Führung erfahren Sie in Kapitel 9.
Der Mensch als Mitarbeiter
Beschäftigte eines Unternehmens stellen ihre Arbeitskraft zur Verfügung und werden dafür entlohnt, sowohl mit Geld als auch mit weniger greifbaren Dingen wie Zugehörigkeit, Status und Verantwortung. Aus dem Begriff »Mitarbeiter« ist ableitbar, dass er mit anderen, also weiteren Arbeitnehmern, zusammen tätig ist. Mehr dazu finden Sie in den Kapiteln 5, 9 und 11.
Heutzutage sieht man im Mitarbeiter mehr den in eigener Aktivität wirkenden Menschen, und nicht mehr – wie früher – das der Willensdurchsetzung von Führungskräften passive, unterworfene Objekt. Mehr zum Wandel der »Menschenbilder« in Organisationen finden Sie am Ende dieses Kapitels.
Der Mensch als Freelancer
Auch heute noch streben die meisten Menschen ein festes Arbeitsverhältnis in einem Unternehmen an, am liebsten auf Lebenszeit. Und auch Unternehmen streben danach, Mitarbeiter an sich zu binden, was als »Retention Management« bezeichnet wird. Dennoch gibt es in Unternehmen auch die anderen, die Zeitarbeiter und Freelancer, die keinen festen Vertrag haben und damit über ein Stück Unabhängigkeit verfügen. Wollen diese sich überhaupt ans Unternehmen binden? Welche Arbeitsformen bringt die Zukunft? Zur Arbeitspsychologie, die sich mit Fragen wie diesen beschäftigt, erfahren Sie mehr in Kapitel 11.
Der Mensch als Kooperationspartner
Menschen wie Unternehmen müssen kooperieren, innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Unternehmen schließen sich zu »Joint Ventures« zusammen, um gemeinsam einen neuen Markt zu erobern. Das tun sie, weil Menschen erkannt haben, dass sie es allein nicht schaffen, dass ihnen Geld, Know-how oder weitere Ressourcen fehlen. Auch Franchisesysteme sind eine Form der Kooperation, wie letztlich jede Form der Geschäftsbeziehung. Mehr zur Sozialpsychologie und zum Thema Zusammenarbeiten und den Umgang mit Konflikten, die in jeder Geschäftsbeziehung