Wirtschaftspsychologie für Dummies. Ulrich Walbrühl
Berufsverband aller Wirtschaftspsychologen gibt es nicht.
Besondere Persönlichkeiten aus der Wirtschaftspsychologie
Prof. Dr. Heinrich Wottawa ist emeritierter Inhaber des Lehrstuhls für Methodenlehre, Diagnostik und Evaluation im Bereich Wirtschaftspsychologie an der Ruhr-Universität Bochum sowie geschäftsführender Gesellschafter der Eligo psychologische Personalsoftware GmbH. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Eignungsdiagnostik, insbesondere mit internetbasierten Tools, sowie in der Konzeption und Durchführung von Personalentwicklungsmaßnahmen.
Prof. Dr. Gunther Olesch war in den Achtzigerjahren für den Aufbau und die Leitung der Personalentwicklung im Thyssen-Konzern verantwortlich. Bis 2021 war er als Geschäftsführer für Personal, Informatik und Recht bei Phoenix Contact GmbH Co. KG tätig, mit 9.300 Mitarbeitern internationaler Marktführer der elektronischen Interface- und Automatisierungstechnik.
Prof. Dr. Walter Jochmann promovierte über die beruflichen Wechselmotivationen von Führungskräften. Heute ist er Mitglied der Geschäftsführung der renommierten Personalberatung Kienbaum Consultants International GmbH sowie Vorsitzender der Geschäftsführung und Partner der Kienbaum Management Consultants GmbH.
Prof. Dr. Simone Kauffeld hat seit 2007 den Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie an der TU Braunschweig inne. Sie war sechs Jahre lang Mitglied des Präsidiums der Universität und ist Mitinhaberin einer Beratungsgesellschaft, die psychologisches Know-how mit IT-Kompetenz für Unternehmen verbindet.
Prof. Dr. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Er gilt als Experte für Personaldiagnostik und wurde im Jahr 2016 von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie als Professor des Jahres ausgezeichnet.
Die drei Letztgenannten – Jochmann, Kanning und Kauffeld – sind im Jahr 2021 vom Personalmagazin zu den »40 führenden Köpfen des Personalwesens« gezählt worden und treffen in diesem illustren Kreis mit den Professoren Martin Kersting, Carsten Schermuly, Heike Brand und Torsten Biemann auf weitere Wirtschaftspsychologen. Das ist ein beachtliches Ergebnis.
Was für die Wirtschaftspsychologie spricht
Es gibt ein paar Dinge, die die Wirtschaftspsychologie sehr interessant und effektiv machen. Im Einzelnen sind das:
Grundlagenforschung an den Universitäten
gute Reputation in einzelnen Bereichen der Wirtschaft, etwa der Diagnostik
spannendes Fach mit gutem Zulauf von Studierenden an den Fachhochschulen
zahlreiche Einsatzgebiete, da praktisch überall in der Wirtschaft Menschen miteinander zu tun haben
Was gegen die Wirtschaftspsychologie spricht
Auf der anderen Seite müssen aber noch ein paar Dinge verbessert werden. Im Einzelnen sind das:
Bild des Psychologen geprägt durch klinische Therapeuten, die Wirtschaftspsychologie ist vielen unbekannt
Tendenz der Psychologen, eher wissenschaftlich oder beratend tätig zu sein, als sich als Entscheider zu etablieren und damit Verantwortung zu übernehmen
in den meisten Bereichen der Wirtschaft eher als »Hilfswissenschaft« wahrgenommen
Menschenbilder in Organisationen
Wie werden Menschen bislang in Unternehmen gesehen? Im Laufe der Zeit konnten sich fünf Menschenbilder etablieren, die heute alle noch präsent sind. Diese sind Metaphern dafür, wie Menschen »funktionieren«, und werden bei Entscheidungen herangezogen. Sie lauten:
Homo oeconomicus
sozialer Mensch
sich selbst aktualisierender Mensch
komplexer Mensch
virtueller Mensch
Die Menschenbilder wurzeln jeweils in der Sichtweise, die zu einer bestimmten Zeit vorherrschend war, sind aber nicht auf diese Zeit begrenzt. Selbst heutzutage gibt es genügend »Anhänger« eines klassischen Menschenbildes, das um die vorletzte Jahrhundertwende entstanden ist. Eine Übersicht über die Menschenbilder im zeitlichen Verlauf finden Sie in Abbildung 1.1.
Abbildung 1.1: Die Entstehung der Menschenbilder im zeitlichen Verlauf
Homo oeconomicus, der rationale Mensch
Menschen sind bekanntlich vernunftbegabt. Sie denken, können Fakten sammeln, gegeneinander abwägen und dadurch zu durchdachten Entscheidungen kommen. Sie berücksichtigen immer und überall das Kosten-Nutzen-Verhältnis und legen bei ihren Entscheidungen objektive Kriterien an. Dinge, die ihnen nutzen, suchen sie auf, und Dinge, die ihnen schaden, meiden sie.
Am Fließband von Henry Ford kam dieses Denkmodell zum Einsatz:
»Gib den Menschen einen Job, bei dem sie eine fest umrissene Aufgabe zu erfüllen haben, zahle sie überdurchschnittlich gut und entlasse sie, sobald sie nicht mehr funktionieren.«
Wenn Sie von dieser Sichtweise ausgehen, kommen Sie zu einem relativ einfachen Funktionsprinzip des Menschen:
Geld ist ein universaler Motivator. Mit Geld kann ich eigentlich jeden dazu bewegen, sich für mich einzusetzen.
Menschen sind vor allem bequem. Wenn sie nicht ständig kontrolliert werden, tun sie von sich aus nichts.
Menschen sind auf ihren persönlichen Vorteil aus.
Das Bild des rationalen Menschen ist ziemlich simpel. Es spiegelt sich auch in den psychologischen Mechanismen des klassischen und operanten Konditionierens. Eine Erläuterung dazu erhalten Sie in Kapitel 5. Allerdings können viele Dinge, die wir in der Realität erleben, durch Konditionierung nicht erklärt werden:
Warum nimmt Frau Meier den neuen Job nicht an, obwohl ihr doch eine saftige Gehaltserhöhung angeboten wurde?
Warum verzichtet Herr Müller auf eine Beförderung und nimmt stattdessen ein Jahr Elternzeit?
Gefühle, systematische Urteilsverzerrungen und übergeordnete Motive wie Ethik und Altruismus finden in der Sichtweise keinen Platz. Dennoch ist dieses Bild auch heute noch in den Köpfen vieler Gestalter in der Wirtschaft verankert. Es passt besonders gut bei einfachen, immer wiederkehrenden Aufgaben, die keine spezielle Ausbildung erfordern, sowie bei einer hohen Verfügbarkeit von Arbeitskräften.
Bei Aufgaben oder Tätigkeiten, die eine hohe Qualifikation erfordern, sowie bei gut ausgebildeten Mitarbeitern, die einen hohen Anspruch an ihre Tätigkeit stellen und Freiheitsgrade sowie Verantwortung erwarten, ist das Menschenbild hingegen unpassend. Weil einfache und wiederkehrende Aufgaben heutzutage von Maschinen übernommen oder in Niedriglohnländer transferiert werden, nimmt der Wunsch nach anspruchsvollen Tätigkeiten in unserer Gesellschaft immer stärker zu. Und auch in Zeiten, in denen sich Mitarbeiter ihre Unternehmen aussuchen können, ist der rein rationale Ansatz nicht sinnvoll.
Der soziale Mensch
»Der Mensch lebt nicht vom Brot allein« wird schon in der Bibel angeführt. Nicht nur materielle Bedürfnisse bestehen, sondern die Zusammengehörigkeit zu einer Gruppe und der Austausch