Der Bote. Hans-Joachim Rech
Europas als Soldaten auf den Schlachtfeldern. Ebenso hartnäckig hielt sich die Geschichte von der Einschleppung des Virus durch deutsche Agenten in die USA und nach Südeuropa; in letzterem Fall in der Absicht, die Zehntausende spanischer Saisonarbeiter zu infizieren, die von Frankreich angefordert wurden. Diese Auffassung hielt sich trotz besserem Wissen Jahrzehnte, gleichwohl sind sich aber die weltweit renommiertesten Forscher, Wissenschaftler und Ärzte einig, dass die erste Form der „Spanischen Grippe“ in der zuvor erwähnten Ortschaft in den USA auftrat und den dort tätigen Landarzt in einem Maße beunruhigte, dass dieser in Washington D.C. um Verstärkung ersuchte - was aber im Hinblick auf einen „normalen grippalen Effekt“ und die „Einbindung in den Krieg gegen Deutschland„, so die Bürokraten in Washington D.C., für nicht angemessen angesehen wurde. Welch ein fataler, medizinisch-wissenschaftlicher Fehlschluss, der in die katastrophalste Pandemie des 20. Jahrhunderts weltweit führte, welche die moderne Zivilisation bis dahin erlebt hatte. Den Namen „Spanische Grippe“ erhielt diese rasant um sich greifende Pandemie durch die Erkrankung des spanischen Königs Alfons XIII und der damals schon üblichen reißerischen und unzensierten Pressemeldungen besonders aus Spanien. Damit war der Begriff „Spanische Grippe“ manifestiert, der sich bis dato gehalten und Eingang in die allgemein gültige Historie über Seuchen und Pandemien gefunden hat. Immerhin war einem Arzt in einem der zahlreichen Sterbelazarette trotz der aussichtslos hoffnungslosen Lage ein wenig mehr Weitsicht beschieden, und so entnahm der Schüler des Hippokrates den Verstorbenen Gewebeproben ihrer Lunge um sie zu konservieren. Mehr schlecht als recht, denn man kannte nur Formalin und das Paraffinieren, was dem Erbgut nicht sonderlich gut bekam, aber das stellten Forscher erst Jahrzehnte später fest, als sie die archivierten Proben in den Neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts analysierten. Dennoch blieben Teile der DNA erhalten, aus denen sich zumindest eine Anfangsstruktur entwickeln ließ. Zuvor machte ein amerikanischer Student der Pathologie im Verlauf von Forschungsarbeiten 1951 seinen Kollegen 1996 in Sachen „Spanische Grippe“ den Vorschlag, in den Gräbern der Verstorbenen, die sich noch immer im ewigen Permafrostboden befanden, Exhumierungen durchzuführen, um so an die begehrten verwendbaren Gewebeproben zu kommen. Dieser Vorschlag wurde begeistert aufgenommen, da es sich bei diesem Mediziner a.D. kurioser Weise um jenen jungen Mann handelte, der den Verstorbenen der zwanziger Jahre während seiner pathologischen Studienzeit 1951 Bestandteile ihrer Lunge entnahm und konservierte. Die Veranstaltung verlief organisatorisch zufriedenstellend, aber die Entnahme und der Transport des kontaminierten Gewebes in die Labors der Kernstaaten der USA ließen an der Professionalität der Beteiligten ernste Zweifel aufkommen, zusätzlich genährt zu der in den USA bereits grassierenden „Anti - Kommunistischen -Epidemie“ ,die in jeder akademischen Aktion außerhalb der Bundeshauptstadt eine kommunistische Verschwörung sah. In den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts war es dann erneut soweit - eine in der Tat exquisite Mannschaft aus Forschern, Wissenschaftlern, Medizinern, Geologen und Archäologen machte sich auf nach Alaska in jenen kleinen Ort, wo im Permafrostboden die Opfer jener verheerenden Pandemie weiterhin still und friedlich ruhten, wenn auch die vergangenen Eingriffe an verschiedenen Gräbern nicht zu übersehen waren. 1996 ließ es sich jener Medizinstudent von damals nun als rüstiger Rentner nicht nehmen, selbst als Mitglied an dieser Expedition teilzunehmen, um den Leichen jene berühmt berüchtigten Gewebeproben aus der Lunge zu entnehmen (welche Vorstellungen oder Gedanken mögen den Mediziner zu dieser Handlung angeleitet haben). Konserviert und tiefgekühlt, als würden sie nur darauf warten ihr tödliches Geheimnis um jenes Virus endgültig preiszugeben, dem die medizinische Wissenschaft und Forschung seit Jahrzehnten hinterher jagte. Das Forschungsteam musste zunächst den durchfrorenen Boden wie ehedem durch intensive Beheizung auftauen, um die Körper der Leichname ihren Tiefkühlkammern zu entnehmen. Dabei stellten sie zu ihrer großen Überraschung fest, dass sich die Leichen in einem ausgezeichneten Zustand befanden in der Art, als wären sie erst vor kurzem bestattet worden. Selbst das Totenhemd eines Knaben in kräftigem Karminrot wies keinerlei Spuren irgendwelcher Vergänglichkeit auf, ganz zu Schweigen vom Zustand der körperlichen Verwesung, die praktisch gegen Null ging. Jetzt hieß es rasch, konzentriert und effizient zu arbeiten, um das noch sezierfrische Lungengewebe optimal zu erhalten und entsprechend für den Transport zu konservieren. Hier leistete die Vakuumtechnik hervorragende Dienste, denn sie sorgte dafür, dass der Befall des Gewebes mit Fremdpartikeln, welche die Proben Verunreinigen könnten, auf Null gehalten wurde. Nachdem die Mannschaften ihre gefährliche Arbeit abgeschlossen und die Sezierten in ihre eisigen Totenkammern zurück gelegt hatten, ließ der Leiter der Expedition, ein gewisser Yoshua Rosenstrauch (Name geändert), ein schlichtes Kiefernkreuz errichten, das von den Geologen, Medizinern und Pathologen mittig zwischen die nun wieder geschlossenen Gräber eingegraben wurde.
„Im ewigen Gedenken an die hier von Menschen gebrachten Opfer - und in Dankbarkeit für das einzigartige Geschenk an die Forschung, Medizin und Wissenschaft, das wir heute entgegennehmen durften.“
Yoshua Rosenstrauch beendete seine kurze Ansprache und legte eine blaue Lilie auf das Grab jenes Kindes mit dem friedlichen Gesichtsausdruck in seinem Karminroten Totenhemd, welches nun der Ewigkeit einer endlos währenden Zeit in seiner eisigen Gruft entgegen schlief. Die Mitglieder des gesamten Teams legten gleichfalls ihre Blumen als letzten Gruß auf die Gräber jener Grippetoten, die als Pandemie unter dem Namen „Spanische Grippe“ den Planeten Erde wie ein Hurrikan der Stufe fünf überrollte, und von keinem der Männer und keiner der Frauen in diesem Team war zu jenem Zeitpunkt bewusst, dass sie mit ihrer Arbeit hier im Totenhaus Alaskas den Grundstein für eine der mörderischsten Pandemien legten, die in weniger als einem Jahrzehnt den Planeten Erde in den Beginn der Apokalypse stürzen sollte. Voller Stolz trat das Team den Rückweg an, in ihrem Gepäck die Gewebeproben einiger Verstorbener, darunter von üppigen Frauen, deren Fett- und Speckschicht nicht nur ihren Oberkörper wie einen schützenden Isolierpanzer einhüllte, sondern auch der Verwertbarkeit der entnommenen Gewebeproben sehr zuträglich war. Was sie bis dahin nicht wussten war die Tatsache, dass sie den gefährlichsten und tödlichsten Erreger - den größten Feind menschlichen Lebens auf dieser Welt - aus seinem ewigen Eisgefängnis befreiten, und ihn in ihrer Unwissenheit wie freudig erregte Kinder über ein neues Spielzeug wie eine Trophäe zurück in die Labore und Forschungseinrichtungen der Staaten trugen - das Virus der „Spanischen Grippe“ - der tödlichste aller Erreger, kehrte zurück in die menschliche Gesellschaft - das Influenza-A-Virus H1N1 war neu geboren und endlich - nach fast 100 Jahren identifiziert. Es war gefährlicher und tödlicher als alle bekannten Epidemieviren zusammen. Um eine größtmögliche Kontrolle über das Vorhandensein der Stämme in Reinkultur zum einen und deren Verbleib in den wenigen Laboren zum anderen zu haben, sind die Anforderungen an die Labore und im Besonderen an das Personal im Segment Defcon eins Plus der Stufe vier angesetzt, einer Kontroll- und Sicherheitsstufe, die nicht einmal Gott den Zutritt ermöglicht, so die selbstherrliche Einschätzung der Laborbetreiber, die sich über jeden Zweifel an ihrer Unfehlbarkeit erhaben fühlten. Wie heißt es doch im Sprichwort: Zuweilen tritt das Schicksal in der Maske der Dummheit auf. Dass es dieses Virus überhaupt wieder gibt, ist eine wissenschaftliche Sensation - akademische Weißkittel verkaufen praktisch alle Entdeckungen - und seien sie noch so beängstigend, schrecklich und/oder selbstmörderisch als Sensation. Dort, wo sich die Gefährlichkeit einer Entdeckung zum möglichen Nutzen des eigenen Überlebens schon theoretisch anwenden lässt, da ist die Erwägung um die Entwicklung einer Bio-chemischen Substanz als Erstschlagwaffe nur logisch, denn vom Beginn der Entwicklung eines Impfstoffes gegen einen erkannten Virus (Analyse des selbigen) bis zur anerkannten (wissenschaftlich erprobten Impfstoffes an Tieren und Menschen) Zulassung durch die staatlichen Organe (Gesundheitsbehörden, Ministerien) vergingen im Schnitt 10 bis 15 Jahre; die rasant fortschreitende medizinisch-wissenschaftliche Forschung in der Endphase des 20. Jahrhunderts und digitalen Revolution des beginnenden 21. Jahrhunderts öffneten den Möglichkeiten der Forschung, Medizin und Wissenschaft Türen und Tore, an die bislang niemand zu denken wagte. Sie verschlangen Milliarden und Abermilliarden an Dollar und Euro, und die wollte kein Unternehmen oder Konsortium auf die theoretische Möglichkeit einer neuen, gefährlicheren Epidemie als der ersten SARS Epidemie aus den Jahren 2002/2003 verwetten, und so vertrödelten die fachlich und personell fähigen Konzerne die weitere Erforschung dieser erstmals im 21.Jahrhundert auftretenden unbekannten Influenza mit Namen SARS, die aus Fernost in der südchinesischen Provinz Guangdong erstmalig auftrat. Bis 2004 kam es zu Hunderten Infektionen mit zahlreichen Todesfällen, die aber durch Anwendung diverser Medikamentengaben - auch in