Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik. Группа авторов

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stellt sich die Frage, wie viel TransparenzTransparenz aus ethischen Gründen nötig und aus forschungsmethodischen Anforderungen möglich ist, ohne das Vorhaben selbst zu gefährden. Wenn Forschungspartnern und -partnerinnen aus Gründen des Forschungsdesigns bestimmte Informationen vorenthalten oder sie getäuscht werden, ist von Seiten der Forschenden explizit zu reflektieren, ob dies für das Design tatsächlich unabdingbar ist und ob den Teilnehmenden dadurch in psychologischer Hinsicht Schaden wie beispielsweise Stress oder Unbehaglichkeit entsteht. In der Debriefing-Phase einer solchen Studie sollten die Verantwortlichen dann gewissenhaft dafür Sorge tragen, dass die Teilnehmenden über die Täuschung und die Gründe für die Täuschung aufgeklärt werden (dehoaxingdehoaxing) und dass sie jegliche durch die Studie verursachte unangenehme Gefühle abbauen können (desensitizingdesensitizing), beispielsweise indem man unerwünschtes Verhalten oder unangenehme Gefühle auf eine Situationsvariable statt auf die Person zurückführt oder indem man verdeutlicht, dass das Verhalten oder die Gefühle so erwartbar waren (Johnson/Christensen 2008: 116–117).

      Besondere Aufmerksamkeit verlangt schließlich die Phase des Projekts, wenn der Forscher/die Forscherin das Feld wieder verlässt und damit die Beziehung beendet. Dieser FeldrückzugFeldrückzug muss bewusst als Beendigung einer Beziehung gestaltet und den Teilnehmenden erklärt werden. Rallis/Rossman (2009: 278) erörtern in diesem Zusammenhang das Bild des Verführens und Sitzenlassens: „The image is that you seduce the participants into disclosing their worldviews, then abandon them when you have gotten what you wanted – data“. Auch gehen viele Forschende davon aus, dass den Beteiligten unbedingt die Ergebnisse der Forschung bekannt zu machen seien. Andere wiederum erkennen darin die Gefahr eines „Verletzungsrisiko[s]“ (Miethe 2013: 933); so reflektiert beispielsweise Viebrock (2007) an einem Beispiel aus der Fremdsprachendidaktik, inwieweit ihr Versuch der kommunikativen Validierung schmerzhaft für die betroffene Forschungspartnerin war.

      Da der Forscher/die Forscherin mit dem Eintritt in das Feld und mit dem Aufnehmen und Unterhalten der Beziehungen, dies gilt in besonderem Maße bei qualitativen Studien, durch seine/ihre Präsenz nolens volens den Forschungsprozess mit prägt und damit das Forschungsvorhaben selbst verändert, wobei Forschungsfragen neu justiert, konkretisiert und oftmals modifiziert werden (Holliday 2016), erwächst eine besondere Verantwortung gegenüber der scientific community, diesen Forschungsprozess, die Rolle des Forscher/der Forscherin und die Dynamik der Beziehungen transparent zu machen (Freeman 2009).

      4.6.3 Freiwilligkeit der TeilnahmeFreiwilligkeit der Teilnahme

      Ein zentrales datenschutzDatenschutzrechtliches und damit gesetzliches Erfordernis empirischer Untersuchungen ist, dass Forschungspartner und -partnerinnen freiwillig an einer Studie teilnehmen. Forschende müssen deshalb ihre Forschungspartner und -partnerinnen vor einer Untersuchung über das geplante Vorgehen detailliert informieren und sich deren Teilnahmebereitschaft schriftlich bestätigen lassen. Dies betrifft insbesondere Ziele, Zeitdauer, Procedere, mögliche Nach- und Vorteile für die Forschungspartner und -partnerinnen, Maßnahmen zur Einhaltung gesetzlicher Datenschutzbestimmungen sowie Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen bei rechtlichen und inhaltlichen Fragen (vgl. dazu genauer Mackey/Gass 2005; Johnson/Christensen 2008). Den Forschungspartnern und -partnerinnen ist ausreichend Gelegenheit zu geben, dazu Fragen zu stellen bzw. zu klären.

      Essentiell ist dabei, dass die Forschungspartner und -partnerinnen keinerlei Nachteile bei Nicht-Teilnahme befürchten und dass sie keinerlei Bedrängnis zur Teilnahme verspüren, wie dies beispielsweise der Fall wäre, wenn Forschungspartner und -partnerinnen dem Fortschritt der Wissenschaft nicht im Weg stehen wollen und sich deshalb der Autorität des Forschers/der Forscherin unterordnen, wenn Vorgesetzte ausdrücklich die Teilnahme ihrer Lehrer*innenschaft wünschen, wenn Lehrpersonen ihre Schülerschaft um EinwilligungEinwilligung bitten oder wenn Eltern bei Nicht-Teilnahme ihrer Kinder Nachteile für diese in der Schule befürchten. Forscher und Forscherinnen stehen in der Verantwortung, proaktiv Maßnahmen gegen derartigen sanften oder unbeabsichtigten Druck zu ergreifen.

      Die informierte EinwilligungserklärungEinwilligungserklärung sollte grundsätzlich auch auf die Tatsache aufmerksam machen, dass die Teilnahme an der Studie jederzeit (während und auch nach der Datenerhebung) ohne weitere Erklärung zurückgezogen werden kann; zu diesem Zweck sollte der Forscher/die Forscherin die entsprechenden Kontaktinformationen bereitstellen. Darüber hinaus müssen die Forschungspartner und -partnerinnen über die weitere Verwendung der Daten informiert werden. Dazu gehört, dass sie vor ihrer informierten Einwilligungserklärung erfahren, wie lange die Daten verwahrt werden, wer Zugang zu den Daten hat und in welcher Form die Daten in Publikationen oder Vorträgen präsentiert werden.

      Darüber hinaus sind ethische Prinzipien auch dann zu bedenken und in den entsprechenden Publikationen zu thematisieren, wenn Zweifel bestehen, inwieweit die Forschungspartner und -partnerinnen in der Lage sind, die Einwilligungserklärung zu verstehen. Dies ist in der Fremdsprachenforschung in sprachlicher Hinsicht insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Migranten und Migrantinnen von Bedeutung, denen die Einwilligungserklärungen bei entsprechenden Zweifeln in ihrer Erstsprache vorgelegt oder mündlich in der Erstsprache erläutert werden sollten. Doch auch konzeptuelle Verständnisschwierigkeiten schutzbedürftiger Gruppen wie beispielsweise schriftunkundiger Zweitsprachlernender, Kinder, dementer oder kognitiv beeinträchtiger Personen sind ggf. zu reflektieren und angemessen zu berücksichtigen. Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sind darüber hinaus ebenfalls die Eltern um ihre Einverständniserklärung zu bitten; bei Untersuchungen in Schulen ist beim entsprechenden Kultusministerium eine Genehmigung zu erwirken, was in der Regel einen längeren zeitlichen Vorlauf von mehreren Monaten erfordert.

      Noch virulenter sind solche ethischen Problemlagen häufig bei InternetforschungInternetforschungen, bei denen schwerer zu beurteilen ist, ob die Forschungspartner und -partnerinnen die Informationen zum Forschungsvorhaben tatsächlich verstanden haben und ob sie in der Lage oder alt genug sind, ihre Einwilligung zu erklären. In solchen Fällen gewinnen nach Eynon/Fry/Schroeder (2008) Bemühungen um eine verständliche Sprache und ggf. auch online-Verständnistests besondere Bedeutung. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch, dass Beobachtungsstudien in virtuellen Welten wie Second Life oder bei der Teilnahme an Chatgroups mit derselben ethischen Reflexion wie auch in der realen Welt anzugehen sind (ebd.); auch für das Debriefing ist bei Internetforschung besondere Sorge zu tragen (Johnson/Christensen 2008: 126).

      4.6.4 VertraulichkeitVertraulichkeit der Daten

      Ebenfalls gesetzlich geregelt ist in den meisten (Bundes-)Ländern, welche Anforderungen an die Vertraulichkeit der Daten zu stellen sind. Eine wichtige Unterscheidung ist in diesem Zusammenhang zwischen AnonymisierungAnonymisierung und PseudonymisierungPseudonymisierung zu treffen. Anonymeanonym Daten liegen dann vor, wenn dem Untersuchungsteam die Zuordnung von Daten zu Namen unmöglich ist (bspw. beim Einsatz nummerierter Fragebögen ohne Erhebung von Namen). Pseudonymisierung bedeutet hingegen, dass dem datenerhebenden Forscher/der Forscherin die Namen der Forschungspartner und -partnerinnen bekannt sind, diese aber bei der Aufbereitung der Daten durch PseudonymePseudonym ersetzt werden, sodass weder bei der Bearbeitung der Daten noch bei der Präsentation der Ergebnisse die Identität der Forschungspartner und -partnerinnen bekannt wird.1

      Die Referenzarbeit von Ehrenreich (2004: 457) illustriert den Einbezug der Forschungspartnerinnen in die Pseudonymisierung der Transkripte. Die Autorin gibt den interviewten Fremdsprachenassistentinnen neben der Korrektur inhaltlicher Fehler auch die Möglichkeit, über die von der Autorin vorgenommene Pseudonymisierung2 hinaus auch bestimmte Wörter zu neutralisieren oder zu streichen. Fürsorglich weist sie im Sinne eines Schutzes der Forschungspartnerinnen auch darauf hin, dass niemand aufgrund der für die Mündlichkeit charakteristischen Satzbrüche und anderer Phänomene der Mündlichkeit an der eigenen Ausdrucksfähigkeit zweifeln solle.

      Pseudonymisierung stellt insbesondere bei der Arbeit mit Bild- und Videomaterial eine Herausforderung dar, da arbeitsaufwändige Verpixelungen oder Balken über Gesichtern die Identitäten von Forschungspartnern und -partnerinnen unter Umständen nicht hinreichend verdecken, möglicherweise aber sogar die Datenauswertung behindern. So ist es bei EinwilligungserklärungenEinwilligungserklärung


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