Das Arrangement. Justin C. Skylark

Das Arrangement - Justin C. Skylark


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der Tanzfläche standen zwei Podeste mit Polestangen und einem Metallkäfig, in dem ein Erwachsener mühelos Platz finden konnte. Die kleinen Bühnen wurden vom bunten Laserlicht angestrahlt. Rings um das Parkett gab es Sitzgelegenheiten, einige auch nah am Geschehen.

      Was ich suchte, fand ich nicht.

      „Wo ist Robert?“, warf ich in Piets Richtung. Mein Drink stand inzwischen vor mir und ich nahm einen kräftigen Schluck. Musste ich ja nicht bezahlen. Vielleicht sollte ich extra viel trinken – auf Roberts Kosten.

      „Der?“ Ich bemerkte das Zögern in Piets Gesichtsausdruck. Er wusste genau, wo sich mein Angetrauter herumtrieb, doch er haderte mit sich, mir das zu sagen. „Ich glaube, der ist im Büro.“

      Aha. Ich trank mein Glas aus, deutete mit dem Zeigefinger darauf. Das Signal reichte aus. Piet füllte nach. Sein Blick wirkte verunsichert, seine Bewegungen fahrig. Befürchtete er, dass es an diesem Abend zu einem Eklat kommen würde? Angedeutet hatte es sich ja schon seit einiger Zeit. Sicher sprach man hier im Club hinter unserem Rücken.

      Über Robert und mich. Über den stinkreichen Inhaber und seinen jüngeren Mann, der so arrogant war, den Laden zu meiden, der es immer noch für nötig hielt, als Physiotherapeut zu arbeiten, anstatt sich aushalten zu lassen. Ja, so war ich: Nielo Becker. Sogar den Nachnamen hatte ich nach der Eheschließung behalten.

      Um nichts in der Welt wollte ich Saxen heißen, denn Roberts Familienname war der Inbegriff von dem, worüber man in der Stadt nur hinter vorgehaltener Hand sprach.

      Die Musik im Club wurde lauter. Auf der Tanzfläche sammelten sich die Gäste. Sie waren in muntere Gespräche vertieft. Einige hantierten mit ihren Handys herum, sicher mit der Absicht, bei der folgenden Darbietung Fotos und Videos zu machen. Mit deren Hilfe konnten sie sich zu Hause einen runterholen. Absolut ekelerregend.

      Ich leerte das zweite Glas. Die Drinks beruhigten mich etwas. Sie halfen mir, runterzufahren. Trotzdem waren meine Finger flatterig. Ich schloss und öffnete sie, ballte eine Hand und spürte die Muskeln des Oberarms, wie sie sich spannten und dehnten, als warteten sie nur auf ein Zeichen.

      Ja, vielleicht sollte ich an diesem Abend endlich ein Zeichen setzen. Mit der Faust. Ohne Worte. Direkt in sein feines Gesicht. François.

      Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie sich der Vorhang neben der Bar bewegte. Dahinter befand sich der Flur zu den privaten Räumen – und zum Büro. Ich sah Robert in seiner ganzen Pracht. Mit einer Größe von 1,90 Meter überragte er die meisten. In den letzten Jahren hatte er an Gewicht verloren, was ich seinem stressigen Alltag zuschrieb.

      Obwohl er Besitzer des Clubs war, trieb er sich dort ständig herum. Irgendetwas gab es immer zu klären und ich wusste, dass er es liebte: Das Ambiente, leicht bekleidete Jungs, sexhungrige Typen, die eine Menge Geld einbrachten. Es gab ausreichend Security; am Eingang, am Ausgang, in jeglichem Winkel. Robert ließ es sich jedoch nicht nehmen, jeden Abend selbst nach dem Rechten zu sehen.

      Er trug wie so oft schwarze Jeans, ein graues T-Shirt dazu und eine dünne Lederjacke. Kennen Sie Jeffrey Dean Morgan? Piet hatte mir mal anvertraut, dass man Robert im Club hinter seinem Rücken Negan nannte. Nicht nur, weil er so schlaksig war, keinen sichtbaren Arsch in der Hose hatte, sondern weil sein grau meliertes Haar und der Dreitagebart etwas Magisches in sein Gesicht zauberten. Etwas Charmantes und Angsteinflößendes zugleich. Scheiße, ich stand auf ihn wie am ersten Tag. Das war das eigentliche Problem an der Sache. Und François …

      Ja, Robert trat tatsächlich aus dem gesonderten Bereich, als hätte er etwas Wichtiges im Büro zu erledigen gehabt. Aber ich kannte ihn und ebenso erkannte ich die lose Haarsträhne, die ihm abstrus ins Gesicht fiel, was eine körperliche Anstrengung offenbarte.

      Selbstverständlich war er nicht allein. François tippelte neben ihm her, den Blick auf die Tanzfläche gerichtet. Mit geschminkten Augen und roter Fliege um den Hals symbolisierte er, gleich Teil der Show zu sein. Mit knappen, engen Pants bekleidet visierte er das erste Podest an.

      Überdies sah ich, wie Robert sich von ihm verabschiedete: mit einem leichten Klaps auf sein festes Gesäß.

      Mir blieb die Luft weg, obgleich sich mir all das bot, was ich vermutet hatte.

      Ehe ich einen neuen Drink orderte, blickte Robert in meine Richtung. Kurz hielt er inne, doch er sah nicht erschrocken aus, eher besorgt. Mit großen Schritten kam er auf mich zu.

      „Nielo? Was ist los? Ist etwas passiert?“

      Eine berechtigte Frage. Als ich das letzte Mal unangekündigt in den Club gekommen war, hatte ein Besoffener unsere Katze über den Haufen gefahren. Fix und fertig war ich Robert damals um den Hals gefallen. Es war eine lange, eine frustrierte, aber auch sinnliche Nacht geworden. Er gab mir alles, was ich brauchte und in beschissenen Momenten benötigte.

      Doch inzwischen besaßen wir kein Haustier mehr und mein Besuch hatte einen anderen Grund; und zwar das bildhübsche Flittchen, das in den Käfig stieg, sich obszön zur Musik bewegte und die Männer in der ersten Reihe fast zum Weinen brachte.

      Ich sah es mir nur einen Moment an und verzog meine Lippen zu einem spöttischen Grinsen.

      „Bei mir ist nichts passiert, aber du scheinst vergessen zu haben, wo dich deine Beine nach Feierabend hinzuführen haben.“

      Er stand vor mir und sagte zuerst nichts. In dreister Weise tat er nachfolgend ahnungslos. „Was meinst du denn?“

      Das Lachen verging mir. Ich beugte mich vor und zischte ihn an. „Was ist so wichtig, dass du mich die dritte Nacht am Stück allein lässt?“

      Er trat von einem Bein auf das andere und strich sich über den kurz geschorenen Nacken. „Es ist Monatsende. Die Abrechnung, das weißt du doch …“

      „Und François hilft dir neuerdings dabei?“

      „Was?“

      Mit einem Kopfnicken zeigte ich zum Käfig, aber ich sah nicht hin. Ich wollte nicht sehen, wie François seinen makellosen Körper zur Schau stellte, wie die fremden Männer sich die Lippen nach ihm leckten und ihm die Geldscheine hinter die Hotpants schoben.

      „Wusste gar nicht, dass er auch Buchhaltung kennt. Dachte immer, er kann nur die Beine breitmachen!“ Ich wurde laut. So laut, dass Piet besorgt in unsere Richtung blickte.

      Robert fasste mich sanft am Arm. „Wir gehen besser ins Büro.“

      „Gut.“ Mürrisch stieß ich mich vom Tresen ab, entkam somit seinem Griff und marschierte voraus.

      Es ging durch den Vorhang und den Flur; von dort in den hintersten Raum, wo sich das Büro befand.

      Die Luft war stickig. Vielleicht bildete ich es mir auch ein, denn die Angelegenheit schnürte mir die Kehle zu.

      Kaum hatte Robert die Tür hinter uns geschlossen, nahm ich meinen Schlüsselbund aus der Jackentasche. Mit nervösen Fingern zog ich den Haustürschlüssel ab und knallte ihn auf den Schreibtisch.

      „Was soll das?“, fragte er.

      „Ich ziehe aus“, erwiderte ich schnippisch, als wäre es eine logische Konsequenz, die ich aus den Umständen zog. „Hab das Nötigste gepackt, den Rest hole ich später.“

      Robert schüttelte den Kopf und lächelte irritiert. „Das kannst du nicht machen. Wir sind verheiratet.“

      „Das scheinst du vergessen zu haben“, konterte ich.

      Er atmete schwer und strich sich über den Dreitagebart. Grau war er geworden. Aber ihm stand das. Ohnehin machte ihn das Alter nicht weniger attraktiv.

      „Wir haben damals geschworen, uns Freiräume zu lassen“, meinte er.

      Ich nickte, denn daran konnte ich mich gut erinnern.

      „Freiräume, ja …“, sinnierte ich. „Mal ein Date zwischendurch, ein Flirt, keine große Sache … aber du …“ Ich presste die Lippen aufeinander. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken, was er hinter meinem Rücken anstellte. Mein Blick fiel auf den Schlüssel, der auf einem


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