Das Arrangement. Justin C. Skylark
räume dir einen Tag in der Woche ein, an dem du etwas mit François unternehmen kannst. Du gehst in den Club, um deine Arbeit zu machen, und nicht, um mit ihm rumzuvögeln. Abgesehen davon will ich ihn nicht sehen. Er kann in der Wohnung wohnen, damit du es nicht weit zu ihm hast, aber er hat sich von unseren Räumen fernzuhalten. Wenn du freitags zu ihm gehst, werde ich mich ins Dachgeschoss zurückziehen.“
„Aber wieso das?“, fragte er perplex.
„Das Haus wird aufgeteilt. Oben ist mein Bereich, in der Mitte wohnen wir beide und unten François.“
Er schüttelte den Kopf. „Verstehe ich nicht, du hast doch alles.“
Ich atmete tief durch und stemmte die Hände auf die Hüften. „Du hast den Bogen überspannt, Robert“, verdeutlichte ich. „Und ich gebe dir hiermit eine letzte Chance. Jeder hat Rechte und Pflichten, an die er sich halten wird. Wenn François eine Bleibe bei uns findet, beanspruche ich ebenso einen Rückzugsort für mich. Sieh es als eine eingebaute Notbremse an, falls ich eine Auszeit benötige.“
„Na gut.“ Er lächelte verhalten. Ich konnte ihm ansehen, dass er mit der Regelung nicht glücklich war, aber ihm blieb keine andere Wahl. Selbstverständlich räumte ich mir meinen eigenen Wohnbereich unter dem Dach nicht nur ein, um mit François auf einer Ebene zu stehen, sondern auch, weil ich sichergehen wollte, dass ich nichts davon mitbekam, wenn die beiden sich trafen. Ja, so stellte ich mir das vor. Ich würde mich an den Freitagabenden in mein kleines Reich zurückziehen und mich mit allen möglichen Dingen ablenken, aber gewiss nicht an ihn denken. François …
Es war ein raffinierter Plan, ein perfektes Arrangement, so dachte ich.
Aber wie so oft im Leben machte einem das Schicksal einen Strich durch die Rechnung … Und so geschah es auch bei uns …
*
In den ersten Monaten lief alles nach selbst auferlegter Vorschrift.
Zuerst wurde der Dachboden nach meinen Vorstellungen umgestaltet. Dabei ließ ich Robert richtig bluten. Bei der Auswahl der Baumaterialien sowie der Inneneinrichtung gab ich mich nicht mit Standards zufrieden. Meine eigenen zwei Zimmer mit Bad kosteten eine Menge. Selbstverständlich musste Robert dafür aufkommen und er versuchte erst gar nicht, gegenzusteuern, sondern zahlte die Rechnungen.
Es wurde ein großes Oberlicht zwischen die Dachgiebel eingebaut, durch die ich vor dem Schlafengehen den Sternenhimmel betrachten konnte. Ich orderte ein Boxspringbett, einen Massagesessel und natürlich einen Schreibtisch mit ergonomischer Sitzgelegenheit. Es wurden Kabel und Rohre verlegt, damit ich unter dem Dach eine kleine Kochnische bekam und im Bad installierte man eine Wellnesswanne mit integrierten LEDs und Massagedüsen. Abgerundet wurde das Ganze mit einer Wildledercouch, einem Kamin und Schränken aus Mahagoni.
Es war fast zu schade, die Räumlichkeiten nur ein Mal in der Woche zu nutzen, aber wenn schon, denn schon, sagte ich mir. Wenn Robert meinte, sich weiterhin mit François treffen zu müssen, sollte es mir in der besagten Zeit zumindest an nichts fehlen.
Für die Einliegerwohnung galten andere Bestimmungen. Dort hatte Robert nichts zu erneuern. Um etwaige Renovierungsarbeiten und Neuanschaffungen musste sich François selbst kümmern.
Mögliche Unkosten hatte er aus eigener Tasche zu zahlen.
An einigen Nachmittagen wurde es richtig laut in den unteren Räumen.
Ich sah Robert an, dass es ihn wurmte, nicht helfen zu dürfen, aber er sagte nichts.
Derweilen grübelte ich darüber, ob der Schönling es tatsächlich selbst war, der in der Wohnung werkelte oder ob er Handwerker geordert hatte. Eins musste ich ihm lassen: Seinen Einzug bemerkte ich nicht. Er nutzte den Nebeneingang und auch sonst sah ich niemanden, der den Weg zu ihm suchte; nicht einmal den Möbeltransporter bekam ich mit. Vermutlich, weil ich tagsüber in der Praxis war.
In den Stunden, in denen François seiner Freizeit nachging, war ich dabei, Kunden zu massieren, sie in Bäder oder Packungen zu legen. Wenn ich Feierabend machte, befand sich François schon im Aufbruch. Kam ich nach Hause, ging er in den Club.
Wenn er sich frühmorgens nach einer langen Nacht ins Bett legte, klingelte bei mir der Wecker.
Wir lebten quasi im selben Gebäude nebeneinander her, doch sahen und trafen wir uns nicht.
Vielleicht mag es grotesk erscheinen, dass ich den Liebhaber meines Mannes so nah bei uns wohnen ließ, doch genau das war der springende Punkt.
Ich hatte sie unter Kontrolle – und das wussten sie. Ausnahmen oder Patzer waren indiskutabel. Die tolerierte ich nicht.
Ich war sozusagen das Bindeglied unserer Abmachung, der Schiedsrichter, der die Fäden in den Händen hielt.
Robert war so schlau, sich dem zu beugen, und François kuschte – denn aus seiner Reihe hörte ich keine Worte des Protestes. Zumindest kamen sie mir nicht zu Ohren.
Kurz gesagt: Das Miteinander lief bestens. Ich bildete mir ein, dass es für unsere ungewöhnliche Dreierkonstellation keine brillantere Lösung gab.
*
An einem dieser besagten Freitagabende lag ich entspannt in der Wellness-Wanne und telefonierte mit meiner Schwester. Das tat ich zu selten und obwohl sie in der Nähe wohnte, trafen wir uns meist nur an Feiertagen. Sie war also nicht auf dem neusten Stand und ich berichtete ihr von den aktuellen Ereignissen.
„Wir haben den Dachboden für mich ausgebaut“, schilderte ich. „Robert hat keine Kosten gescheut. Es ist brillant geworden. Momentan genieße ich den Whirlpool.“
„Wow“, erwiderte sie. „Das klingt gut, aber wieso bist du schon wieder allein am Abend? Und wieso benötigst du Raum für dich? Habt ihr Probleme?“
Es war zu erwarten gewesen, dass sie nachfragte. Innerlich hatte ich mich auch darauf eingestellt. Sie wusste nicht, was sich in den letzten Wochen entwickelt hatte. Vielleicht hatte ich das Gespräch bewusst auf das Thema gelenkt, damit ich mir endlich von der Seele reden konnte, was mir auf dem Herzen lag.
„Robert hat viel zu tun“, sagte ich und das war nicht einmal gelogen. „Aber wir haben jetzt eine Abmachung, die vorsieht, dass er sich zumindest in der Woche nicht die Nächte im Club um die Ohren schlägt.“
„Und am Wochenende?“, hakte sie nach.
Ich nahm einen Schluck aus dem Champagnerglas. „Sonntags sieht er mal nach dem Rechten, aber ansonsten ist er zu Hause.“
„Aber heute wohl nicht …“ Sie hatte es richtig erkannt. Da ich zuerst schwieg, fragte sie weiter. „Hat er denn noch immer dieses Faible für den jungen Tänzer. Wie hieß er noch?“
„François.“ Ich half ihr auf die Sprünge, dabei widerstrebte es mir, diesen Namen auch nur auszusprechen. „Ja, er schwärmt noch für ihn. Das wird er wohl nicht ablegen.“
Sie seufzte. „Ach, Nielo, ich habe es immer gesagt: Typen, die im Rotlichtmilieu arbeiten, sind schwierig.“
Ich gab ihr kein Kontra, denn es stimmte. Ob sie sich nun auf Robert bezog oder François, es war egal. Es würde wohl auch in Zukunft stets etwas außergewöhnlich laufen …
Später lag ich im Bett und betrachtete den Sternenhimmel genau so, wie ich es mir gewünscht hatte. Bad und Schampus hatten mich zufriedengestellt, aber mein Körper geriet augenblicklich unter Spannung, kaum hörte ich den lauten BMW-Sportwagen in die Einfahrt und die Garage fahren.
Roberts Auto verriet mir immer, wenn er nach Hause kam – auch an diesem Abend.
Erneut haderte ich mit mir und wurde nicht zum ersten Mal schwach. Ich kroch aus dem Bett, öffnete die Tür und horchte in den Flur. Die Wohnungstür wurde aufgeschlossen, das hörte ich sogar im Dachgeschoss. Und da war er wieder, der winzig kleine Moment, in dem ich hoffte, dass Robert die Treppe nach oben nehmen würde – zu mir, seinem Ehemann, der sich unter dem Dach verschanzt hatte wie ein Igel im Winterschlaf.
Aber auch