Das Arrangement. Justin C. Skylark
Danach wurde es wieder still und ich schlich zurück ins Bett.
Einzig und allein tröstend war die Gegebenheit, dass sie sich an unsere Abmachung hielten.
François nutzte den Hintereingang und Robert bot den Nachbarn keine Angriffsfläche.
Niemand schien zu ahnen, was sich im Inneren des Hauses tatsächlich abspielte.
Am nächsten Morgen spürte ich eine kleine Erleichterung darüber, dass die Nacht vorbei war. Das Wochenende lag vor mir. Zwei Tage, die ich mit Robert hatte; danach die Woche, in der ich ebenfalls nichts von ihm hören würde. François.
Ich taperte ins Erdgeschoss und bereitete das Frühstück vor. Lediglich in einen Morgenmantel gekleidet deckte ich den Tisch und zündete sogar eine Kerze an.
Nebenbei machte ich mir Gedanken über das Wochenende, darüber, was ich mit Robert unternehmen könnte, ohne dass es ihn zu sehr schlauchte. Wir gingen beide einem anstrengenden Job nach. Das Ende der Woche war da, um sich zu erholen.
Pünktlich um 9 Uhr hörte ich die Tür der Einliegerwohnung gehen. Mit langsamen Schritten kam Robert die Stufen hinauf. Sein Hemd steckte akkurat in der grauen Hose, doch die obersten Knöpfe waren offen. Sein Sakko trug er unter einem Arm.
Er sah müde aus, übernächtigt. Sicher lag es nicht an dem langen Abend im Club, sondern daran, dass er die letzten Stunden mit einem Typen verbracht hatte, der mehr oder minder halb so alt war wie er.
Ich mochte mir nicht vorstellen, wie sie es miteinander getrieben hatten. Kaum dachte ich mir mögliche Szenarien dazu, blendete ich sie aus.
„Hallo mein Schatz“, sagte er mit einem gütigen Lächeln auf den Lippen. Den Blick auf den Frühstückstisch gerichtet, schlich er näher. Er unterließ es, mich zu küssen oder zu umarmen. Das rechnete ich ihm hoch an.
Schon von Weitem roch ich die Ausdünstungen seines Körpers, die Folgen der Nacht, den Geruch nach Zigarettenrauch und Alkohol, den er eigentlich immer aus dem Club mitbrachte. Vermutlich roch er auch nach ihm, aber daran wollte ich erst recht nicht denken. Er deutete zur Treppe in Richtung Badezimmer. „Bin kurz duschen, dann bin ich bei dir.“
„Okay“, erwiderte ich knapp. Ja, wasch die Nacht weg, dachte ich still bei mir. Ich will gar nicht wissen, was du erlebt hast.
Geduscht und umgezogen saß er schließlich mit mir am Frühstückstisch. Der gemeinsame Start ins Wochenende war mir immer wichtig.
„Was hältst du von einer Shoppingtour in der Stadt mit anschließendem Mittag im Savoy? Und heute Abend machen wir es uns gemütlich, okay?“
„Das klingt super.“ Robert zwinkerte mir zu. Er meinte es ernst, doch seine Augen waren klein.
Ich nahm einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse ab und atmete tief durch. Eigentlich wollte ich das Thema nicht ansprechen. Alles sträubte sich in mir, aber ich wusste auch, dass mich ein Schweigen darüber den ganzen Tag belastet hätte.
„Ich weiß, dass er dir wichtig ist“, sagte ich demzufolge. Gleichzeitig bohrte sich die Feststellung schmerzend in meinen Magen. „Aber du darfst dich nicht für ihn aufgeben.“
„Oh, das tu ich nicht, Nielo, auf keinen Fall“, entgegnete er postwendend. Seine haselnussbraunen Augen sahen mich an: liebevoll und auch traurig. „Du bist das Wichtigste für mich und das wird so bleiben.“
Er langte über den Tisch, nahm meine Hand und drückte sie fest.
Mir fiel ein kleiner Stein vom Herzen. Seine Worte gaben mir die notwendige Stütze. Ich war die Nummer eins in seinem Leben. Das würde auch ein François nicht ändern.
„Okay.“ Ich nickte. Das Thema war erledigt. Zumindest für diesen Moment.
Es änderte allerdings nichts an der Tatsache, dass Robert ausgelaugt wirkte wie jeden Morgen, wenn er den Freitagabend mit François verbracht hatte.
Vielleicht hätte es mich an jenem Morgen wütend machen müssen, aber das tat es nicht. Wir hatten diese Abmachung und diese Regelung hatte Struktur in den Alltag gebracht. Da ich Robert liebte und nach wie vor an unserer Beziehung festhielt, spürte ich eher eine Art von Mitleid.
Dieser bildhübsche Mann, der zwischen uns stand, war zwanzig Jahre jünger als mein Ehemann. Da blieb es wohl nicht aus, dass man sich gerädert vorkam, um mitzuhalten.
Ich räumte den Tisch ab und bemerkte Roberts Nachdenklichkeit. Dachte er dasselbe wie ich?
„Dann mache ich mich jetzt fertig für die Stadt“, entschied ich und zeigte auf meine Shorts, die unter dem offenen Morgenmantel hervorlugten. „Vielleicht reicht die Zeit für ein kleines Nickerchen auf dem Sofa.“
Robert lächelte. „Vielen Dank.“
Natürlich war er in meiner Abwesenheit nochmal auf dem Sofa eingenickt. Ich weckte ihn mit einem Kuss auf die Stirn und dem neusten Herren-Duft von Lancôme.
Er klappte die Lider auf und schmunzelte. „Du riechst wunderbar.“
„Nur für dich, alter Mann“, neckte ich.
„Oh bitte, mach mich nicht älter, als ich bin.“
„Was?“ Ich lachte. „Sonst bist du es doch, der sich zur Altherrenliga zählt.“
Robert betrachtete mich von Kopf bis Fuß. Ich steckte in Bluejeans und einem weißen Kapuzenpullover. Ich mochte es sportlich, was nicht nur an meinem Beruf lag. Bequeme Markenkleidung gab mir ebenfalls das Gefühl, die Jugend nicht verloren zu haben.
Robert bevorzugte seine Hemden und Anzüge – war er nicht gerade im Club unterwegs. Dort trug er vornehmlich seine Lederjacke und die engen Jeans, die aufgrund seiner schlanken Figur dennoch Falten warfen.
Er stand auf und rieb sich das Gesicht. Die kleine Auszeit hatte ihm gutgetan. Unternehmungslustig sah er mich an. „Von mir aus können wir los.“
Zehn Minuten später lenkte Robert den schwarzen BMW aus der Garage. Die Sonne schien und er trug eine Sonnenbrille von Ray Barn, die jedoch nicht verhinderte, dass er den Radfahrer von der rechten Seite nicht bemerkte.
„Vorsicht!“, warnte ich, sodass er gerade noch rechtzeitig in die Eisen ging. Obwohl Robert vor dem Überqueren des Bürgersteiges abbremste, stoppte der Biker nur dicht vor der Kühlerhaube. Mit geöffnetem Mund sah er in unsere Richtung und ich schluckte.
Es war François, der dort mit seinem Rennrad stand, buchstäblich zur Salzsäule erstarrt. Ich konnte es ihm nicht verübeln, denn Robert hatte ein ordentliches Tempo drauf gehabt.
Ein paar Sekunden vergingen, bis François sich wieder dem Rad widmete. Er trug eine enge Radlerhose und hatte einen Fahrradhelm auf dem Kopf. Sein hautenges Oberteil definierte seine schlanke Figur bis ins kleinste Detail.
Er blickte kurz auf die Straße und fuhr los. In Windeseile war er aus unserem Blickfeld verschwunden.
Robert schwieg. Ich sagte ebenfalls nichts dazu. An einem Samstag hatte François nichts in unserem Leben zu suchen.
Trotzdem drang mir ein wirklich scheußlicher Satz in den Kopf: Hättest du ihn doch bloß umgenietet, dann wären wir ihn endlich los!
In den nächsten Stunden lenkten wir uns ab.
Wenn wir samstagvormittags einkaufen gingen, landeten wir nicht beim Discounter, sondern in edlen Boutiquen. Nicht selten kaufte mein Mann mir eine neue Uhr oder kostbare Krawattennadeln, die ich nie trug, einzig und allein, um das Klischee zu bewahren, aus dem wir uns einen Spaß machten.
Er war großzügig und ich ließ mich gern beschenken. Zum Abschluss des Ausfluges gönnten wir uns dann eine Auszeit in einem exquisiten Café. Sekt und Lachsbrötchen. Irgendwo muss man ja hin mit seinem Geld, sagte Robert stets mit einem Augenzwinkern.
Nach dem Abendessen, das wir uns hatten ins Haus kommen lassen, sahen wir uns einen Film an, doch bei einem Glas Wein und dem flüssigen Dialog nebenher kamen wir schnell zu dem