Das Arrangement. Justin C. Skylark
auch, dass er sie in den Briefkasten werfen soll.“
Ich schüttelte den Kopf. „Kommt nicht in Frage.“ Mein Entschluss stand fest. „Ich lasse nicht zu, dass sich der ganze Club das Maul zerreißt. Womöglich sehen sie in ihm deinen neuen Stellvertreter!“ Mit Nachdruck stieß ich ein künstliches Lachen aus.
Robert seufzte und senkte den Kopf. Genug, um mich an meine Pflichten als sein Partner zu erinnern.
„Ich werde morgen in den Club gehen“, beschloss ich, ohne mir im Klaren zu sein, was für einen Weg ich mir damit aufhalste. „Schreib auf, was du brauchst und was ich machen soll. So schwer wird das wohl nicht sein.“
*
Nach einer Stippvisite in meiner Praxis nahm ich mir am nächsten Tag ein Taxi für den Weg in den Club. Da ich vorhatte, den BMW nach Hause zu fahren, verzichtete ich auf die Fahrt mit meinem Golf.
Es war später Nachmittag und die Öffnungszeit des Etablissements war nur noch wenige Minuten entfernt. Es gab sogar schon Gäste, die vor dem Eingang warteten.
Ich hingegen stieg aus dem Taxi und marschierte schnurstracks auf das Gebäude zu. An der Tür wurde mir jedoch der Zugang verwehrt.
„Halt!“ Ein Türsteher hielt mich zurück. „Der Club öffnet erst um 17 Uhr.“
Es war zehn vor fünf. „Umso besser, zeitig nach dem Rechten zu gucken“, erwiderte ich und erntete einen verblüfften Gesichtsausdruck meines Gegenübers.
Doch er schien sich schnell seiner Aufgaben bewusst zu werden und zückte ein Funkgerät.
„Ich brauche mal Verstärkung am Eingang“, sprach er gewissenhaft.
„Nun wird es interessant“, äußerte ich mich mit einem Lächeln.
Keine zehn Sekunden später trat ein weiterer Wachmann in Erscheinung. Es war Gerry. Den kannte sogar ich.
„Mensch, klar kann er rein, weißt du nicht, wer das ist?“, zischte er seinem Kollegen hinter vorgehaltener Hand zu. „Das ist Roberts Ehemann.“
Es war richtig amüsant, den ersten Wächter ein wenig geschockt zu erleben. Er trat auf der Stelle zur Seite und wies mir den Weg. „Sorry“, stammelte er. „Ich wusste nicht, dass Sie kommen. Robert ist krank.“
„Ja, deswegen bin ich hier!“, tönte ich. Ohne die Männer noch mal anzusehen, begab ich mich durch den Eingang und stieg die Treppe hinab in Richtung Club. Ob Robert auf diesen Stufen gefallen war? In Begleitung von François? Ob der ihn nach dem Fall aufgerichtet und gestützt hatte? Ehrlich gesagt wollte ich das nicht so genau wissen.
„Nielo!?“ Auch Piet sah überrascht auf, als ich mich an den Tresen lehnte und prüfend umsah. Hatte Robert mein Erscheinen nicht angekündigt? „Wie geht es Robert?“, lautete seine nächste Frage. Da der Einlass kurz bevorstand, steckte er bereits in seinem knappen Höschen. Und natürlich hing wieder eine bunte Krawatte über der nackten Brust. Dem Trend angepasst trug er die Haare mit einem Caesar Cut. Das war Geschmacksache.
„Er muss den Fuß schonen“, berichtete ich. „Aber das hat er dir ja sicher am Telefon erzählt, so oft wie ihr telefoniert.“ Oh je, ich klang so schnippisch wie ein neidisches Weib. Unaufgefordert schob ich den Zettel auf den Tisch. Fein säuberlich hatte Robert mir darauf notiert, welche Unterlagen er benötigte. Piet überflog die Notizen und nickte. „Die Rechnungen für den Einkauf habe ich hier, die anderen Sachen findest du im Büro. Hast du den Schlüssel?“
Ich zog das besagte Bund aus der Hosentasche und klimperte damit herum. „Aber ich benötige noch den Schlüssel für den Wagen.“
„Oh …“ Piet machte ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Was war denn nicht in Ordnung?
„Der Wagen steht im Hof.“
„Ja, und?“ Mit den Händen tat ich eine fragende Geste. „Wo liegt das Problem?“
„Die Einfahrt ist extrem eng. Robert hat schon eine Schramme in den Lack gefahren.“
Ich nickte, denn dieser Makel war mir bestens bekannt. Ich sah in der Angelegenheit jedoch kein Hindernis.
„Ich werde das schon schaffen.“ Auffordernd hielt ich Piet die offene Handfläche entgegen.
„Den Schlüssel hat François“, erklärte mir Piet allerdings.
Auch das noch. Ich atmete tief durch und ließ mir meinen Unmut nicht anmerken. „Und wo finde ich den?“
Piet sah mich so verdattert an, dass es mir unangenehm war. „Na, in seiner Garderobe. Er bereitet sich für die Show vor.“
„Klar.“ Ich lachte aufgesetzt.
Nachdem ich mir die nötigen Akten aus dem Büro besorgt und Piet alle erforderlichen Schriftstücke zusammengesucht hatte, ließ ich mir den Weg zum Hinterhof zeigen. Dort stand der Wagen als einziges Gefährt. Die Angestellten mussten woanders parken, denn der Parkplatz war zu klein für weitere Autos. Ich stellte den Karton mit den Unterlagen erst einmal auf dem Boden ab. Ein prüfender Blick bestätigte mir, dass die Einfahrt tatsächlich verdammt eng war, doch das hinderte mich nicht daran, nochmals in den Club zu gehen und den Wagenschlüssel zu organisieren.
Immerhin wusste ich, wo sich die Umkleideräume der Tänzer und Kellner befanden. Was ich bis dato noch nicht gewusst hatte, war, dass François ein eigenes Zimmer besaß. Aber klar, als Liebchen des Chefs und heimlicher Star des Clubs genoss man natürlich ein paar Extras. Ob er hier geschlafen hatte, bevor er in unsere Einliegerwohnung gezogen war?
Es haftete sogar ein Namensschild an seiner Umkleidekabine. Absolut lächerlich!
Ich klopfte nur sporadisch an und öffnete die Tür, ohne eine Antwort abzuwarten.
„Ja?“, ertönte es, da stand ich aber schon im Raum.
Piet hatte erwähnt, dass sich François in der Vorbereitung für die Abendshow befand, dennoch war ich etwas erschrocken, als ich ihn halb nackt erblickte. Er trug wieder einen String, der an der Vorderseite lediglich sein bestes Stück bedeckte, dazu ein Achselshirt aus Netzstoff. Ohne Probleme konnte ich durch die grobmaschigen Löcher auf seinen Oberkörper sehen.
„Ich brauche den Schlüssel für den Wagen“, sagte ich, ohne zu grüßen. Nachfolgend sah ich ihm nicht einmal ins Gesicht, sondern visierte den Kleiderständer an, der auf Bügeln seine Bühnenkleidung trug. Konnte man die Fetzen von Chiffon und Tüll überhaupt Kleidung nennen?
„Hi, ja, klar …“, erklang als Antwort.
Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, dass er sich einer Tasche zuwandte, die auf dem Boden stand. Er bückte sich und wühlte darin.
Ich riskierte einen Blick und sah sofort wieder weg, denn er streckte mir tatsächlich seinen nackten Arsch entgegen. Tat er das mit Absicht oder merkte er nicht, wie unpassend er sich verhielt?
Na ja, als Pole- und Striptease-Tänzer hatte man wohl ohnehin keine Scheu, vor Fremden blankzuziehen. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie viele Typen ihn schon angetatscht und befummelt hatten. Das war widerlich. Und diese widerliche Person ging mit meinem Ehemann ins Bett!
Auf nackten Sohlen tapste er heran. Ich war ein Stückchen größer als er oder lag es daran, dass ich Schuhe trug und er barfuß lief?
„Hier“, sagte er und reichte mir den besagten Schlüssel. Ich sah ihm nur kurz in die Augen, nur einen winzigen Moment und doch erkannte ich Fragen und Sorgen in ihnen. „Wie geht es Robert denn?“, schob er wie erwartet nach.
Ich steckte den Schlüssel ein und vermied jeden weiteren Blickkontakt. Es war besser so. Ich wollte mir nicht vor Augen führen, was mich tagtäglich quälte.
„Kannst ihn Freitag selbst fragen“, antwortete ich hämisch.
„Nielo, bitte, ich will doch nur wissen, wie es ihm geht“, winselte er. Ich ignorierte das; hatte ohnehin viel zu viel Zeit mit ihm vertrödelt. „Schönen Abend noch“, wünschte ich mit