Das Arrangement. Justin C. Skylark
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Das ging leichter als gedacht, sagte ich mir, während ich zum Hinterausgang schlenderte. Der Club hatte inzwischen geöffnet und die ersten Männer tummelten sich vor der Bühne. Dieser Laden lebte von der Show und nackter Haut. Ich hingegen war froh, nicht darauf angewiesen zu sein, denn zu Hause wartete Robert auf mich – und das noch zwei volle Tage. Es hatte also auch Vorteile, dass er krankgeschrieben war.
Emotional beflügelt trat ich auf den Wagen zu, öffnete ihn und verstaute den Karton mit den Unterlagen im Kofferraum. Irrte ich mich oder sah mich der Türsteher prüfender an als nötig? Wusste er womöglich auch nicht, wer ich war?
Vielleicht sollte ich in Zukunft öfter mal Präsenz zeigen, damit den Angestellten klar wurde, wer der erste Mann in Robert Saxens Leben war.
Ich startete den BMW und rollte die Augen, kaum erklang das dumpfe Geräusch des doppelten Auspuffs. Ich hasste es, herumzufahren wie ein Prolet. Mit der Lautstärke eines Wagens musste ich gewiss nichts kompensieren und Robert sowieso nicht.
Ich schaltete in den ersten Gang und fuhr los. Ja, sie hatten recht gehabt. Die Einfahrt war tierisch eng, sodass die Abstandsmelder an allen Seiten des Wagens Alarm schlugen. Womit ich nicht gerechnet hatte, waren die Schlaglöcher, die den BMW nach wenigen Metern zum Schaukeln brachten. Ich war noch nicht einmal in der Mitte der Zufahrt angelangt, schon kratzte der rechte Seitenspiegel an der Häuserwand entlang. „Verflucht!“
Ich stoppte. Vorbei war das Gefühl des triumphalen Erfolgs.
Zudem konnte ich nicht einmal aussteigen, um mir den Defekt anzusehen, denn neben der Fahrertür existierte nur ein schmaler Spalt, durch den ich niemals gepasst hätte.
Vorsichtig legte ich den Fuß auf das Gaspedal, dazu drehte ich das Lenkrad wagemutig nach links.
Sofort erfasste ich das nächste Schlagloch und streifte die Wand mit der linken Vorderseite.
„Das gibt es doch nicht!“, fluchte ich. Im Rückspiegel sah ich, dass der Türsteher auf dem Hinterhof mit vor dem Bauch verschränkten Armen zusah, wie ich mich abmühte.
„Na, super …“ Ich linste über die Kühlerhaube nach vorn. Auch der weitere Weg wies Unebenheiten auf. Ich kam mir vor wie in einer Blechdose.
Resigniert schaltete ich den Rückwärtsgang ein und setzte zurück, nicht, ohne nochmals den Spiegel an die Wand zu fahren.
Egal … Sollte Robert zusehen, wie er den Wagen bekam. Ich wollte ihn nicht noch mehr ruinieren.
Zurück auf dem Hof stand ich aus und schlug die Wagentür wütend zu.
Unaufgefordert gesellte sich der Mann der Security zu mir. Entgegen meiner Erwartung ließ er keinen blöden Kommentar los, sondern nickte mit Anteilnahme.
„Ist eine beschissene Ausfahrt hier, den modernen Autos nicht angepasst.“
„Hier sollte man gar nicht mehr parken dürfen, außer man fährt einen Trabant!“ Meine Stimme bebte vor Anspannung.
Mein Gegenüber stimmte mir zu, aber er zeigte Zuversicht und deutete auf sein Funkgerät. „Ich habe den Kollegen kontaktiert. Er sagt François Bescheid, der fährt den Wagen raus.“
Für einen Moment blieb mir die Spucke weg. „Äh, nein … Das ist nicht nötig.“
Es war zu spät. Die Tür des Hintereingangs öffnete sich und François erschien. Gekleidet mit Morgenmantel und dünnen Latschen. Ohne Zweifel hatte man ihn aus der Garderobe geholt und selbstverständlich hatte er sich für die Aktion auf dem Hof so kurz vor dem Auftritt nicht mehr in Straßenkleidung geschmissen.
Seine Lider schimmerten in glänzenden Farben, er hatte Rouge aufgelegt und lächelte sanft. „Das kriegen wir hin, kein Problem.“
Er nahm mir den Wagenschlüssel aus der Hand, wobei sich unsere Finger berührten. Seine Fingerkuppen waren warm und ich ballte sofort eine Faust, um das Gefühl des Kontakts auszublenden.
Er schwang sich hinter das Steuer, ließ den Wagen aufheulen und chauffierte ihn im Schneckentempo durch die viel zu enge Passage.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er am anderen Ende angelangt war und wieder ausstieg, doch zumindest hatte er keine weitere Delle in den Lack gefahren.
Ich kam mir vor wie ein Idiot.
„So, das war’s!“ Er gab mir den Schlüssel zurück. „Schönen Abend noch und liebe Grüße an Robert.“ Dann sprintete er zur Tür und verschwand.
Verdattert sah ich ihm nach. Der Türsteher beschäftigte sich mit seinem Handy. Die angespannte Lage war vorbei. „Das werde ich ihm bestimmt nicht ausrichten“, zischte ich, marschierte zum Wagen und fuhr schnittig davon.
*
Wie angenommen saß Robert mit erwartungsvoll geweiteten Augen und einem breiten Lächeln im Gesicht auf dem Sofa, kaum erblickte er den Karton in meinen Händen.
In seiner Lage hätte er fernsehen, rätseln oder lesen können, aber nein, er hatte lieber gewartet, bis ich mit Arbeit nach Hause kam. Ja, er war ein Arbeitstier, dem der Erfolg nicht vor die Füße gefallen war. Eigentlich hätte ich stolz auf ihn sein sollen, wenn nicht dieser bittere Beigeschmack blieb, bei dem Wissen, mit was er sein Geld verdiente.
„Hast du alles bekommen?“, fragte er und ich nickte.
„Schöne Grüße von Piet. Du kannst ihm alles faxen. Er kümmert sich um die Bestellung und alles Weitere. Post, Dienstpläne, Reparaturaufträge und die Akten sind auch dabei.“ Ich stellte den Karton in Reichweite auf den Tisch, in der Annahme, dass sich Robert sofort an die Arbeit machen würde. Handy und Laptop lagen schon neben ihm auf dem Sofa. „Und der Wagen?“
„Steht in der Garage.“
„Super!“
„So super ist das nicht“, erwiderte ich. „Beim Rausfahren aus dem Hof habe ich den rechten Seitenspiegel demoliert und die linke Frontschürze beschädigt.“
Sein Lächeln verschwand sofort. Für ein paar Sekunden blieb sein Mund offen stehen.
„Was?“, entwich es ihm heiser. „Aber wieso hat denn François den Wagen nicht rausgefahren?“
„Doch …“, gestand ich und bekam dabei die Zähne kaum auseinander. „Aber erst, als es schon passiert war.“
„Hat dir denn niemand gesagt, dass …“
„Doch!“ Ich unterbrach ihn harsch. Eigentlich wollte ich überhaupt nicht mehr davon reden. Vor allem, weil es schon wieder Dinge betraf, an die ich nicht denken wollte. Robert bemerkte das offensichtlich, denn er seufzte nur und beschwerte sich nicht weiter.
„Ich wollte den Wagen ohnehin verkaufen, habe ja selbst eine Schramme reingefahren.“ Er lachte leise und widmete sich dem Karton.
„Es tut mir leid“, sagte ich abschließend und er winkte ab.
„Nicht so schlimm.“ Sein folgendes Zwinkern war liebevoll.
„Okay.“ Ich atmete tief durch und sortierte die Gedanken. „Was wollen wir denn essen? Lust auf Pizza?“ Dass Robert mit seinem verletzten Fuß nicht in der Küche stehen konnte, war klar. Somit hatte ich beschlossen, das Kochen für den Rest der Woche zu übernehmen. Ohnehin lag es überwiegend an mir, was auf den Tellern landete.
„Bestell doch etwas beim Italiener!“, rief er mir zu. „Dann musst du dich nicht noch mehr abmühen für mich.“
„Stimmt, eigentlich reicht es mir für heute.“ Schmunzelnd zog ich mein Handy aus der Hosentasche und öffnete die App des Pizzadienstes. „Was willst du denn haben?“
Robert antwortete zuerst nicht. Er war schon in die Unterlagen vertieft und trug seine Brille. Das war immer ein Zeichen dafür, dass er sich wichtige Dinge zu Gemüte führte. „Mir reicht ein Pastateller und Salat“, murmelte er, aber plötzlich sah er auf. „Ach, was ist denn