Das Arrangement. Justin C. Skylark
wird schon“, tröstete ich. Nun fasste ich nach seiner Hand und streichelte sie. „Sei froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist.“
Demzufolge fuhr ich ohne Robert nach Hause. Vorbei die Vorstellung von einem romantischen Abend. Stattdessen musste mir François begegnen und Salz in die Wunde streuen.
Während der Fahrt baute sich die Wut auf ihn abermals auf. Was bildete er sich ein, am Anfang der Woche den Gutmenschen zu spielen?
„Ihr Sohn …“, äffte ich die Schwester laut nach. „Dass ich nicht lache …“
Mit quietschenden Reifen fuhr ich in die Garage. Mit Wucht stieß ich die Wagentür hinter mir zu. Mir war egal, ob die Nachbarn etwas von meiner schlechten Laune mitbekamen. Der Abend war gelaufen …
In der Küche sah ich auf die Lebensmittel, die in meiner Abwesenheit an Glanz verloren hatten. Am liebsten hätte ich die Pfanne mit dem Fleisch durch die Küche geschmissen, aber das wäre eine Sauerei geworden. Da ich jedoch nicht wusste, wohin mit meinem Zorn, machte ich dort weiter, wo ich vor wenigen Stunden aufgehört hatte. Ich packte das Küchenmesser und stach es in die Tomaten. Hektisch und grob schnitt ich das Gemüse in Scheiben und stellte mir vor, dass es François’ Körper wäre, den ich zerteilte.
*
Am nächsten Tag sah die Welt schon anders aus. Nachdem ich in der Praxis ein paar Kunden abgefertigt und den restlichen Arbeitstag meinen Angestellten überlassen hatte, holte ich Robert aus dem Krankenhaus ab.
Seinen Erzählungen nach hatte er kein Auge zugetan, was weniger an den Schmerzen gelegen hatte, sondern an den Sorgen, die er sich um die Geschäfte machte. Auf der Fahrt nach Hause führte er das erste Gespräch mit Piet.
„Ich kann die Bestellung heute nicht persönlich checken, werde aber ein Auge drauf werfen. Am besten schickst du mir ein Fax. Ich sende es dir unterschrieben zurück, ja … Wer ist ausgefallen? Aha, wieso das … Okay, ich habe von zu Hause einen Zugriff auf die Dienstpläne, die kontrolliere ich nachher … Aha, also will er reduzieren? Dann fällt er ja nächstes Wochenende auch aus … Das sehe ich mir an. Allenfalls müssen wir ein paar Shows streichen … Die Bewerber?“ Sein Redeschwall unterbrach mit einem Stocken. „Weiß nicht, ob ich das schaffe; bin krankgeschrieben. Vielleicht kann François sich dem annehmen, das kläre ich …“
Ich schenkte ihm einen bissigen Blick und sah wieder auf die Straße.
„Ach, der Wagen, ja, den holen wir auch ab. Lass ihn am besten erstmal im Hof stehen.“
Ich bog ab und preschte durch die verkehrsberuhigte Zone, bis wir an unserem Haus angekommen waren. Dann erst beendete Robert das Gespräch. Er wirkte gestresst, dabei sollte er sich schonen. Ächzend stieg er aus und stemmte sich auf die Krücken.
„Soll ich dir helfen?“, fragte ich sogleich.
Er winkte ab. „Nein, das geht. Komme mir ohnehin schon vor wie ein Invalide.“ Ich hechtete voraus und hielt ihm die Tür auf. Bewusst nahm ich nicht den Weg über den Keller, denn die Garage war natürlich mit dem Wohnhaus verbunden. Aber Robert sollte so wenig Stufen wie möglich gehen müssen. Zudem wollte ich das Untergeschoss nicht öfter betreten als nötig.
Womöglich würde ich dem Untermieter begegnen. Das musste echt nicht sein.
Es reichte schon aus, dass ich gezwungen war, in die untersten Räume zu gehen, um Wäsche zu waschen oder etwas aus dem Vorratskeller zu holen.
Ab und zu hing der Geruch seines Aftershaves in der Luft, ein Duft, den ich mittlerweile verabscheute.
Am schlimmsten war es, drangen Geräusche aus der Einliegerwohnung ins Erdgeschoss: laute Musik, nach der François vermutlich seine Tanzübungen vollzog oder Gelächter, wenn er Freunde geladen hatte.
Diese Störfaktoren waren schrecklich und kamen mit Übelkeit daher, denn war es still, konnte ich manchmal vergessen, dass da noch jemand mit uns im Haus wohnte.
Robert hangelte sich auf das Sofa und verschnaufte. Missbilligend lehnte er die Krücken neben sich auf das Polster. „Als Erstes müssen diese abscheulichen Dinger verschwinden“, meinte er. „Damit fühle ich mich ganz krank.“
„Du bist krank“, stellte ich klar.
Er überhörte das und runzelte die Stirn. „Ich glaube, ich habe noch irgendwo diesen Gehstock von Onkel Hubert; diesen schwarzen edlen, kannst du dich erinnern?“
Ich grinste schief. „Und mit dem siehst du weniger krank aus, oder was?“
„Der verleiht mir zumindest die nötige Würde.“ Wieder griff er nach dem Handy und tippte darauf herum. Kurz telefonierte er. Ehrlich gesagt war mir nie bewusst gewesen, um was er sich im Club alles kümmern musste. Das war wie ein nicht endender Rattenschwanz. „Wo ist was kaputt?“, hörte ich ihn fragen. „Sag das dem Hausmeister. Wenn es was Größeres ist, muss eine Firma her, aber nicht ohne Kostenvoranschlag. … Drink der Woche? Das entscheide du, ich verlasse mich auf dich … Wie sind denn die neuen Flyer geworden? … Ja? Super … Sorg dafür, dass sie in der Fußgängerzone verteilt werden, am besten Freitagabend …“
So ging es eine Weile, bis ich ihn ermahnte, und er aufhörte, zu telefonieren. „Dann bring mir bitte den Laptop. Ich muss die E-Mails checken.“
Nachfolgend spielte ich den Laufburschen für ihn; pendelte einige Male zwischen Arbeits- und Wohnzimmer hin und her, druckte Unterlagen aus, holte ihm Ordner und schickte Faxe los, bis er am frühen Abend auf dem Sofa einnickte.
Zum Abendessen weckte ich ihn wieder. Zu seiner Überraschung hatte ich den schwarzen Gehstock tatsächlich im hintersten Winkel des Kleiderschrankes gefunden. Ein wirklich edles Stück mit silbernem Knauf. Auch humpelnd machte Robert damit eine gute Figur.
Trotzdem legte sich seine Anspannung nicht. Beim Essen schielte er unentwegt auf die Uhr oder das Handy, bis mir der Kragen platzte.
„Du machst mich wahnsinnig …“
„Tut mir leid.“ Er schob das Mobiltelefon wenige Zentimeter von sich. „Ich will nur sichergehen, dass alles läuft, während ich weg bin.“
„Die werden doch wohl mal ein paar Tage ohne dich auskommen“, moserte ich. „Piet ist ein fähiger Mitarbeiter.“
„An der Bar, ja“, pflichtete mir Robert bei.
„Ich habe immer gesagt, du sollst dir einen Stellvertreter an Bord holen.“
„Ach!“ Robert winkte ab, sein Gesichtsausdruck wurde richtig grimmig. So sah ich ihn selten. „Ich habe es einmal mit einem Teilhaber versucht, das langte mir.“ Er nahm einen großen Schluck aus dem Weinglas. „Nein, ich habe lieber alles selbst in der Hand.“
Er tat einen Bissen und schluckte hektisch. „Vielleicht kannst du mich morgen kurz hinfahren.“
„Du bist krankgeschrieben“, erinnerte ich ihn. „Und du sollst den Fuß vorerst nicht belasten, hat der Arzt gesagt.“
„Ich brauche Unterlagen aus dem Büro und es laufen Vorstellungsgespräche. Außerdem will ich den BMW in unserer Garage haben.“
„Das kann Piet doch auch erledigen“, antwortete ich.
„Das mit dem Wagen nicht, abgesehen davon hat er genug zu tun.“ Robert starrte wieder auf das Handy. Ich sah ihm an, dass er überlegte. „Es gibt nicht viele, die sich bei mir im Büro auskennen und die ich dort hineinlasse.“ Er sah mich an und ich ihn. Das reichte aus. Ich wusste, was er in Erwägung zog.
„Denk nicht einmal daran!“, ermahnte ich ihn.
„Warum nicht? Er ist ohnehin jeden Tag dort und wohnt hier. Er kann mir die Sachen bringen.“
„Nein …“
„Das ist albern, Nielo“, entgegnete er und legte das Besteck beiseite. Entstand etwa ein Streit? Wegen ihm? Schon wieder?
„Es ist nicht albern, sich an Abmachungen