Das Arrangement. Justin C. Skylark

Das Arrangement - Justin C. Skylark


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Robert nickte. Notgedrungen biss ich in den sauren Apfel. „Wenn es so wichtig ist, fahre ich nochmal hin.“

      Eine Stunde später saßen wir am gedeckten Tisch bei Kerzenschein, Musik von Andrea Bocelli und aßen unsere italienische Lieferung.

      Robert sah entspannt aus, was daran lag, dass er den ganzen Tag auf dem Sofa gelegen und seinen Fuß geschont hatte. Doch wenn er aufstand, um ein paar Schritte zu gehen, sah ich ihm an, dass er Schmerzen hatte. Und er verzichtete sogar auf das obligatorische Glas Wein zum Essen, da er eine Tablette einnehmen musste.

      Ich schätzte ihn nicht nur als Partner, sondern auch als perfekte Gesellschaft, denn er war kein Mann, der sofort aufsprang, kaum war der Teller leergegessen. Er benötigte weder Radio noch Fernsehapparat. Problemlos konnten wir stundenlang beieinander sitzen, uns unterhalten und nichts vermissen. Er war ein angenehmer Gesprächspartner, der zuhören und Verständnis zeigen konnte. An diesem Abend bemerkte ich, dass er etwas auf der Seele hatte.

      Unaufgefordert schenkte er mir Wein nach, während er sich am Wasser bediente. Ich ließ ihm Zeit.

      Nachdem er das Besteck auf den Teller gelegt und einen Schluck getrunken hatte, rückte er mit seinem Anliegen heraus.

      „Ich wollte dich um etwas bitten …“

      „Ja?“ Ich nahm den letzten Bissen und legte das Besteck ebenfalls ab. Hatte er mir weiteren Wein eingeschenkt, um mich gefügig zu machen? Er atmete angestrengt. Was er sagen wollte, fiel ihm sichtlich nicht leicht.

      „Es geht um das Wochenende.“

      Sofort läuteten bei mir sämtliche Alarmglocken. „Aha, ich bin ganz Ohr.“ Ich lehnte mich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor dem Bauch. Eine ablehnende Geste, dabei hatte er noch nicht einmal gesagt, worum es ging.

      „François hat Samstag Geburtstag.“

      „Schön für ihn“, erwiderte ich bissig. Der Groll brodelte unter meiner Brust. Warum fiel das Thema immer wieder auf diesen Kerl?

      „Ja, wir hatten eine Party geplant, im Club, mit geladenen Gästen …“

      „Und?“ Fragend hob ich die Schultern an. Was er mir damit sagen wollte, verstand ich nicht. Oder wollte ich es nicht begreifen?

      „Dann ist es also in Ordnung, dass ich zur Feier gehe?“ Seine Gesichtsmuskeln bebten erfreut.

      „Äh, nein … Es ist Samstag“, erinnerte ich ihn. „Das ist gegen die Abmachung.“

      Sogleich wich die Freude aus seinem Gesicht. „Es ist doch sein Geburtstag.“

      „Ist mir sowas von egal, das glaubst du gar nicht“, zischte ich und nahm einen großen Schluck Wein, war froh, dass Robert mir nachgeschenkt hatte.

      „Er wird doch nur ein Mal 25 Jahre …“

      Eine Aussage, die mich nicht beeindruckte. Es war eher eine Schande, dass er das Argument brachte. Robert war 45 und ich 35. François hätte tatsächlich sein Sohn sein können.

      „Es ist mir egal, wie alt er ist oder wird“, bekräftigte ich meinen Standpunkt.

      „Bitte, Nielo, das Jahr hat um die 50 Wochenenden, da kannst du doch ein Mal eine Ausnahme machen.“

      „Ja, und schon sind es zwei Ausnahmen, dann drei …“ Ich blieb konsequent. „Nein, wir haben ein Arrangement und das bleibt unantastbar.“

      Er neigte den Kopf, visierte mich aber mit seinen braunen Augen an. „Ist das dein letztes Wort?“

      „Ja.“ Ich behielt die Arme vor dem Bauch und verdeutlichte meine Abwehrhaltung. „Ihr habt den Freitag zusammen. Das ist in Ordnung. Das ist die Regel. Ihr könnt reinfeiern. Das reicht doch.“

      „Okay.“ Er gab klein bei, aber es schwang Unzufriedenheit in seiner Stimme mit. Trotzdem beendete er die Diskussion. Vermutlich entsann er sich daran, wie konsequent ich sein konnte. Mit Sicherheit dachte er an die Phase unserer Trennung zurück und bestimmt wollte er nicht noch einmal erleben, dass ich in ein Hotel zog.

      Er stand auf und sammelte die Teller zusammen. Ohne Gehstock humpelte er in die Küche. Das sah so fürchterlich aus, dass ich aufsprang und ihm das Geschirr aus der Hand nahm.

      „Lass, ich mache das schon.“

      „Danke“, entwich es ihm. Seine Finger zitterten.

      Am nächsten Tag sollte er noch einen Termin beim Arzt haben und ich hoffte, dass der ihn weiter krankschreiben würde.

      Ich wollte nicht, dass er zur Geburtstagsfeier ging. Irgendetwas in mir sagte, dass es nicht gut sein würde. Ohnehin: Sollte er sich nicht noch etwas schonen?

      Kurz trafen sich unsere Blicke und ich las in seinen Augen, wie enttäuscht er war, wie traurig und geknickt.

      *

      Am nächsten Tag musste ich erneut in den Club fahren, um das Bewerbungsgespräch abzuhandeln. Bewusst parkte ich nicht im Hinterhof. Auch musste ich mich diesmal nicht bei den Türstehern erklären und konnte ohne Umschweife den Haupteingang passieren.

      Es war nachmittags, dennoch waren einige Angestellte dabei, den Laden für den Abend auf Vordermann zu bringen.

      Die Bühne und die Tanzfläche waren hell beleuchtet. Ich sah einen farbigen, schlanken Mann in legerer Kleidung mittig im Raum stehen, daneben ein weiterer Kerl, der in engen Jeans steckte und eine Strickjacke trug, die bis zu seinen Kniekehlen reichte. In einer Hand hielt er eine Zigarette, was ungewöhnlich war, denn eigentlich herrschte im Club bis auf einen abgetrennten Bereich Rauchverbot. Die Kapuze der Jacke war über seinen Kopf gezogen, sodass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Aber kaum näherte ich mich den beiden, drehte sich der rauchende Typ um: Es war François.

      „Oh, Nielo, super, dass du da bist“, sagte er. Mit einer schnellen Bewegung hatte er die Zigarette in einen Aschenbecher gedrückt und die Kapuze vom Kopf gestrichen. Er lächelte. Meinte er, nur, weil ich jetzt öfter vorbeikam, würden wir beste Freunde werden?

      Ich nickte lediglich zur Begrüßung. Mein Augenmerk richtete sich eher auf den farbigen Mann.

      „Ja, das ist Simon. Er möchte als Tänzer anfangen. Wenn es geht in Vollzeit“, berichtete François.

      „Mhm, hat mir Robert gesagt“, nuschelte ich.

      Der besagte Simon stellte sich vor. François reichte mir die Mappe entgegen. Sie enthielt einen Lebenslauf, ein paar Fotos und ein offizielles Bewerbungsschreiben.

      Ich blätterte die Unterlagen nur sporadisch durch. „Das wird sich Robert ansehen“, beschloss ich und klemmte die Mappe unter den Arm. Fragend sah ich die Männer vor mir an.

      „Ja, dann wäre es wohl nicht schlecht, wenn du uns etwas vortanzt, oder?“ François nickte Simon ermunternd zu, danach blickte er mich an, als erwartete er einen Zuspruch.

      „Deswegen bin ich hier, oder nicht?“, antwortete ich hölzern.

      „Mit oder ohne?“, erkundigte sich Simon. Erneut sahen mich beide an, woraufhin ich mit den Schultern zuckte. „Mir eigentlich egal …“

      „Äh, wir sind ja im Nachtclub“, schaltete sich François ein. „Du solltest uns vorab mal zeigen, was du zu bieten hast.“

      Simon nickte und fasste sich sofort an die Klamotten. „Kein Problem.“

      Ich biss mir auf die Zunge. Was sollte ich hier eigentlich, wenn François sowieso alles managte?

      Von mir aus konnte sonst wer im Club arbeiten, das interessierte mich nicht die Bohne. Auf der anderen Seite war ich hergekommen, um Robert zu ersetzen. Das durfte ich nicht vergessen.

      Inzwischen war Simon bis auf die Unterhose entkleidet. Er war trainiert, hatte ein Sixpack und war sichtlich gut ausgestattet, so wie man es von einem Tänzer im Schwulenclub erwartete. Das gab einen Pluspunkt. Auch François schien zufrieden mit dem, was er sah. Er hob eine Hand und gab dem DJ ein Zeichen. Kurz darauf erklang Dancefloormusik.


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