Mörderische Spiele. Michael Bardon

Mörderische Spiele - Michael Bardon


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von seinem Schlag gab es nur noch wenige. Ihm machten Wind und Wetter nichts aus. Er trotzte den Naturgewalten. Es war ihm egal, ob es kalt oder heiß, trocken oder nass war. Während seiner Zeit in der Fremdenlegion hatte er ganz andere Dinge erlebt. Wer so etwas überstanden hatte, machte sich um das Wetter gewiss keine Sorgen mehr.

      Er blickte auf seine Uhr, die seit Jahren sein treuester Begleiter war. Zugegeben, ganz billig war sie nicht gewesen, aber ihren hohen Preis arbeitete sie Tag für Tag unermüdlich bei ihm ab. Sie regelte seinen Tagesablauf und wachte zuverlässig über seinen Zeitplan.

      Wenn nur alles im Leben so reibungslos funktionieren würde, dachte er und beschloss, noch eine Stunde unter seinem Baum auszuharren. Seine Gedanken reisten in die Zukunft. Reisten zu einem fernen Ziel. Reisten zu einem Neuanfang in seinem Leben.

      Wann würde diese verdammte Frauenleiche endlich gefunden werden? Und wie würden die Menschen auf sie reagieren? Würden Schaulustige in seinen Wald, auf seine persönliche Spielwiese kommen? Wie würden die Medien reagieren, wie die Polizei?

      Das waren wirklich viele spannende Fragen, fand er und konnte seine Ungeduld nur mühsam zügeln. Ein weiterer Gedanke fraß sich durch seinen Kopf, verdrängte seine vielen Fragen und setzte sich an die Spitze von allem, was ihm wichtig erschien.

      Er brauchte dringend einen Namen! Nicht irgendeinen. Nein! Einen, an den sich die Menschheit noch in hundert Jahren erinnern würde, der sich in ihren Köpfen für immer einnistete. Einen Namen, der die Menschen in Ehrfurcht erschauern ließ. Kurz und prägnant musste er sein. Am besten ein Wesen aus dem Tierreich. Das kannten die Leute und würden es bestimmt nicht vergessen.

      Wie wäre es mit einem Wolf, dachte er sich?

      »Nein, ein Wolf ist zwar stark, aber auch dumm«, murmelte er vor sich hin.

      Ein Bär vielleicht?

      »Nein, der ist zwar grausam, aber zu plump und einfältig!«

      Ein Fuchs?

      »Ja, das könnte passen«, sagte er und überlegte laut weiter: »Ein Fuchs ist schlau, stark und gerissen. Er späht seine Beute stundenlang aus, bevor er dann mit erbarmungsloser Härte zuschlägt.«

      Fuchs, oder vielleicht besser: der Fuchs, dachte er sich. Das wäre der richtige Spitzname für mich. Die Menschen brauchten so etwas. Sie gaben einem Massenmörder gerne einen Namen und sprachen diesen dann mit ehrfürchtiger Stimme aus.

      Er dachte an das alte London und an Jack the Ripper. Dachte an John Wayne Garcy, der immer in einer Clownsmaske gemordet hatte. Und er dachte an Ted Bundy, der 28 junge Frauen erdrosselt, vergewaltigt und zerstückelt hatte.

      Eines Tages, da war er sich sicher, würde sein Name in einem Atemzug mit den ganz großen unter den Serienmördern genannt werden. Dann würden die Leute vom Fuchs erzählen und dass er einfach zu schlau gewesen war und man ihn nie seiner Taten hat überführen können. Sie würden einen Lehrfilm über ihn drehen und Tausende von Polizeischülern würden seine Identität zu enträtseln versuchen.

      Ja, er würde sich ab sofort der Fuchs nennen.

      Kein wirklich ausgefallener Name, dachte er. Doch er war wenigstens prägnant und einfach. Fast jeder würde mit dem Namen die Attribute eines Fuchses assoziieren. Verschlagenheit, List und Schlauheit.

      Das sind doch Eigenschaften, mit denen ein Frauenmörder gut leben kann, dachte er und lächelte amüsiert.

      Sein Blick zuckte erneut nach unten auf seine Uhr. Quälend langsam schlich der Sekundenzeiger über das Ziffernblatt – die Zeit schien sich nicht von der Stelle zu bewegen. Noch 53 Minuten, wenn er sich an seinen Zeitplan hielt. Das waren 3180 Sekunden, in denen er wie eine Spinne auf sein nächstes Opfer lauern konnte. Sein Netz hatte er ja bereits ausgeworfen, jetzt musste er nur noch geduldig warten.

       *

      Gut gelaunt parkte ich meinen VW-Käfer vor unserer Garage und rannte durch den Regen zur Küchenveranda. Die Terrassentür war nur angelehnt. Meine Frau stand mit dem Rücken zu mir gewandt am Herd.

      »Tom, für dich gilt das Gleiche wie für deine Kinder«, sagte sie, ohne sich zu mir umzudrehen.

      Ich hielt für einen kurzen Moment inne und bewunderte den schlanken Körper meiner Frau. Ihr blondes Haar trug sie wie meistens offen, es fiel in sanften Wellen über ihre schmalen Schultern. Selbst nach 16 Ehe-Jahren war ich noch immer von ihr fasziniert und konnte mir beim besten Willen keine andere Frau an meiner Seite vorstellen.

      »Und was soll das sein?«, fragte ich stirnrunzelnd.

      »Zieh deine Schuhe gefälligst aus, oder willst du den Küchenboden freiwillig putzen?«

       Freiwillig? Ich? Bestimmt nicht!

      »Klar, kein Problem mein Schatz. Ist sowieso viel bequemer ohne«, sagte ich und schlüpfte schnell aus meinen Dockers.

      »Stell sie aber bitte vor die Tür. Am besten auf das Schuhregal, du weißt schon, dieses da, das wir im letzten Herbst extra dort aufgestellt haben.«

      »Warum bist du heute so pingelig?«, wollte ich wissen, hob aber sicherheitshalber meine Schuhe hoch und stellte sie vor die Tür.

      Ich kannte meine Frau, kannte ihre Launen, kannte ihren Sinn für Gerechtigkeit und Ordnung. Irgendetwas musste passiert sein? Irgendetwas stimmte hier nicht!

      »Nun rück schon raus mit der Sprache! Was haben die Kinder wieder angestellt?«, fragte ich, als ich meine Frau zärtlich von hinten in die Arme schloss.

      Für einen kurzen Moment legte Mia ihren Kopf an meine Brust, dann befreite sie sich aus meiner Umarmung und wandte mir ihr hübsches Gesicht zu. Ein kleines Veilchen zierte ihr linkes Auge und unter der Augenbraue sah ich eine deutliche Schwellung.

      Erschrocken zog ich die Luft durch meine Zähne und stammelte: »Wer …, was …, woher kommt dieses Veilchen?«

      Mia schaute mich für einen kurzen Moment mit ihren eisblauen Augen an, dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht und sie sagte mit gefährlich leiser Stimme: »Ein kleines Rätsel gefällig, mein Schatz? Es ist blau, hat signalrote Streifen, ist ziemlich groß, stinkt und liegt auf der Kellertreppe herum? Was könnte das deiner Meinung nach sein?«

      Die Erkenntnis traf mich mit der Wucht einer Abrissbirne!

      Am Sonntag hatte ich meine neuen Laufschuhe auf der Treppe zum Keller ausgezogen. Eigentlich wollte ich sie ja mit Zeitungspapier ausstopfen und zum Trocknen in den Heizungsraum stellen. Aber über einen guten Vorsatz war ich nicht hinausgekommen. So hatte ich die Schuhe aus Faulheit oder Vergesslichkeit einfach auf dem Treppenabsatz stehen lassen.

      »Na, hast du eine Idee? Oder soll ich dir noch weitere Tipps geben, mein Dicker?«

      »Oh Gott, mein Schatz, das tut mir leid. Ich hatte diese blöden Sportschuhe total vergessen. Ehrlich, das passiert mir nie wieder, das verspreche ich dir«, sagte ich mit heiserer Stimme.

      Wenn ich mir vorstellte, was alles hätte passieren können, dann wurde mir im Nachhinein noch ganz schlecht.

      Die Tür flog auf. Unsere Kinder stürmten in die Küche. Achtlos warfen sie ihre nassen Rucksäcke auf den Boden und stapften auf feuchten Schuhsohlen zum Herd.

      »Hallo Mum, hallo Dad, was gibt’s zu essen?«, fragte Phil und spähte dabei in die dampfenden Töpfe hinein.

      »Du hast ja ein Veilchen«, rief Julia erschrocken und musterte ihre Mutter aufmerksam.

      »Ja, euer Vater hat mich geschlagen«, behauptete Mia mit ernstem Gesicht, doch in ihrer Stimme schwang schon wieder ein Lachen mit.

      »Nie im Leben, der doch nicht!«, sagte Phil und machte dazu eine lässig aussehende Handbewegung.

      »Was soll das heißen, der doch nicht? Meinst du etwa, dass ich dazu nicht in der Lage wäre?«, fragte ich entrüstet.

      »Ich glaube gar nichts. Ich weiß es! Wenn du Mum geschlagen hättest, würdest


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